Rape and Revenge Filme gibt es heutzutage wie Sand am Meer. Der Ablauf bleibt dabei immer gleich. Unschuldiges Opfer gerät an böse Buben mit Hirn in der Hose. Opfer wird vergewaltigt, soll umgebracht werden, kann fliehen und nimmt blutige Rache. Gähn! Doch 1986 ging man noch wesentlich subtiler an das Thema heran. Mit Farrah Fawcett prominent besetzt, wählte man hier einen anderen Ansatz. Welcher das ist, und ob die Veröffentlichung von Koch Films lohnt, erfahrt Ihr in den folgenden Zeilen.

Regie: Robert M. Young

Darsteller: Farrah Fawcett, James Russo, Alfre Woodard, Diana Scarwid

Artikel von Christian Jürs

Gleich zu Beginn macht der Streifen keinen Hehl daraus, aus welchem Jahrzehnt er stammt. Zu einem schmissigen 80´s Popsong, an den sich heute niemand mehr erinnert, sehen wir parallel zu den Credits Opfer und Täter videoclipartig zusammengeschnitten (also, wie man sich Videoclips vor dreißig Jahren vorstellt) bei ihrer Abendtätigkeit. Marjorie (Farrah Fawcett) geht ins Fitnessstudio und spielt Badminton, während der schwarzgekleidete Motorradfahrer, den wir später als Joe (James Russo) kennenlernen, durch die nächtlichen Straßen düst. Mir schwant böses, liebe ich zwar Filme aus meiner Jugend (also den 80ern und 90ern), doch hatte ich EXTREMITIES, den ich zu dieser Zeit auf RTL plus entdeckte, als spannenden und schockierenden Film in Erinnerung. Ob sich dieses Gefühl noch heute einstellt, in einer Zeit, in der I SPIT ON YOUR GRAVE, THE LAST HOUSE ON THE LEFT und REVENGE das Rape and Revenge Genre mit schockierenden Bildern gesellschaftsfähig machten? Oder entdecke ich heute Qualitäten, die mir einst verborgen blieben?

Für Marjorie wird jedenfalls die Entscheidung, sich noch schnell abends eine Waffel zu kaufen, zum Verhängnis, als auf dem Parkplatz vor dem Geschäft plötzlich ein maskierter Unbekannter (eben jener Joe) in ihr Auto eindringt. Mit einem Messer in der Hand, welches er Marjorie sofort an die Kehle hält, zwingt er sie Kurs auf einen unbewachten Parkplatz zu nehmen, wo Joe sie nötigt „ihn da unten anzufassen“. Schon erstaunlich, wie gewählt sich die Triebtäter der Achtziger ausgedrückt haben. Damals war man halt wohlerzogen, auch als Vergewaltiger.

In einem unachtsamen Moment des Täters kann Marjorie dann allerdings fliehen, noch ehe es zum erzwungenen Geschlechtsakt kommt. Die Polizei kann ihr selbstverständlich nicht helfen, da sie zum Einen den Täter nicht identifizieren kann und zum Anderen der Film sonst aus wäre. Auch die Tatsache, dass „Joe“ jetzt im Besitz von Marjories Brieftasche und somit ihren Namen und Adresse kennt, kommentiert die Polizistin nur lapidar mit „Wenn sie und anrufen, kommen wir.“. Dass ein Polizist Marjorie kurz vorher noch aufgrund einer Verwechslung als Prostituierte bezeichnet, hievt den Film gar in die Gewässer der Werke der CANNON GROUP, nur halt ohne Charles Bronson, der den Tag rettet.

Fortan leidet Marjorie, die in einer Wohngemeinschaft mit ihren Freundinnen Patricia (Alfre Woodard) und Terry (Diana Scarwid) wohnt, an Angstzuständen. Selbst der freundliche Pizzafahrer wird mit Kommentaren wie „Warum starrt der uns so an?“ bedacht, was absolut nachvollziehbar ist. Marjories Angst ist natürlich begründet, denn eines Tages, als Terry und Patricia aushäusig sind, steht Joe plötzlich vor der Tür, um sich zu holen, was er einst nicht bekam. Doch Marjorie ist nicht halb so wehrlos, wie gedacht…

Mit dem Eintreffen Joes und dem daraus resultierenden Kammerspiel zwischen Fawcett und Russo, gewinnt der Film deutlich an Qualität. Die Achtzigerklischees werden plötzlich über Bord geworfen und die Geschichte wird tatsächlich packend. Dies ist besonders den beiden Darstellern zu verdanken, die bereits das zugrundeliegende Theaterstück gemeinsam auf der Bühne präsentierten. Beider Schauspiel ist unglaublich intensiv und es gelingt ihnen der Kunstgriff, im letzten Drittel Mitleid mit dem Täter zu vermitteln.

EXTREMITIES ist kein simpler Rape and Revenge Streifen, bei dem Rachegelüste zur Befriedigung des Publikums thematisiert werden. Vielmehr stellt der Film die Frage, wie weit man gehen kann und vor allem darf. Eine wichtige Frage in einem spannenden Film, der nach anfänglichen Klischees doch noch die Kurve kriegt und auch heute noch sehenswert ist.

Die Veröffentlichung von Koch Films ist einmal mehr über jeden Zweifel erhaben. Bild und Ton können bereits auf der mir vorliegenden DVD Variante die alte Veröffentlichung MGM´s in den Schatten stellen. Während dort der Ton nur in Mono vorlag, gibt es jetzt einen glasklaren Stereosound und das gestochen scharfe Bild überzeugt durch satte Farben. Als Bonus gibt es eine Bildergalerie und den Trailer in deutscher und englischer Sprachfassung. Das ist nicht viel, was jedoch der einzige Kritikpunkt dieser Veröffentlichung bleibt.

Von mir gibt es eine fette Empfehlung für den Film mit einer grandiosen Farrah Fawcett (sie erhielt eine GOLDEN GLOBE Nominierung). Zu Schade, dass Charlies Engel uns so früh verlassen musste.

Trailer:

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