Mit dem Aufkommen der Blockbuster wurden Fortsetzungen ab Mitte der 70er-Jahre immer häufiger – und damit wurde auch die Praxis, einfach eine Zahl hinter den Titel des Erstlings zu setzen, immer gängiger. Frühe Beispiele dafür sind French Connection II (1975), Der weiße Hai 2 (1978), Damien – Omen II (1978) und natürlich Exorzist II – Der Ketzer (1977). Letzterer genießt allgemein keinen guten Ruf. Nicht nur als Fortsetzung, sondern auch als eigenständiger Film stieß das extravagante Werk überwiegend auf Ablehnung. Als der Film am 17. Juni 1977 in den USA uraufgeführt wurde, soll ein Teil des Publikums die Leinwände mit Popcorn beschmissen und die Säle regelrecht verwüstet haben. Jedenfalls kam der Film nicht gut an und wurde von John Boorman selbst noch einmal umgeschnitten. In Europa wurde er genau drei Monate später in einer kürzeren Kinofassung gestartet. Doch Exorzist II – Der Ketzer fiel gnadenlos beim Publikum durch und gilt heute als eines der schlechtesten Sequels der Filmgeschichte. Doch zurecht? Eines kann vorab verraten werden – mit dem 2-Disc-Mediabook von PLAION PICTURES bekam der Film endlich auch hierzulande eine würdige Veröffentlichung – und von uns eine XXL-Rezension.

Originaltitel: Exorcist II: The Heretic

Regie: John Boorman, Rospo Pallenberg

Darsteller: Linda Blair, Robert Mitchum, Louise Fletcher, Max von Sydow, James Earl Jones

Artikel von Holger Braasch

Von Pazuzu besessen – Das Mysterium Exorzist II

Über vier Jahre nach dem Exorzismus wird Regan McNeil (Linda Blair) von der Psychiaterin Dr. Gene Tuskin (Louise Fletcher) auf mögliche psychische Folgeschäden untersucht. An dämonische Besessenheit will die Wissenschaftlerin nicht glauben, deshalb forscht sie auf psychologischer Ebene, um eine rationale Erklärung für Regans damaligen Zustand zu finden. Währenddessen bereist Pater Lamont (Richard Burton) Afrika, um Nachforschungen über die Arbeit von Pater Merrin (Max von Sydow) anzustellen. Dabei begegnet er einer Heilerin, die von einem Dämon besessen ist und vor seinen Augen den Feuertod wählt. Für Lamont steht fest, dass der Dämon Pazuzu immer noch sehr mächtig ist und nur darauf wartet, erneut von einem Menschen Besitz zu ergreifen. Er will herausfinden, was in den letzten Minuten vor Pater Merrins Tod geschehen ist und reist nach New York, wo sich die inzwischen 17-jährige Regan in einer experimentellen Therapie befindet.

Dr. Tuskin hat ein elektronisches Gerät entwickelt, mit dem man in die Träume und Erinnerungen eines anderen Menschen blicken kann – den sogenannten Synchronisator. Dieser ist zugleich auch eine Hypnosemaschine, die mit pulsierenden Lichtern und Tönen zwei Menschen in mentalen Einklang bringen kann. Als Dr. Tuskin das Gerät an Regan testen will, kommt zufälligerweise Pater Lamont in der Klinik vorbei und erklärt sich bereit, an dem Experiment teilzunehmen. Nun bekommt er Einblicke in die tiefsten Winkel von Regans Unterbewusstsein. Geradezu hautnah erlebt er die letzten Sekunden von Pater Merrin mit, bevor dieser starb. Bei der Sitzung kommt es zu einem mysteriösen Zwischenfall, in dem sich der Dämon Pazuzu offenbart. Eine weitere Bestätigung für Lamont, der nun umso entschlossener gegen den Dämon vorgehen will. Bei der Kirche trifft er jedoch zunehmend auf Ablehnung, weil der Fall vor vier Jahren viel Staub aufgewirbelt hat und dem Ansehen der Kirche nicht gerade förderlich war – trotz des scheinbaren Erfolges.

Pater Lamont reist nach Washington-Georgetown, wo er das Kindermädchen Sharon (Kitty Wynn) befragen will, doch die zeigt sich nicht gerade begeistert von dem Geistlichen und seinen wilden Theorien. Also wieder zurück nach New York, wo Lamont die Hypnose-Sitzung mit Regan noch einmal wiederholt. Dabei zeigt sich, dass der Dämon immer noch tief in Regans Seele lauert. Außerdem erhält Lamont verschlüsselte Hinweise auf einen Afrikaner namens Kokumo, der ebenfalls von Pazuzu besessen war und offenbar über besondere Kräfte verfügt. Kann er womöglich dem Dämon Einhalt gebieten? Pater Lamont, von der Kirche inzwischen als Ketzer abgestempelt, reist nach Afrika, um den geheimnisvollen Kokumo (James Earl Jones) aufzuspüren. Währenddessen leidet Regan vermehrt an unheimlichen Tagträumen und Visionen. Hat Dr. Tuskin die Folgen ihrer Therapie unterschätzt oder sind hier wirklich böse Kräfte am Werk? Die Odyssee führt alle Beteiligten schließlich zurück nach Washington-Georgetown, wo Pazuzu schon wartet.

