Eine schwere Harley Davidson zwischen den Schenkeln, nur einen Nylonslip unter der schwarzen Ledermontur, braust Rebecca von Frankreich nach Heidelberg, vom langweiligen Ehemann Raymond zum aufregenden Geliebten Daniel.“ – mit diesen verheißungsvollen Worten lockt das Backcover von DONAU FILMS neuer Veröffentlichung NACKT UNTER LEDER mit den Kultstars Alain Delon und Marianne Faithfull. Da wagen wir doch mal einen genaueren Blick unter die Lederjacke.

Originaltitel: The Girl on a Motorcycle

Regie: Jack Cardiff

Darsteller: Marianne Faithfull, Alain Delon, Roger Mutton, Marius Goring

Artikel von Christian Jürs

What the fuck did i just see?“ – Der Autor des Artikels

Als ich das Rezensionsexemplar zu Nackt unter Leder von Donau Film orderte, ging ich, mangels Vorkenntnis, von einem frivolen, coolen und sexy 60´s Streifen aus. Gut, so falsch lag ich da nicht. Sexy ist der Film, cool und frivol als Attribute trifft es zwar irgendwie auch, doch nicht im erdachten Sinne. Der Film, der einst jahrelang in der Mottenkiste abgelegt und als Softporno abgestempelt verschimmelte, bekam erst 2006 eine Heimkinoauswertung durch e-m-s, die jedoch unbemerkt an mit vorbei ging. Da das Label heute nicht mehr existiert, übernahm nun Donau Film die erneute Veröffentlichung und so war es mir nun vergönnt, dieses abgefahrene Kleinod zu entdecken, welches gewiss nicht ins Genre Softporno gehört.

Alles beginnt mit einer Traumsequenz, die zugleich die Stilrichtung der kommenden 90 Minuten vorgibt. In schrägen, surrealen, teils farblich verfremdeten Aufnahmen träumt die junge Rebecca (Marianne Faithfull) von wilden Liebesfantasien. Doch nicht ihr Ehemann Raymond (Roger Mutton), ein treusorgender, anständiger Lehrer, ist Teil dieses erotischen Traumes. Vielmehr fühlt sich Rebecca zu dem geheimnisvollen Daniel (Alain Delon) hingezogen, mit dem sie seit einem erotischen Aufeinandertreffen im Skiurlaub eine Affaire pflegt. Rekordverdächtig, ist die Schöne doch erst seit zwei Monaten verheiratet. Doch davon erfahren wir zunächst nicht viel. Stattdessen sehen wir Rebecca, die neben ihrem tief schlummernden Raymond im Bett liegt und abwartet, ob er sie aufhält. Doch der schläft wie ein Stein, was die gelangweilte Ehefrau dazu bewegt, sich nur mit oben erwähntem Outfit und einem Motorradhelm bekleidet, der auch aus einer Folge Raumpatrouille Orion stammen könnte, auf ihre Maschine zu setzen und die Fahrt ins ferne Heidelberg anzutreten.

Was folgt, ist eine weitere Flut LSD-artiger, bunter Bilder, im Wechsel mit Aufnahmen einer sehnsüchtig in die Ferne blickenden Marianne Faithfull, die aus dem Off immer wieder erklärt, wie verrucht und ungezogen sie sei. Das Raymond sie langweile und Daniel sie gerne hart anpacken dürfe. Passend dazu sehen wir sie in einer Zirkusmanege stehen, wo Dompteur Daniel ihr mit einer Peitsche die Kleidung vom Leib schlagen darf. Einer von vielen Momenten, in denen Miss Faithfull ihre einst wohlgeformten Rundungen präsentieren durfte. Mick Jagger weiß halt, was gut ist.

Nach einigen Minuten stelle ich mir die Frage, ob dieser psychedelische Reigen um Erotik und Freiheit denn nun alles sei. Hier ein paar eingefärbte Bilder, da eine lasziv an einem Tannenzweig leckende Marianne Faithfull, die immer wieder betont, dass sie ja unter ihrer Ledermontur nackt sei (was sie netterweise ja auch des Öfteren unter Beweis stellt) und die ständigen, lüsternen Blicke und Anspielungen der männlichen Statisten. So wie der dunkelhäutige Zollbeamte, der mit der Charles Bronson Synchronstimme (Michael Chevalier) meint, er werde beim nächsten Mal hinten auf dem Sozius Platz nehmen und der jungen Frau erstmal auf den Arsch haut. Der freundliche BP-Tankwart, der den Reifendruck prüfen soll, so wie es sich Ehemann Raymond aus Sicherheitsgründen wünscht, bekommt auch den Blick nicht von ihren weiblichen Rundungen gelöst.

Doch nach einer guten halben Stunde beginnt der Film dann, in Rückblenden, die Geschichte von Rebeccas unerfüllter Liebe zu erzählen und wie es zu der Affaire kam. Wie sich Raymond, der im Grunde seines Herzens ein echt netter Kerl ist, als Weichei outet, dass sich weder im Berufsleben noch im Liebesleben durchsetzen kann. So wird der Lehrer von seinen minderjährigen Schülern dauerhaft verarscht, worunter der Mann sichtlich leidet. Doch auch daheim gibt´s nichts zu lachen. Als Rebecca ein Motorrad von ihrer Affaire geschenkt bekommt, fleht ihr Vater (Marius Goring) sie an, aus Sicherheitsgründen das Gefährt nicht anzunehmen. Raymond, der eigentlich vor Eifersucht platzen müsste, meint lediglich lapidar, dass sie entscheiden müsse, was sie glücklich macht. Ihre Entscheidung kennen wir ja.

Nackt unter Leder – der deutsche Titel klingt selbstverständlich reißerischer, als der Film wirklich daherkommt (The Girl on a Motorcycle trifft den Kern eigentlich genau und klingt auch viel poetischer), hält sicherlich keinen Spannungsbogen für ein modernes Publikum. Nein, spannend ist hingegen die Erzählweise, mit der Regisseur Jack Cardiff uns sein Werk, welches auf einem Roman basiert, präsentiert. Das Lebensgefühl der 68er wird hier ganz vorzüglich eingefangen. Freie Liebe wird zelebriert und das Frauenbild, welches Marianne Faithfull darstellt, dürfte den Blutdruck jeder Frauenrechtlerin heutzutage ins unermessliche steigen lassen. Doch losgelöst dessen kann man mit diesem Zeitdokument eine Menge Spaß haben. Auch wenn eigentlich nicht viel passiert, so blieb ich doch gebannt vor der Glotze hängen. Das Filmende, welches zudem extrem überraschend und plötzlich über den Zuschauer hereinbricht, ließ mich tatsächlich sprachlos zurück.

Bild und Ton dieses lange verschollenen Schatzes ist natürlich nicht mehr zeitgemäß. Der Ton ist blechern und das leicht schmierige Bild ruckelt hier und da. Macht aber nix, die schwache Qualität unterstreicht nur noch mehr das Bahnhofskinoflair, welches Nackt unter Leder versprüht. Im Bonusbereich gibt es lediglich den Trailer und eine Bildergalerie. Dafür lässt Donau Film noch ein Wendecover mit dem original Kinomotiv springen. Davon können sich einige Major-Studios gerne eine Scheibe abschneiden.

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