„Die Gefühle haben Schweigepflicht!“ sang einst Andrea Berg und gemahnt mich so, die eigenen Gefühle beim Sichten eines Filmes und dem Verfassen der Rezension ganz professionell unter den Teppich zu kehren. Leider ist das nicht immer möglich, denn ich bin ja auch nur ein Mensch und keine Maschine, und neben Mails checken und Welt retten kommt dann doch immer die Kettensäge in mir hervor, sollte ich filmisch auf niederschwelligem Niveau provoziert werden. Die vorliegende Errungenschaft asiatischen Kulturschaffens ist eines dieser Produkte, welches mein Innerstes nuklearen Karneval feiern lässt und gleich Tür und Tor zu einem anderen Film öffneten, der irgendwie Bruder im Geiste sein könnte – und um Längen besser ist als dieses Abschreibungsprojekt der Kulturbehörde Beijing, obwohl auch der andere Film nur eine wohlwollende Beleidigung des Zuschauers ist. Wie dem auch sei: Tony Jaa ist zurück. Tony Jaa, einst gertenschlanke Stuntmen-Vernichtungsmaschine aus „Ong Bak“ ist nun etwas in die Breite gegangen und verdrischt zwar noch immer die Stuntmen in Reihe, bekommt dabei aber zunehmend Hilfe aus dem PC und könnte insgesamt mal einen härteren Stunt-Koordinator gebrauchen, vielleicht ruft er da mal bei Gareth Evans oder Donnie Yen an. PLAION PICTURES bringt dieses Knalltüten-Derivat scheinbar so schnell auf den Markt, dass nicht einmal Zeit zum Austausch des Filmtitels blieb: Im Vorspann ist noch der Originaltitel „Striking Rescue“ eingeblendet, was Sekunden der Irritation hervorruft, sich aber irgendwie über das Tempo des Vorspanns erklären lässt. Die Credits werden so schnell ein- und ausgeblendet, dass man gerade die Position der Buchstaben lokalisieren kann – und dann sind sie auch schon wieder weg.

Originaltitel: Striking Rescue
Regie: Siyu Cheng
Darsteller: Tony Ja, Hong Junjia, Xing Yu, Philip Keung, Chen Duoyi
Artikel von Kai Kinnert
Bai An (Tony Jaa) hat Vergeltung geschworen für den Mord an seiner Frau und seiner Tochter. Er findet heraus, dass der zwielichtige Unternehmer He Yinghao in das Verbrechen verwickelt ist. Doch bevor der wutentbrannte Familienvater mit Yinghao abrechnen kann, muss er ihm wider Willen im Kampf gegen einen Kriminellen beistehen: der skrupellose Drogenbaron Clay hat Yinghaos Tochter gekidnappt.

Neulich am Filmset:
„Tony, du musst die Emotion spüren, spiel voll drauf, nimm uns mit auf die emotionale Reise, gib alles, lass deinen Gefühlen freien Lauf, hau rein… mach keine Gefangenen, Drama, Drama, Drama…mach einfach mehr als nötig und der Oscar wird dir sicher sein!“ – So lautete die Regieanweisung Siyu Chengs an seinen Star Tony Jaa.
Und Tony nahm das wörtlich.
„Huuuaaarrghh Aarrrrr Gnooorrkschnarrr!!! Meine Familie… warum hast du meine Familie getötet???? Aaaarrrrrghhhh!!“ Tony strengt sich an, macht Grimassen und rollt die Augen, fletscht die Zähne und ballt die Fäuste. Dann: BammBammBamm, KnickKnackZack – Fresse ab! Und dann wieder: „Huaarrghhh Muuahhhh Warum hast du meine Familie getötetet… Aaaarggghhh…. BammBammmBamm… KnickKnackZack… *Immer in die Fresse*!!! Warum hast du…“ Der Regisseur weiter: „Gut so Tony, mehr! Mehr Emotion! Noch mehr!“
Und Tony: „Jaaaaaa Meeehrrr!! Aaarrghhh Huuuaaarrtz… BammmBammmBammm *Immer in die Fresse* Warum hast du meine Familie getötet!!! Waruummm?“
Sie merken es, werter Leser, das kann ich ewig so weitertreiben. Das geht den ganzen Film über so, keine Übertreibung. Tony rollt die Augen und kriegt spastische Anfälle, die wohl Schauspiel sein sollen, und kann sich nur dann beruhigen, wenn er die Stuntmen in die Kulisse hämmert. Vom Prinzip her also genau das, weswegen man sich diesen Film ansieht. Und Tony macht seinen Job: Er verprügelt Stuntmen. Dummerweise brüllt er sie aber vorher alle noch an und ist dabei völlig enthemmt. Wahrscheinlich mussten sie Tony Jaa während der Dreharbeiten einige Male wiederbeleben, da ihn der Herzinfarkt schon ins Licht rief. Mit den Worten „Warum hast du meine Familie getötet?!“ sprang er dann zurück in den Ring und vermöbelte den Rest der Filmcrew.

Was uns dann auch gleich zur alles entscheidenden Frage bringt: Wie ist denn die Action in dem Gassenhauer? Routiniert, so die Antwort. Wir bekommen den routinierten Beijing-Actionzirkus serviert, der in diesem Falle dann im Interessantesten wird, wenn Gegenstände ins Spiel kommen. Tony Jaa versenkt dann so manchen Stuntman im Splitterregen der Balsaholz-Kulisse.
Hier und da wird am PC nachgeholfen und das erhöhte Schnitttempo reduziert die langen Einstellungen und Plansequenzen, wie sie einst in Ong Bak noch zu sehen waren, auf ein Minimum. Tony Jaa hat seine drei, vier Einstellungen und Moves, die seine Qualität als Kämpfer unterstreichen, wird aber insgesamt in dieser Produktion nicht über Gebühr gefordert. Dennoch sieht manches im Kampf schon gut aus, dafür sind die chinesischen Produktionen einfach zu erprobt, als dass es wirklich schlecht choreographierte Kämpfe geben würde. Meinem Gefühl nach merkt man aber schon, ob die Action von Leuten aus Hongkong inszeniert wurde – oder von den Kämpfern aus Beijing. Hongkong liefert einen anderen Drive, dort sind die Actionwurzeln kein Plagiat wie in Beijing, hier gibt es eine derbere Actionsprache. Hongkong liefert Hongkong-Action, während Beijing seine Action wie aus Hongkong aussehen lassen möchte. Der Rest des Films ist eine Zumutung in Sachen Schauspiel und Dramaturgie, was mich eben gleich an diesen anderen Film erinnerte, den Samo Hung in Hongkong gedreht hatte: „Naked Soldier“ (dazu an anderer Stelle mehr). Auch hier stirbt die Familie von Samo Hung, doch er nimmt die Sache ausgeglichener, wobei seine Rache nicht minder gewalttätig ausfällt.

Fist of the Warrior ist ein routiniertes Actionprodukt aus China, das mit einer Reihe gut trainierter Stuntmen aufwarten kann und mit Tony Jaa einen übermotivierten, aber dennoch talentierten Actionstar in der Hauptrolle hat. Die Fights sind OK, es wird genügend zerstört und der eine oder andere Sturz ist nett anzusehen. Nichtsdestotrotz strengt dieser Film, ob seiner holprigen Inszenierung und dem andauernden Gebrülle von Tony Jaa, an. Insgesamt kein Weitwurf. Tony Jaa kann es besser. Das Bild der gesichteten Blu-ray war satt, sauber und klar, der Ton ebenso.
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