Okkulte Stoffe waren in den 70er-Jahren ziemlich angesagt, was unter anderem auch dem Erfolg von Rosemary´s Baby (1968) und natürlich Der Exorzist (1973) zuzuschreiben ist. Letzterer sorgte damals für Kontroversen und Skandale, aber vor allem auch für volle Kinosäle. Die Hysterie um Der Exorzist machte das Horror-Genre wieder populär – und somit interessant für die großen Studios. Warner Bros. wollte natürlich von dem Hype profitieren, solange er noch anhält, und so war eine Fortsetzung schnell beschlossene Sache. Zuerst wollte man nur einen billigen Aufguss abliefern, doch dann entschloss man sich, etwas mehr Aufwand in die Produktion zu stecken. Auf Regisseur William Friedkin musste man allerdings verzichten und auch Ellen Burstyn, die im Vorgänger Regans Mutter spielte, hatte kein Interesse. Also trat man wieder an den britischen Regisseur John Boorman heran, den man bereits für den ersten Teil verpflichten wollte. Dieser lehnte damals ab, weil ihm die Geschichte zu düster war – vor allem, weil ein 12-jähriges Kind im Mittelgrund des Grauens stand. John Boorman war selbst Vater und konnte das damals nicht mit seinem Gewissen vereinbaren. Auch die Fortsetzung wollte er zunächst nicht drehen, doch er ließ sich dazu überreden, ein dreiseitiges Treatment von William Goodhart zu lesen, der auch das Drehbuch schrieb. Boorman war von der Geschichte fasziniert, weil sie offensichtlich in eine völlig andere Richtung ging als der Vorgänger. Gerade der metaphysische Aspekt reizte den experimentierfreudigen Briten. John Boorman nahm also das Angebot an und auch Linda Blair war von dem fertigen Drehbuch begeistert, wie sie in Interviews erzählte.

John Boorman hatte zuvor schon in Zardoz (1974) religiöse Motive und traumartige Szenarien miteinander verschmolzen. Obwohl dieser Film ein kapitaler Flop für 20th Century Fox war, ließ man sich bei Warner Bros. nicht abschrecken und setzte auf den eigenwilligen Regisseur. Doch es stellte sich heraus, dass John Boorman nicht der richtige Mann für diesen Film war. So begann er, das Drehbuch von William Goodhart immer mehr zu verändern. Auch Boormans Second Unit Director Rospo Pallenberg brachte eigene Ideen ein und bastelte an dem Drehbuch herum. So entstanden viele Elemente, die zwar für sich gesehen originell und interessant waren, aber letztendlich die Geschichte immer mehr verwässerten. Man könnte auch sagen, Boorman und Pallenberg waren selbst von Pazuzu besessen und verloren die ursprüngliche Story immer mehr aus den Augen. Offenbar war die Verlockung zu groß, aus Exorzist II – Der Ketzer ein künstlerisch ambitioniertes Werk nach eigenen Vorstellungen zu machen, denn Warner Bros. investierte insgesamt 14 Millionen Dollar in die Produktion und ließ John Boorman seine Ideen umsetzen. Doch der Dreh verlief alles andere als rund. Technische Probleme gab es zuhauf, so waren allein die Aufnahmen mit den vielen Spiegelflächen aus speziellem Glas eine große Herausforderung. Zu allem Überfluss erkrankte John Boorman auch noch an einer seltenen Pilzinfektion, die ihn massiv schwächte und sogar lebensbedrohlich wurde. Schon der Dreh von Der Exorzist wurde von Unglücksfällen überschattet – sollte sich dies nun fortsetzen? Bei John Boorman wurde schließlich Kokzidioidomykose (auch bekannt als Tal- oder Wüstenfieber) diagnostiziert, weswegen er über einen Monat lang ausfiel. In dieser Zeit übernahm Second Unit Director Rospo Pallenberg die Regie, da der Dreh weitergehen musste. Dabei setzte er viele Szenen um, die nicht im ursprünglichen Drehbuch vorkamen, sondern erst nachträglich von Boorman und Pallenberg geschrieben wurden. Der Brite Rospo Pallenberg begleitete John Boorman auch bei der Produktion von Excalibur (1981) und Der Smaragdwald (1985). Bei letzterem war er für das Drehbuch verantwortlich.

