Aus dem Hause STUDIO HAMBURG kommen derzeit immer wieder Filme, deren Existenz mir bislang verborgen blieb. SEDDOK, der im Englischen den völlig abstrusen Titel ATOM AGE VAMPIRE trägt, ist so ein Fall. Vampire sind hier nämlich mitnichten vorhanden. Stattdessen geht es um einen Wissenschaftler, der sich in eine, durch einen Unfall entstellte, Stripperin verliebt. Beim Versuch, die gute Dame zu heilen, verwandelt er sich allerdings in ein frauenmordendes Monster. Wir haben uns den, in stimmigem Schwarzweiß inszenierten, Grusler aus Italien einmal genauer angesehen.
Originaltitel: Seddok, l’erede di Satana
Regie: Anton Giulio Majano
Darsteller: Alberto Lupo, Susanne Loret, Sergio Fantoni, Franca Parisi
Artikel von Christian Jürs
Die junge, durchaus attraktive Jeanette (Susanne Loret) arbeitet als Tänzerin in einem fragwürdigen Etablissement. Während die Band einen Song spielt, mit dem man bestenfalls die Schwiegermutter vergraulen kann, schwingt Jeannie ihre Hüften. Unter den Augen eher gelangweilter Damen und in die Jahre gekommener, notgeiler Ehemänner, entkleidet sie sich nach und nach dabei, bis der Blick auf ihre nur knapp bedeckten Nippel freigegeben wird, was anno 1960 ein eindeutiges Indiz dafür war, dass wir uns hier nicht in einer sauberen US-Produktion, sondern in den Schmuddelgefilden des italienischen Genrekinos aufhalten.
Ihr Lebensgefährte bis dato, Pierre (Sergio Fantoni), ist gar nicht amused über die Tätigkeit seiner Liebsten im Nachtclub. Er stellt sie vor die Wahl, entweder sie kündigt ihren Job und heiratet ihn, woraufhin er für sie sorgen könnte oder aber er macht mit ihr Schluß. Eigentlich eine vernünftige Option, denn Jeanette mag ihren Job so gar nicht (Zitat: „Glaubst Du etwa, ich mache das hier gerne?“) und Pierre scheint außerdem noch eine gute Partie zu sein. Was seinen Beruf betrifft, so gibt er dem aufmerksamen Filmkonsumenten allerdings Rätsel auf. Eine Pilotenuniform tragend, spricht er davon, wieder zur See fahren zu müssen (man kann sich ja mal verirren). Noch viel mehr Rätsel gibt uns allerdings Jeanette auf. Von Pierre ausgehalten werden möchte sie nicht („So ein Mädchen bin ich nicht!“). Stattdessen möchte sie weiter strippen vor notgeilen Ehemännern und eifersüchtigen Ehefrauen. Sie legt Pierre nahe, nicht mehr zur See zu fahren. Wie stellt sie sich das eigentlich vor? Möchte sie mit erotischem Tanz den Lebensunterhalt für beide verdienen? Da muß man schon gut sein in dem Job.
Pierre macht folglich das einzig Logische, er beendet die Liebelei mit der verwirrten Blondine. Die nimmt das Ganze mit Fassung auf und stürzt sich mit dem Auto einen Abhang hinunter. Naja, einen ganz Flachen, aber das Auto fängt – in der Fahrerkabine (!) – trotzdem sofort Rauch und Feuer. Eine Rückrufaktion ins Werk wäre hier wohl sinnvoll.
Im Krankenhaus kommt die Gute dann wieder zu sich, bandagiert wie einst der Unsichtbare. Der behandelnde Arzt meint, es blieben ein paar Narben nach, aber sie würde damit schon klar kommen. Doch als die Mullbinden fallen, findet sich Jeanny gar nicht mehr so bezaubernd. Eigentlich ist alles beim Alten, lediglich die untere, linke Gesichtshälfte sieht aus wie vollgekotzt und dann getrocknet. Zwar kann die pausbackige Schönheit die Narben locker mit ihrer blonden Haarmähne, die erstaunlicherweise nicht mitverbrannt ist, verdecken, mit dem Stripjob ist es aber trotzdem Essig (obwohl, mit einer PHANTOM DER OPER Maske könnte es wieder klappen). Hoffnung keimt auf, als die junge, attraktive Monique Riviere (Franca Parisi) zu Besuch in der Klinik erscheint. Sie stellt sich als Assistentin von Prof. Alberto Levin (Alberto Lupo) vor, der eine neue, erfolgversprechende Methode entwickelt haben soll, die Narben von Jeanette wieder zu heilen. Einzige Bedingung: Sie muss heimlich (!) in sein Anwesen ziehen, um sich dort der Therapie zu unterziehen.
