Wir blättern weiter in den Chroniken und stoßen dabei auf das zweite Zombie-Werk aus der Feder von George A. Romero. „Zombies im Kaufhaus“, wie er im deutschen Straßenjargon genannt wird, besticht nicht nur durch unzählige Schnittfassungen, sondern auch durch eine kritische Botschaft. Sofern man die von Romero geschnittenen Fassungen schaut. Auch Giallo-Papst Dario Argento durfte für den europäischen Markt Hand anlegen und schuf damit einen gänzlich anderen Film…

Artikel von Victor Grytzka

Bildmaterial (c) Midnight Factory / Koch Films

Das war auch so ein Film. Einer dieser Filme, von denen man ständig gehört hatte, und zu dem jeder etwas zu sagen hatte. Noch zu VHS-Zeiten, als längst nicht jede Fassung ohne Probleme in den weiten Welten des WWW (was für ein Satz) zu bekommen war, rankten sich Legenden um die Lauflänge. Einer meiner Schulkameraden behauptete sogar mal, dass einer seiner Freunde eine 3 1/2 Stunden Fassung besäße, mit dem originalen Ende welches nicht den Weg in den fertigen Film fand. Natürlich existierte diese Fassung nicht. Denn auf Nachfrage hieß es:  „Die hat er aus Versehen überspielt…“ Nee, is‘ klar, Keule.  Heute bin ich schlauer und beschränke mich deshalb auf die 3 offiziell erhältlichen Fassungen. Den US-Theatrical Cut (127 Minuten), den Extended-Cut (139 Minuten) und die europäische Fassung (119 Minuten). Die Laufzeiten stammen von den aktuellen BluRay Veröffentlichungen (nur falls jemand sagt: „Aaaaber… meine Fassung…bla…“).

Auch ich habe bei meiner „Premiere“ eine andere Fassung gesehen. Mit 15 denkste halt dass es auf die Länge ankommt. Dabei zählt am Ende dann doch nicht wer den Längsten hat, sondern wer das richtige Tempo an den Tag legt. Oft lese ich in Filmgruppen heute noch: „Der UFC ist der beste, weil der voll lang ist und so. Und deshalb ist der voll am gut sein am tun!“. Nee, ist er nicht. Was Herr Krekel, damals unter seinem Label Astro, dort verbrochen hat, das geht auf keine Kuhhaut. Nicht dass ich Herrn Krekel nicht dankbar wäre, hat er doch viele Klassiker des Horror- und Splatterfilms in ungeschnittener Fassung in unsere Regale gebracht. Zu einer Zeit, in der es nicht viele Vertriebe wagten solch ein Material unter die Leute zu bringen. Doch 156 Minuten – ein Zusammenschnitt aus allen erhältlichen Fassungen – bestachen dann doch mehr durch Leerlauf, als durch spannende Handlung und reißerische Action.

Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen musste ich jedoch erst mal die anderen Fassungen sehen. Noch vor kurzer Zeit habe ich immer behauptet dass der „European Cut“, geschaffen von Dario Argento, meine Lieblingsfassung sei. Räusper, räusper. Da muss ich mich revidieren! Doch zunächst einmal ein kleiner Exkurs. Dario Argento tat sich mit dem Produzenten Alfredo Coumo zusammen und stiftete 250.000 Dollar – rund die Hälfte des gesamten Budgets – damit Romero das Projekt finanzieren konnte. Dafür erhielt Argento im Gegenzug die Berechtigung, eine Fassung für den europäischen Markt zu erstellen und diese auch zu vermarkten. Was dabei herausgekommen ist, das erfahrt ihr nach der kurzen Inhaltsangabe.

Fran, Stephen, Peter und Roger – Allein im Kaufhaus

Einige Jahre sind seit dem Ausbruch der Untoten-Plage vergangen. Verzweifelt versucht man die Lage in den Griff zu bekommen. Doch langsam regiert das Chaos. Die Flut an Zombies ist kaum noch aufzuhalten. Und so entschließen sich vier Menschen der Apokalypse irgendwie zu entkommen. Die beiden Polizisten Peter (Ken Foree) und Roger (Scott Reiniger), sowie das Paar Fran (Gaylen Ross) und Stephen (David Emge), der als Hubschrauberpilot sein Bestes gibt, die Gruppe an einen halbwegs sicheren Ort zu bringen. Am (vorläufigen) Ende ihrer Flucht landen sie auf dem Dach einer Shopping-Mall. In den oberen Stockwerken scheint es zunächst sicher, trotz untoter Gäste in den Verkaufsräumen. An einer gescheiten Versorgung der „Gestrandeten“ mangelt es nicht. Doch kann solch ein Ort ein Paradies sein während draußen die Hölle um sich greift?

Eine Parallele zum Vorgänger „Night of the living Dead“ wird sofort offensichtlich – Isolation. Auch hier ein Grundthema. Doch es gibt einen fundamentalen Unterschied. In „Dawn of the Dead“ wägt man sich in vermeintlicher Sicherheit und genießt den Luxus und die Annehmlichkeiten, die solch ein Kaufhaus bietet. Und da liegt schon ein Punkt, der in der oben erwähnten „Euro-Fassung“ weitestgehend auf der Strecke bleibt. Romero legte in seinen Schnittfassungen sehr viel Wert darauf, einen Film mit Identifikationsfiguren und einem hohen Maß an Dramatik zu schaffen. Gleichzeitig verweist er dabei auf eine Kultur, die so eigentlich bis zum heutigen Tage bestehen geblieben ist. Die große Welt kann vor die Hunde gehen, solange es uns gut geht in unserer kleinen Welt. So verhält sich die Gruppe auch zu Anfang. Sie ballern sich mit Luxusgütern zu, speisen Kaviar und saufen Whiskey, wie es richtige Kapitalisten eben tun sollten. Bald schon wird sogar ein Spaß daraus, die leben Toten ein wenig zu foppen, und die Jagd nach ihnen zu einem eher heiteren Spiel zu machen. Irgendwie gönnt man es ihnen ja auch. Sie stecken in der Scheiße, lass ihnen doch die Freude. Klar, es kommt hier und da immer wieder zu sehr ernsten und bedrohlichen Situationen, zum Beispiel als Fran sich unbewaffnet einem Zombie stellen muss, oder Stephen – der meist gute Absichten hat, aber etwas untalentiert daher kommt – die Gruppe durch sein Verhalten in Gefahr bringt. Aber dafür haben wir Peter und Roger, die immer irgendwie den Überblick bewahren. Nicht ganz, denn Roger verfällt an einem gewissen der Punkt der Handlung so sehr der Leichtsinnigkeit, dass dies einen klaren Bruch in der Stimmung der Gruppe und auch im Grundton des Filmes erzeugt. Das ist sie wieder, die Gefahr. Eigentlich war sie nie weg, man hatte sie lediglich verdrängt. Immer nachdenklicher wird der Trupp, es gibt zwar nicht direkt streit, aber ein unschönes Gefühl der Unruhe macht sich breit. Hier kommt dann Fran aus der Ecke geschossen. Als rational handelndes Energiebündel, die sich in den dunkelsten Stunden behaupten kann, und schon fast mütterlich das Überleben ihrer Freunde sichern möchte. Und dann sind da noch die Rocker. Mehr werde ich aber nicht verraten, womöglich gibt es ja Leute, die den Film noch gar nicht kennen.

Peter bringt den Müll raus…

Man fiebert eben mit, denn Romero schuf mit seinen Fassungen einen gelungenen Mix aus Action, Horror, humorvollen Momenten, Drama und Gesellschaftskritik, und machte „Dawn“ damit zu einem Film, der nicht die üblichen Gruselklischees bedient, sondern schlägt dem Zuschauer das „schau dir diesen Irrsinn an, während du dich an den Früchten deines Konsumwahns labst“ mitten in die Fresse. Und das sitzt. Immer noch. Zumindest bei mir. Schon locker 50-60 mal habe ich dieses Meisterwerk gesehen, und immer denke ich mir an dieser einen Stelle im Film: „Scheiß doch auf die Tasche, lass es!“. Kenner wissen was ich meine.

Aber was hat das nun mit dem angesprochenen Euro-Cut zu tun? Genau, nichts! So gar nichts! Denn Argento hat einen typischen Euro-Splatter-Zombie daraus gemacht. Die Charaktere werden nur oberflächlich angekratzt, viele längere Dialoge fielen der Schere zum Opfer, viel Action und viel Blut – Ende. Zugute halten muss man der Fassung das hohe Tempo. Auch das Finale passt hier perfekt rein, der große „Rumble zwische den Verkaufsregalen“. Es kommt definitiv keine Langeweile auf. Auch der Soundtrack, beigesteuert von Argentos Haus und Hofmusikern der „Goblin“ Truppe, verleiht dem Film ein hohes Maß an zusätzlicher Wertigkeit, gegen die Romero – mit seiner Fahrstuhlmusik aus irgendwelchen Lizenz freien Archiven – natürlich nicht gewinnen kann. Dennoch – zu kühl, zu oberflächlich, zu europäisch. Aber kein schlechter Film, nicht dass man mich missversteht. Wenn ich gerade mal keine Lust auf die „menschlichere“ Fassung von Romero habe – hier bevorzuge ich übrigens die US-Kinofassung mit 127 Minuten – dann darf es auch gerne mal die Argento-Fassung sein. Über die Jahre scheint sich mein Geschmack ein wenig gewandelt zu haben. Vor gar nicht allzu langer Zeit war die europäische Schnittfassung noch mein Liebling. Tja, so kann es manchmal gehen.

Einmal wischen in Gang 6…

Unabhängig von den verschiedenen Versionen besticht der Film durch eine tolle Atmosphäre, hervorragend gefilmte Locations (man hat die schier überwältigende Größe des Einkaufszentrums perfekt auf Zelluloid gebannt, und so den Eindruck der Isolation perfekt eingefangen), wunderbar handgemachte Gore-Einlagen (Savini sei Dank) und einen ganz eigenen Charakter. So was gab es danach nie wieder, so was wird es auch nie wieder geben.

Müsste ich zu einer Veröffentlichung raten, dann würde ich das italienische Boxset aus dem Hause Midnight Factory wählen, das nicht nur die 3 wichtigsten Schnittfassungen beinhaltet, sondern auch wunderbar restauriertes Bild (4K-Abtastung, wahlweise sogar als Deluxe-Boxset mit 4K-BluRay) und restaurierten Ton mit an Bord hat. Massenweise Audiokommentare und Bonusmaterial machen diese Edition zum Nonplusultra. Da ist aber ein Haken. Es gibt keine deutsche Tonspur. Aber kein Grund, jetzt traurig zu sein. Koch Films hat den Film vor kurzer Zeit erfolgreich vom Index geholt, und eine Freigabe durchgeboxt. Da Koch selbst auch an der Restauration beteiligt war, wird also (höchstwahrscheinlich) bald diese Abtastung in unseren Kaufhäusern stehen. Mit deutschem Ton natürlich.

Fazit? Klassiker! Bis zum nächsten mal!

Trailer:

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