John Boorman war für mich immer ein besonderer Filmemacher mit einer ganz speziellen künstlerischen Note. Als ich gegen Ende der 80er-Jahre zum ersten Mal Zardoz im Nachtprogramm des ZDF gesehen habe, hat mich der Film gleichermaßen verwirrt und verzaubert. „Die Waffe ist gut. Der Penis ist böse“ tönte es gleich zu Anfang aus dem Lautsprecher – und ich wusste (mit meinen 12 Jahren) erst einmal nicht, wie mir geschieht. Ganz ähnlich ging es mir bei Rückkehr zum Planet der Affen (1970), den ich im selben Jahr auf ZDF sah. Die Szene mit der Atombomben-Zeremonie hat mich ähnlich verstört, wie die Ansprache von Zardoz. Filme mit satirischen und gesellschaftskritischen Elementen haben mich schon früh fasziniert. Gerade diese Filme, die mich als Kind geschockt und mein Weltbild etwas ins Wanken gebracht haben, zählen heute zu meinen Lieblingen.

Als im Januar 1992 erstmalig Der Exorzist und Exorzist II – Der Ketzer im deutschen Free-TV auf SAT 1 liefen, war ich schon nicht mehr so leicht zu schocken. Der Exorzist hat aber trotzdem mächtig Eindruck hinterlassen, gerade auch, weil William Friedkin den Horror sehr raffiniert auf mehreren Ebenen ansiedelte. Bei mir entfachte der Film weniger in den grellen Schockmomenten, sondern mehr in den deprimierenden Alltagsszenen seine verstörende Wirkung. Exorzist II – Der Ketzer hat mich hingegen mit einem großen Fragezeichen auf der Stirn zurückgelassen. Vom Horror des Vorgängers war so gut wie nichts mehr zu spüren, dafür wusste die geradezu psychedelische Machart zu gefallen. Letztlich fand ich beide Filme auf ihre Art faszinierend und großartig.

Hirnfick, Hormon-Rausch und Heuschrecken-Plage

John Boorman hat es sich auf jeden Fall nicht leicht gemacht und legte die Fortsetzung als eine Art okkulter Fiebertraum an. Das damals 12-jährige Mädchen ist nun eine 17-jährige Jugendliche in der tiefsten Pubertät. Linda Blair kann zwar immer wieder in ihrer Rolle glänzen, wirkt aber manchmal so, als wollte sie fragen: „Was spiele ich hier eigentlich?“ Doch eigentlich passt das sehr gut zu ihrer Rolle. Die Hormone spielen verrückt und dann gilt es noch das Trauma einer Teufels-Besessenheit aufzuarbeiten – da darf man durchaus zerstreut und verwirrt wirken. Exorzist II – Der Ketzer funktioniert für mich vor allem als Coming-Of-Age-Drama, mit surrealen und phantastischen Elementen. Kameramann William A. Fraker konnte sich bei der Lichtgestaltung richtig auszutoben. So entstanden eindrucksvolle Aufnahmen in den Studios, die einen authentisch wirkenden Eindruck vom fernen Afrika vermitteln, obwohl nur in Kulissen gedreht wurde. Da der Film immer wieder zwischen den Handlungsorten hin- und herspringt, hat man sich offensichtlich Gedanken gemacht, wie man die jeweiligen Schauplätze optisch voneinander abhebt. Bei den Szenen in New York dominieren scharf abgrenzende Linien und Spiegelflächen. Alles wirkt etwas steril und futuristisch. Bei den Sequenzen in Regans Apartment bin ich immer wieder erstaunt, wie präzise man unerwünschte Spiegelungen von Teilen der Filmcrew vermieden hat. Dagegen erscheinen die Szenen in Afrika in weichem Licht und erdfarbenen Tönen. Diese Sequenzen erinnern mich in ihrer traumartigen Optik ein wenig an das unheimliche Haiti in Ich folgte einem Zombie (1943). Über allem liegt eine mystische Stimmung, blutrote Sonnenuntergänge und ein wie im Wahn durch die Szenerie taumelnder Richard Burton. Bei den Szenen in Washington versuchte man schließlich an die düstere Stimmung des Vorgängers anzuknüpfen. Besonders bei den Sequenzen im Georgetown-Haus nutzte man die Schatten und ließ vieles im Halbdunkel.

Linda Blair erinnert sich gerne an die Zusammenarbeit mit Richard Burton, den sie aus Cleopatra (1963) kannte und bewunderte. Doch wegen der chaotischen Drehbedingungen wurde ihr die Arbeit an diesem Film zunehmend auch unangenehm. Die vielen Drehbuchänderungen waren ihr suspekt und nicht selten fragte sie sich nach dem Sinn so mancher Szene, die außerplanmäßig gedreht wurde. Hatte Pazuzu etwa schon die Kontrolle über das Filmprojekt erlangt? Wie viel von dem ursprünglichen Drehbuch noch im fertigen Film enthalten ist, lässt sich schwer sagen. Das originale Skript von William Goodhart dürfte inhaltlich wesentlich schlüssiger gewesen sein. Jedenfalls war John Boorman so inspiriert davon, dass er die Geschichte quasi zu seiner eigenen machte, dabei aber offensichtlich die ursprüngliche Version von Goodhart immer mehr zerstörte. Das Ergebnis war ein inhaltlich unausgegorener und bisweilen verworrener Film, mit dem auch John Boorman selbst nicht zufrieden war. Lange Zeit wollte er nicht über das Desaster von Exorzist II – Der Ketzer sprechen, bis er sich im Jahr 2005 in einem Interview wie folgt äußerte:

„Es kommt alles auf die Erwartungen des Publikums an. Den Film, den ich drehte, sah ich als eine Art Gegenentwurf  zur Hässlichkeit und Dunkelheit von DER EXORZIST (1973) – ich wollte einen Film über positive, im Wesentlichen gute Reisen. Und ich denke, das Publikum hatte im Nachhinein Recht. Ich verweigerte ihnen, was sie wollten, und sie waren darüber sauer – völlig zu Recht, denn ich wusste, dass ich ihnen nicht gab, was sie wollten, und es war eine wirklich dumme Entscheidung.“ (Quelle: IMDb)

William Friedkin erwies sich damals für Der Exorzist als Glücksgriff. Er lieferte einen Film ab, der sowohl handwerklich als auch künstlerisch ambitioniert war. Im Grunde hat John Boorman ähnlich herausragende Arbeit geleistet, nur ist ihm der Fokus für die eigentliche Geschichte im Eifer des Gefechtes entglitten. Friedkin war dann auch nicht begeistert von Boormans Fortsetzung und äußerte sich entsprechend negativ über Exorzist II – Der Ketzer. Auch William Peter Blatty, der sowohl die Buchvorlage als auch das Drehbuch für den ersten Teil lieferte, lehnte die Fortsetzung ab.

Wenn es um die besonders lächerlichen Storyelemente im Film geht, wird vor allem der Synchronisator genannt, der von vielen als belustigend und trashig empfunden wurde. Das Gerät versetzt Menschen in einen Zustand der Hypnose und ermöglicht, dass zwei Menschen auf diese Weise Zugang zu den Gedanken des jeweils anderen haben. Also im Prinzip wie in Scanners – Ihre Gedanken können töten (1980), nur dass in David Cronenbergs Film die Menschen mit der Scanner-Fähigkeit kein zusätzliches Gerät brauchen, um solche Zustände zu erreichen. In dem Moment, wo der Synchronisator zum ersten Mal in Exorzist II – Der Ketzer auftaucht, beginnt auch der Handlungsverlauf des Films immer sonderbarer zu werden. Wenn Pater Lamont und Dr. Tuskin wenige Minuten später vor der Klinik stehen, blinkt im Hintergrund ein Scheinwerfer auf, wie jenes pulsierende Licht aus dem Synchronisator. Man könnte es sich einfach machen und sagen, dass sich ein Großteil der Handlung in Träumen oder/und Halluzinationen abspielt. Vielleicht stehen die Protagonisten einfach nur unter dem Einfluss des Synchronisators, dessen Licht und Töne in einigen Szenen flashbackartig eingeblendet werden, obwohl eigentlich keine Hypnose-Sitzung mehr stattfindet. Dieser Eindruck wird in der längeren US-Kinofassung sogar noch verstärkt, denn die Schluss-Szene läuft dort noch etwas länger und endet mit dem pulsierenden Licht des Synchronisators.

Doch dies war sicherlich nicht die Intention von John Boorman. Vielmehr wollte er sich mit seiner Fortsetzung vom Vorgänger abheben und eine spirituelle Ebene hinzufügen. Dabei flossen auch tiefenpsychologische Aspekte mit ein. Entwicklungsstörungen wie Autismus waren Mitte-Ende der 70er-Jahre noch nicht so allgemein bekannt und anerkannt – noch heute werden diese Themen kontrovers diskutiert. Exorzist II – Der Ketzer war seiner Zeit in vielerlei Hinsicht voraus. Im Finale entfacht John Boorman ein wahres Inferno aus Zerstörung und Lichtspielereien, welches schon einen Vorgeschmack auf das stilbildende Geisterspektakel Poltergeist (1982) gibt. Und wenn Pater Lamont im fernen Afrika nach Antworten sucht, ist auch Indiana Jones nicht mehr allzu weit entfernt. Man könnte also sagen, dass John Boorman durchaus Pionierarbeit mit seinem Film geleistet hat, nur war das fertige Werk einfach zu sperrig und zu bizarr für den Massengeschmack. Dabei ist Exorzist II – Der Ketzer vollgepackt (oder vielleicht treffender: überladen) mit interessanten Ansätzen und an sich spannenden Story-Elementen. So wird Regan mit ihrer positiven Lebenseinstellung zu einer Art heiligen Kriegerin gegen das Böse. Doch der Dämon Pazuzu hat offenbar die Eigenschaft, sich gerade diese Menschen auszusuchen. Das Gute kommt so immer wieder auf den Prüfstand und muss sich bewähren – eine Art Naturgesetz.

Ethnologie und Spiritualität spielen auch in anderen Filmen von John Boorman eine große Rolle. Sinnfindung und Auflehnung gegen festgefahrene Strukturen treiben seine Protagonisten an. Dabei bedient sich Boorman immer wieder unterschiedlicher kultureller Strömungen und Einflüsse. Symbolisch kommen in Exorzist II – Der Ketzer zwei Tiere als Totem vor – der Leopard und die Heuschrecke.

„Als Krafttier ist der Leopard ein kraftvoller Geistführer, der dich dazu einlädt, in deine persönliche Kraft und Unabhängigkeit einzutreten. Er symbolisiert Mut, Stärke und Selbstbewusstsein, aber auch Anpassungsfähigkeit und Tarnung. Der Leopard erinnert dich daran, auf deine Intuition zu hören und deinen eigenen Weg zu gehen.“ (Quelle: soultarot.de)

Auch die Heuschrecke hat schon früh die Fantasie der Menschen beflügelt (im wahrsten Sinne des Wortes). In der Bibel ist sie als eine der 10 Plagen aufgeführt – und tatsächlich sind die riesigen Schwärme der afrikanischen Wanderheuschrecken heute noch eine wahre Plage in den entsprechenden Ländern. Da verwundert es nicht, dass die Heuschrecke auch schon mal als Inkarnation des Teufels herhalten musste – wie im letzten Teil der Quatermass-Trilogie, der hierzulande unter dem Titel Das grüne Blut der Dämonen (1967) in die Kinos kam. Der Heuschrecke werden aber auch positive Eigenschaften zugeschrieben. So gilt sie in verschiedenen spirituellen Strömungen als Krafttier, welches unter anderem für Glück, Fruchtbarkeit, Intuition und Geduld steht. Die gute Heuschrecke, sozusagen. Auch in Exorzist II – Der Ketzer ist die Heuschrecke ursprünglich ein harmloses und friedliches Insekt, doch unter dem Einfluss des Winddämons Pazuzu verwandeln sich die Grashüpfer in aggressive Fressmaschinen, die ganze Landstriche verwüsten und Menschen mit dem Bösen infizieren. Dabei genügt schon eine einzige Heuschrecke, um einen ganzen Schwarm mit Pazuzus zerstörerischer Kraft zu infizieren – durch bloße Berührung mit den Flügeln wird das Böse von Tier zu Tier weitergegeben wie ein Virus.

Regan wurde also von Pazuzus Flügeln berührt, doch ist sie wieder ein friedliches Mädchen geworden oder steckt tief in ihr noch das Gift von Pazuzu, welches nur darauf wartet, weiterverbreitet zu werden? Dieser Frage geht Pater Lamont nach und dafür erntet er nicht nur von der Wissenschaft Kritik, sondern vor allem auch von der Kirche. Die Wissenschaft wird hier repräsentiert von Dr. Gene Tuskin. Gespielt wird die Wissenschaftlerin von Louise Fletcher, die dem Publikum noch als strenge Oberschwester aus Einer flog über das Kuckucksnest (1975) in bester Erinnerung war. Diese Rolle hat ihre Karriere stark geprägt, so wurde sie gerne in ähnlichen Rollen, ob als Wissenschaftlerin, Psychologin oder auch Lehrerin besetzt, doch sie konnte in ihren Rollen immer wieder eigene Akzente setzen. Ihr gegenüber steht Kokumo, der von James Earl Jones gespielt wird. Er hat dämonische Besessenheit erfahren und ist nun ein Wissenschaftler, der sich auf Heuschrecken spezialisiert hat, um die Plagen in den Griff zu bekommen. Seine Spiritualität hat Kokumo aber nicht abgelegt – so ist er quasi ein Mittler zwischen den Welten. James Earl Jones gelingt es in seinen kurzen Auftritten, einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen und verleiht seiner Rolle das nötige Charisma. Eigentlich schade, dass Kokumo und Dr. Tuskin im Film nie aufeinandertreffen, denn das wäre bestimmt eine sehr interessante Begegnung geworden. So aber bleibt die Figur Kokumo weitgehend im Reich der Träume – und damit ist seine Rolle leider etwas verschenkt.