Zunächst zögert Blondie, aber letztlich trifft sie dann noch in des Doktors Anwesen ein. Die Behandlung durch den Wissenschaftler ist tatsächlich von Erfolg gekrönt. Jeanettes Brandwunden, die laut Aussage des Arztes Krebsgeschwüre sein sollen (???), verschwinden. Aus Dank wirft sich seine Pantientin gleich verliebt um seinen Hals und leckt ihn ab, was seine Assistentin Monique so gar nicht gut findet. Richtig, beide Schönheiten sind in den weißhaarigen Unsympathen, der seine Angestellten gerne mal anbrüllt, die eine Frau links liegen lässt und die andere Dame fortan als „seine Schöpfung“ bezeichnet, verliebt. Über Geschmäcker lässt sich ja bekanntlich streiten.
Doch der medizinische Erfolg ist nur von kurzer Dauer und plötzlich tauchen die Brand- und Krebsgeschwüre wieder an Jeanettes Hals auf. Sein Wundermittel „Derma 28“, hat versagt. Da Nachschub nur mittels menschlicher Spender zu beschaffen ist, bietet sich Monique aus Liebe zum Doktorchen an. Ein Eingriff, den sie freilich nicht überlebt. Was Liebende doch auf sich nehmen. Der blonde Backfisch ist daraufhin kurzzeitig genesen und fortan auch ihrem Retter hörig. Das (gesundheitliche) Glück ist aber nur von kurzer Dauer und so muss weiterer Nachschub ran. Um dies zu bewerkstelligen unterzieht sich Levin einem Selbstversuch samt Strahlenbehandlung und mutiert zum titelgebenden Würger mit der Teufelskralle. Die Mädchenjagdsaison ist eröffnet…
ATOM AGE VAMPIRE lautet der reißerische, englische Titel des Mad Scientist Gruselfilms. Ein totaler Beschiss, denn Vampire findet man hier keine. Immerhin passt der Rest des Titels, denn „Derma 28“ wird irgendwie durch radioaktive Strahlung aus dem Vorgängerpräparat „Derma 25“ gewonnen. So richtig steigt da niemand durch. Hauptsache, Dr. Jekyll wird zu Mr. Hyde. Bis es jedoch soweit ist, vergeht gut die Hälfte der Laufzeit, weswegen Sitzfleisch angesagt ist.
Dabei meint es die hiesige Version sogar gut mit dem ungeduldigen Publikum, wurde SEDDOK doch hierzulande um gut 20 Minuten auf schlanke 85 Minuten gestrafft. Trotzdem zieht sich die erste Hälfte ein wenig. Wer gerne vergleichen möchte, der hat mit dieser DVD die Möglichkeit, befindet sich die ungekürzte Fassung als Bonus in englischer und italieniescher Sprachfassung doch mit an Bord. Beide Versionen können, trotz Restauration, nicht mit Referenzcharakter überzeugen. Insbesondere der deutsche Ton klingt enorm dumpf. Doch bei einem so seltenen Film von vor knapp 60 Jahren sollte man auch keine Wunder erwarten. In einer Szene musste man gar auf das Master der Super-8-Fassung zurückgreifen. Diese ist ausschnittsweise ebenfalls, sowie der Trailer, als Bonus vorhanden.
SEDDOK ist kein Klassiker des Genres. Da hilft es auch nicht, dass sich Produzent Elio Ippolito Mellino hinter dem Pseudonym Mario Fava versteckt, um eine Namensverwechslung mit einem bekannten, italienischen Horrormeister zu generieren. Dreist! Die Darsteller wissen trotzdem zu überzeugen, auch wenn die Dialoge, die ihnen in den Mund gelegt wurden, teilweise haarsträubend sind. Die Effekte wirken dem Filmalter entsprechend ein wenig antiquiert. Fans des Genres dürfte dies aber kaum stören.
SEDDOK ist ein alter Gruselschinken, den man historisch interessierten Gruselfans durchaus ans Herz legen kann. Wer einen echten Klassiker sucht, darf gern weiter die Augen offen halten. Der Film erschien vor geraumer Zeit bereits ungeprüft von OSTALGIA. Ob diese Neuveröffentlichung qualitativ nun besser oder gleichwertig ist, kann ich leider nicht beurteilen. Auf jeden Fall ist es schön, dass es heutzutage sogar solche Nischenprodukte in die heimischen Kaufhäuser schaffen.
Trailer: