Zwar gehen Joel und Ethan Coen als Filmemacher seit einigen Jahren getrennte Wege, das Gesamtwerk des Brüdergespanns, welches mittlerweile knapp 20 Filme umfasst ist jedoch beachtlich. Nicht nur wegen der Dichte an wirklich sehenswerten Streifen, sondern auch aufgrund der Vielfalt an unterschiedlichen Genres, denen die Brüder seit den 1980er Jahren ihren unverkennbaren Stempel aufdrückten. Mit dem fast schon grotesken Noir-Krimi FARGO (1996) lieferten die Beiden einen ihrer größten Kulthits ab und heimsten dabei sogar noch einen Oscar für das beste Drehbuch ein, von einem Goldjungen für Frances McDormands Performance als hochschwangere Polizistin mal ganz zu schweigen. Capelight Pictures legte die „handgestrickte Mördergeschichte“ kürzlich neu als 4K-Version im Mediabook auf.

Originaltitel: Fargo

Drehbuch: Joel Coen, Ethan Coen

Regie: Joel Coen

Darsteller: Frances McDormand, William H. Macy, Steve Buscemi, Peter Stormare, Harve Presnell, John Carroll Lynch, Larry Brandenburg, Kristin Rudrüd…

Artikel von Christopher Feldmann

Handlung:

Der erfolglose Autohändler Jerry Lundegaard (William H. Macy) steht kurz vor dem finanziellen Ruin. Um sich aus seiner misslichen Lage zu befreien, plant er das scheinbar perfekte Verbrechen: Er engagiert zwei Gangster (Steve Buscemi, Peter Stormare), die seine Ehefrau Jean (Kristin Rudrüd) entführen und von seinem wohlhabenden Schwiegervater ein Lösegeld erpressen sollen. Doch das unblutig geplante Vorhaben eskaliert – und mündet in einer brutalen Gewaltserie, die mehrere unschuldige Menschen das Leben kostet. Die hochschwangere Polizistin Marge Gunderson (Frances McDormand) heftet sich an die Fersen der stümperhaften Bande ..

Als ich filmisch noch relativ grün hinter den Ohren war, ordnete ich FARGO stets in den Dunstkreis jener eigenwilliger Gangstergeschichten ein, die durch Quentin Tarantinos RESERVOIR DOGS (1992) und PULP FICTION (1994) zu neuen Höhen fanden. Wahrscheinlich war FARGO in meinen Augen immer so eine Art Tarantino-Klon, mit schrulligen Figuren und eigenwilligem Setting. Dass es sich bei den Coen-Brüdern nicht um schnöde Epigonen, sondern damals schon um anerkannte Filmemacher handelte, wusste ich nicht. Ich dachte eben, FARGO sei einer dieser geschwätzigen, schwarzhumorigen Reißer und war fast schon verwundert darüber, dass der Film seine Geschichte trotz aller Eigenheiten so straight durcherzählt.

Es geht im Kern um den Versuch, das perfekte Verbrechen durchzuziehen, um einen armseligen Autohändler, der für ein paar Kröten seine eigene Frau gefährdet und für den ergaunerten Reichtum einen Plan schmiedet, der von vorneherein schon zum Scheitern verurteilt ist. Es ist fast schon der größte Gag des Films, dass man als Zuschauer miterleben kann wie Jerrys Kartenhaus schnurstracks in sich zusammenfällt. Etwa weil er zwei dahergelaufene Ganoven engagiert, die er nur durch den Tipp eines windigen Mitarbeiters kennt oder weil er ihnen einen Wagen aus dem eigenen Betrieb zur Verfügung stellt. Auch die Tatsache, dass sich „Jerry“ im Vorfeld keine Gedanken darüber gemacht hat, was wohl passieren würde, wenn die Polizei davon Wind bekommt, sorgt für ein breites Grinsen beim Zuschauer. FARGO ist eine süffisante Geschichte über das Scheitern und über ein stümperhaftes Verbrechen, was gleich mehreren Menschen das Leben kostet und in der eine hochschwangere Polizistin mit Morgenübelkeit die Heldin ist.

Die Coen-Brüder verlegen das typisch urbane Setting eines Noir-Krimis in ländliche Gefilde und das bildet auch schon den eigentlichen Reiz des Films. So spielt FARGO im verschneiten Minnesota, die Figuren unterhalten sich im örtlichen Slang (die Originalversion hat da im Vergleich zur deutschen Synchronisation deutlich mehr zu bieten) und statt der Großstadt bekommt man einen wunderbar kauzigen, ländlichen Charme geboten, der die durchaus blutigen Ereignisse gleich noch wesentlich unterhaltsamer macht. Natürlich gibt es auch einiges zu lachen, allen voran bei der fast schon slapstick-artigen Entführung oder die Befragungen an „Jerry“, der sichtlich seinen Kampf damit hat, möglichst nicht verdächtig zu wirken. Dazu noch zwei stümperhafte Ganoven und fertig ist der frostige Thriller-Cocktail für die kalte Jahreszeit. FARGO gehört sicher zu meinen liebsten Coen-Filmen, was auch der großartigen Besetzung geschuldet ist.

Großes Highlight ist natürlich die oscarprämierte Performance von Frances McDormand als schwangere, gutmütige aber auch clevere Polizistin „Marge“, die zwischen Leichenfund und Zeugenbefragung gemütlich mit dem Ehemann frühstückt und auch mal für den ein oder anderen Smalltalk zu haben ist. William H. Macy als Loser und Möchtegern-Drahtzieher ist ebenso ganz fantastisch. Wie er sich im späteren Verlauf um Kopf und Kragen redet ist großes Kino und das Ende belegt dann auch nochmal, was er für ein armes Würstchen ist. Dem entgegen stehen Steve Buscemi und Peter Stormare als Ganoven-Duo, das für einen schnellen und eigentlich unkomplizierten Job allerdings viel Staub aufwirbelt und einige Tote fordert, meistens auch nur aufgrund der Tatsache, dass Beide nicht sonderlich helle sind.

Capelight Pictures hat den Kultfilm in einer schicken Mediabook-Edition veröffentlicht, inklusive deutschsprachiger 4K-Premiere. Bild- und Tonqualität sind hervorragend, in den Extras gibt es Interviews, Featurettes, Trailer, TV-Spot, sowie einen Audiokommentar mit Kameramann Roger Deakins. Ein informatives Booklet rundet das Paket ab.

Fazit:

FARGO (1996) gehört zu den großen Highlights der Coen-Brüder. Eine groteske, ironische und beißend schwarzhumorige Kriminalgeschichte irgendwo im Nirgendwo. Ein Must-Have für jeden Filmfan.

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