Richard Burton wirkt zwar mitunter etwas steif in seiner Rolle, überzeugt aber als innerlich zerrissener Geistlicher auf ganzer Linie. Wenn er mit Dr. Tuskin über Glaube und Wissenschaft diskutiert, wirkt er wie ein Dinosaurier, ein Relikt aus vergangener Zeit. In der aufgeklärten modernen Welt ist kein Platz mehr für Dämonen und übersinnliche Mächte. Doch für die junge Regan wird Pater Lamont gewissermaßen zu einer Vaterfigur. Sie ist mit dem Übersinnlichen in Kontakt gekommen, doch die Wissenschaft glaubt nicht an den Teufel und schiebt alles auf die Psyche. So steht Regan allein zwischen den Welten, unverstanden von ihrem Umfeld und geplagt von unheilvollen Visionen. Hier kommen die Coming-of-Age-Elemente gut zum Tragen – und obwohl die Bindung zwischen Linda Blair und Richard Burton im Film nur selten spürbar wird, überzeugt zumindest der Umstand, dass mit Regan und Lamont zwei Menschen aufeinandertreffen, die von der Gesellschaft ausgestoßen wurden und gegen einen gemeinsamen Feind kämpfen müssen. Wieder ein spannender Ansatz, der aber im Film viel zu kurz kommt.

Für die Rückblenden auf Der Exorzist konnte man erneut Max von Sydow gewinnen, doch Linda Blair wollte die strapaziösen Make-up-Sitzungen nicht noch einmal durchmachen und so musste ein Double diese Prozedur über sich ergehen lassen. Letzteres fällt auch deutlich auf, abgesehen davon, sind die Aufnahmen, wo Pater Merrin unter den Einfluss der besessenen Regan gerät, nicht unbedingt überzeugend. Bei den Hypnose-Sitzungen, wo die Rückblicke ins Bild eingeblendet werden, gelingen John Boorman zumindest einige schön schaurige Momente, doch was den Horror-Anteil ganz allgemein angeht, erweist sich John Boorman schlicht als der falsche Mann auf dem Regiestuhl. Da war William Friedkin ungleich versierter in der Inszenierung des absoluten Terrors. Und genau das hatte sich das Publikum auch von der Fortsetzung versprochen – mehr Terror, mehr Horror, mehr Nervenkitzel. Stattdessen bekam es mehr Mystik, mehr Psychologie – aber kaum Horror. Wie sehr man den roten Faden verloren hatte, wird schließlich im großen Finale deutlich. Wo kommt zum Beispiel der Heuschrecken-Schwarm plötzlich her? Warum hat Regan plötzlich eine böse Doppelgängerin, der das Herz herausgerissen werden muss? Und wie finanziert Pater Lamont eigentlich seine Reisen, wenn ihm die Kirche schon die Unterstützung gestrichen hat? Okay, letzteres lasse ich mal so durchgehen – man muss ja nicht päpstlicher als der Papst sein. Storytechnisch ist da aber schon einiges am argen. Ich bin bestimmt kein Freund davon, dass im Film immer alles erklärt werden muss, und es muss auch nicht alles auf Anhieb Sinn ergeben, doch hier wollen sich die einzelnen Story-Elemente einfach nicht zu einem stimmigen Ganzen zusammenfügen. Immerhin gibt es für Regan ein schönes Happy End. Mir gefällt das kürzere Ende der europäischen Fassung sogar besser, denn dort endet der Film mit Regan, die dreinschaut, als ob sie gerade aus einem bösen Traum aufgewacht ist. Durch die wunderschöne Musik von Ennio Morricone entsteht so ein sonderbar berührendes Ende. Regan ist ihre Dämonen endlich los – so schließt sich zumindest der Kreis im Sinne eines Coming-Of-Age-Dramas.

Auch musikalisch ging man bei Exorzist II – Der Ketzer andere Wege. Ennio Morricone komponierte einen fantastischen Soundtrack, den ich als Meisterstück der Filmmusik bezeichnen würde. Gleich zu Beginn beschwört das Stück Pazuzu eine mystische Stimmung herauf und lädt den Zuschauer ein, zu einer wilden Fahrt ins Ungewisse – der Wahnsinn nimmt bereits seinen Lauf, du brauchst nur noch in ihn einzutauchen. Im Titelstück Magic And Ecstasy treffen rockige Gitarrenriffs auf ekstatische Rhythmen und schamanische Beschwörungsgesänge. Als Gegenstück dazu, lässt der Meister seine unverwechselbaren melancholischen Melodien erklingen, die gerade in Regan’s Theme sehr schön zur Geltung kommen.

Mein Fazit: Der Exorzist war zu seiner Zeit starker Tobak und traf den Nerv des Publikums. Exorzist II – Der Ketzer war dagegen pures LSD und ein „Bad Trip“ für den Massengeschmack. Eigentlich führt er die Geschichte des Vorgängers nahtlos fort, bloß mit einem völlig anderen Ansatz – von der Dunkelheit ins Licht. Sowohl kommerziell als auch künstlerisch ist Exorzist II – Der Ketzer ein grandios gescheitertes Werk von einem brillianten Regisseur. John Boorman ist hier sicherlich an seine Grenzen gestoßen, dennoch ist ihm ein visuell herausragender und komplexer Film gelungen, der bei mir mit jedem Anschauen dazugewinnt. Er wird jedenfalls nie langweilig und die hypnotische Atmosphäre zieht mich immer wieder in ihren Bann.

Über 10 Jahre sollte es dauern, bis man sich wieder an ein Sequel herantraute. Mit Der Exorzist III legte William Peter Blatty eine Fortsetzung nach seinen Vorstellungen vor und übernahm auch selbst die Regie, doch auch diesmal musste er miterleben, wie das fertige Werk von den Produzenten verändert wurde. Das Film-Master von seiner ursprünglich angedachten Wunschfassung ist bis heute verschollen. Zumindest konnte  William Peter Blatty im Jahr 2016 einen neuen Director’s Cut erstellen, der allerdings zum Teil aus qualitativ minderwertigem Material (u. a. VHS) rekonstruiert werden musste – doch das ist eine andere Geschichte.

Jedenfalls hat jeder der ersten drei Exorzist-Filme seine Qualitäten und seine ganz eigene künstlerische Note. Teil 1 bleibt meiner Meinung nach unerreicht. William Friedkin hat ein zeitloses Meisterwerk des Horrorfilms geschaffen, welches heute noch großen Einfluss aufs Genre ausübt. Teil 2 versucht gar nicht erst, an den authentisch anmutenden Terror des Vorgängers anzuknüpfen und entführt den Zuschauer ins Reich der Träume. Teil 3 wiederum kommt als Mystery-Thriller daher und führt die düstere Stimmung des ersten Teils fort – jedoch auf ganz eigene Weise. Ich mag die gesamte Trilogie sehr gerne.

Verschiedene Fassungen und Veröffentlichungen im Überblick:

Nach der katastrophalen Kinopremiere in den USA, erschien Exorzist II – Der Ketzer in einer etwa 15 Minuten kürzeren Version erneut in den Kinos. Diese Version wurde auch international ausgewertet. Die deutsche Fassung entspricht der internationalen Version und wurde so auch auf Video veröffentlicht. Die Erstauflage der VHS enthielt noch ein englisches Bildmaster im aufgezoomten Vollbild (1,33:1). Auch die folgenden Auflagen, bis einschließlich der Kaufkassette von 1997 (enthalten im Doppelpack mit Teil 1) verwendeten dieses Master. Eine echte Überraschung war dann die Kaufkassette von 1999 (lila Einleger), die erstmalig ein deutsches Bildmaster im originalen Widescreenformat (1,85:1) verwendete. Diese Fassung ist im übrigen identisch mit den alten TV-Ausstrahlungen, die in den 90er-Jahren auf SAT 1 und PRO 7 liefen – im direkten Vergleich stimmen Bildausschnitt, Farbgebung, Helligkeit sowie kleinere Verschmutzungen im Bild überein. Zum Vergleich lag mir die Ausstrahlung von TM 3 vor, die den alten Ausstrahlungen entspricht. Die Kaufkassette von 1999 unterscheidet sich nur darin, dass am Anfang der Filmtitel in deutsch eingeblendet wird und eine kurze Dialogszene in französischer Sprache deutsch untertitelt ist – beides ist nur bei der Kaufkassette von 1999 der Fall.

Hier ein paar VHS-Screenshots:

In Europa erschien die ursprüngliche US-Version erst 1996 in Großbritannien auf Kaufkassette (The Crypt Collection), allerdings immer noch im aufgezoomten Vollbild (1,33:1). Auf DVD wurde Exorzist II – Der Ketzer weltweit nur in der ursprünglichen US-Version veröffentlicht. Da diese Version nicht nur länger ist, sondern auch alternatives Material beinhaltet, sah sich Warner genötigt, eine neue deutsche Synchronisation anzufertigen, was meines Erachtens auch sinnvoll war. Diese Neusynchro ist sogar sehr gut gelungen, finde ich. Nun konnte man endlich auch hierzulande die ursprüngliche US-Version genießen, welche seit der DVD-Veröffentlichung die gängige Version des Films wurde, während die internationale Version nur auf VHS erhältlich war und deshalb immer mehr in der Versenkung verschwand.

Nur im TV lief noch einige Male die deutsche Kinofassung – bis das ZDF im Jahr 2006 mit einer echten Kuriosität um die Ecke kam. Wie ein Vergleich zeigt, hat sich der Sender auf Basis der DVD-Veröffentlichung eine ganz eigene Version des Films zusammengebastelt. Man hat hier tatsächlich versucht, die deutsche Kinofassung aus der US-Version nachzubauen, wobei man die längere US-Version anhand der alten deutschen Kinosynchro zurechtkürzte. Da die deutsche Kinofassung (sprich: internationale Version) aber eben auch Sequenzen enthält, die in der US-Version fehlen, fielen genau diese Stellen bei der Bearbeitung durch das ZDF unter den Tisch – und somit auch Teile der alten Kinosynchro. Lediglich der alternative Prolog der internationalen Version konnte aus dem Bonusmaterial der DVD-Veröffentlichung in die ZDF-Fassung integriert werden. So entstand eine Mischfassung aus beiden Versionen, wobei die ZDF-Fassung ziemlich genau eine Minute kürzer ist als die echte deutsche Kinofassung. Warum man nicht einfach auf das alte TV-Master zurückgriff, welches zuvor auf TM 3 gezeigt wurde, bleibt wohl ein Rätsel. Offenbar versprach man sich davon eine Verbesserung in der Bildqualität, denn die DVD-Veröffentlichung hat teilweise ein deutlich helleres und detailreicheres Bild – entsprechend sieht die ZDF-Fassung im direkten Vergleich auch besser aus als die älteren TV-Ausstrahlungen. Später wurde die ZDF-Fassung noch einige Male auf RTL 2 gezeigt.

Erst im Jahr 2024 brachte Arrow Video beide Versionen des Films auf Blu-ray heraus und lieferte somit hervorragendes Ausgangsmaterial für die deutsche Veröffentlichung. Dank Plaion Pictures kann man die internationale Version nun endlich wieder mit der alten Kinosynchro genießen. Bei der längeren US-Version kam folgerichtig die DVD-Synchro zum Einsatz – und im Gegensatz zur Blu-ray von Warner, hat man diese gleich in der korrekten Tonhöhe angepasst. Die alte Kinosynchro klingt stellenweise nicht so klar wie die DVD-Synchro. Bei den Hypnose-Szenen wird der Dialog oft von dem Dröhnen des Synchronisators überlagert. Dies ist aber wohl der damaligen Tonabmischung geschuldet, jedenfalls klingen die TV-Aufnahmen und die VHS-Veröffentlichungen auch nicht besser. Dennoch gebe ich der Kinosynchro den Vorzug, denn die Sprecher bringen meines Erachtens mehr Ausdruck und Emotion rüber. Aber die DVD-Synchro ist, wie gesagt, auch sehr gut geworden. Zusätzlich hat man bei beiden Versionen noch die Wahl, die jeweils andere Synchro zu hören, wobei fehlende Stellen aus der jeweils anderen Synchro ergänzt wurden. Man hat sich also wirklich Mühe gegeben und eine hochwertige Veröffentlichung abgeliefert, die kaum Wünsche offenlässt (nur eine DVD-Ausgabe dieser Veröffentlichung würde ich mir noch wünschen – da bin ich altmodisch). Beide Versionen erstrahlen in einem schön hellen und detailreichen Bild. Neben insgesamt fünf Audiokommentaren (u. a. von Regisseur John Boorman) finden sich noch Interviews mit Darstellerin Linda Blair, Cutter Tom Priestley und den Analysten BJ & Harmony Colangelo. Außerdem gibt es, neben den amerikanischen Trailern und Teasern, noch eine umfangreiche Bildergalerie und den deutschen Kinotrailer. Letzteren fand man bislang nur in der Trailershow einer älteren DVD-Veröffentlichung von Digital World – und zwar auf der DVD von Mutiert (Crying Fields). Abgerundet wird das Mediabook durch ein schönes Motiv im Hochglanz-Metallic-Druck und ein 20-seitiges Booklet von Daniel Wagner.

Abschließend möchte ich noch kleines Geheimnis verraten: Als Christian Jürs und ich den Schnitt unseres Kurzfilms von Spiralized (2012) machten, lief oft Filmmusik aus meiner Soundtrack-Sammlung im Hintergrund. Irgendwann landete auch die CD von Exorzist II – The Heretic im Player – und sofort kam uns beiden der Synchronisator in den Sinn. Das pulsierende Licht und die pumpenden Töne waren genau das, was wir für Spiralized brauchten. Also haben wir ein paar Töne des Synchronisators gesampelt und in die Schluss-Szene des Films eingebaut. Auch die britische Electro-Band Future Sound of London (FSOL) verwendete Samples aus Exorzist II – The Heretic auf ihrem Album ISDN (1995) in dem Stück Dirty Shadows.

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