Dass eine hochkarätige Besetzung keinen Film vor Misserfolg schützt, musste Steven Knights Thriller IM NETZ DER VERSUCHUNG (2019) schmerzlich erfahren, ging die wendungsreiche Noir-Hommage doch nicht nur an den Kinokassen sang- und klanglos unter, sondern zog auch reihenweise schlechte Kritiken und den Zorn der Hauptdarsteller auf sich. Universum Film bringt das durchaus bizarre Werk nun ins Heimkino und auch wenn der Film alles andere als gelungen ist, sollte man aufgrund seines wahnwitzigen Konzepts dennoch einen Blick riskieren.
Originaltitel: Serenity
Drehbuch & Regie: Steven Knight
Darsteller: Matthew McConaughey, Anne Hathaway, Jason Clarke, Diane Lane, Djimon Hounsou, Jeremy Strong…
Artikel von Christopher Feldmann
Es war eine der prominentesten Kino-Katastrophen des Jahres. Steven Knight drehte mit IM NETZ DER VERSUCHUNG (2019) ein Thriller-Drama vor schicker Kulisse und konnte hochkarätige Darsteller wie Matthew McConaughey, Anne Hathaway und Jason Clarke vor der Kamera versammeln. Mit 25 Millionen US-Dollar Budget hatte Knight, der auch für das Drehbuch verantwortlich ist, freie Hand, um seine Visionen und Ideen umzusetzen. Die Ernüchterung war jedoch groß, als der Film bei mehreren Testvorführungen auf katastrophale Resonanzen stieß und vom Verleih Aviron Pictures bereits vor Kinostart abgeschrieben wurde. Das gesamte Werbebudget wurde gestrichen und die gepante PR-Tour, für die McConaughey und Hathaway bereits zugesagt hatten, wurde abgesagt. Die reagierten wiederum wenig erfreut über die Tatsache, dass der Film quasi zu den Akten gelegt wurde, ohne überhaupt eine Chance bekommen zu haben, weshalb man sogar vor Gericht gehen wollte. Das hielt Aviron Pictures aber seltsamerweise nicht davon ab, den bizarren Film in über 2500 Kinos US-Kinos starten zu lassen, wo er sensationell Schiffbruch erlitt und nicht einmal die Hälfte seiner Kosten einspielen konnte. Natürlich kann man das auf mangelnde Werbung schieben, letztendlich weiß ich aber nicht, wie man diesen Film auch hätte an den Mann bringen sollen. Denn auch wenn das Konzept durchaus ambitioniert ist, ist IM NETZ DER VERSUCHUNG letztendlich einfach so panne, dass er schon fast jeglicher Beschreibung trotzt.
Handlung:
Der etwas angeknackste Kriegsveteran Baker Dill (Matthew McConaughey) verdient sich seine Brötchen als Bootskapitän auf der paradiesischen Insel Plymouth Island, wo er gegen Geld wohlhabende Touristen zum Angeln rausfährt. Das Geschäft läuft allerdings mehr schlecht als recht, da sich Dill, fast schon obsessiv, mehr für den Fang eines besonderen Thunfischs interessiert, als für seine zahlende Kundschaft. Doch dann taucht plötzlich seine Ex-Frau Karen (Anne Hathaway) auf, die ihm sogleich ein unmoralisches Angebot macht. Für 10 Millionen US-Dollar soll er ihren gewalttätigen Ehemann Frank (Jason Clarke) bei einer vermeintlichen Angel-Tour auf offener See über Bord schmeißen!
Ich wusste nicht so wirklich recht, was ich von IM NETZ DER VERSUCHUNG erwarten sollte, sahen die Trailer doch zumindest nach netter Thriller-Kost aus. Meine Neugier wuchs, als die Kritiken dermaßen schlecht ausfielen, dass der Film den Anschein machte, ein ambitioniertes Projekt zu sein, welches mit Anlauf gegen die Wand gefahren wurde. Das hat sich insofern bestätigt, dass dieses Machwerk sich dermaßen den gängigen Kino-Konventionen entzieht und dabei so grandios bekloppt ist, dass es den zugegeben stinklangweiligen Plot wenigstens etwas wett macht.
SERENITY, so der Originaltitel, beginnt schon recht merkwürdig. Surreal anmutende Kamerafahrten auf hoher See, ein Matthew McConaughey als Captain Ahab-Verschnitt, der ständig kryptisches Zeug faselt und bedeutungsschwangere Musik. Schon früh stellt sich die Frage, wo dieser Film hin will. Die Story wirkt dann, als hätte man ein altes Drehbuch aus den 1990ern gefunden, dass man ursprünglich mal mit Sharon Stone oder Ashley Judd verfilmen wollte. Ein Thriller mit Mystery-Elementen und einem Spritzer Erotik, was nicht die schlechteste Mischung ist und lange hat man auch das Gefühl, dass man hier so etwas wie BASIC INSTINCT vor paradiesischer Kulisse serviert bekommt. McConaughey als getriebener Protagonist, Anne Hathaway als Femme Fatale und ein unmoralisches Angebot, welches zumindest die Möglichkeit auf ein fieses Geheimnis birgt. Allerdings entpuppt sich SERENITY nicht nur als stinklangweiliges Neo-Noir Theater, sondern auch als völlig klischeebeladenes Stück, dass hart an der Grenze zur Parodie schrammt. McConaughey raucht wie ein Schlot, ist meistens oberkörperfrei oder nackt zu sehen, angelt die meiste Zeit und faselt seltsame Textzeilen vor sich hin, die kaum richtig zu deuten sind. Auch das Settíng mutet mit nur einer Bar, einem einzigen Polizisten und Diane Lane, die ständig ihre Katze sucht, wenn sie sich mal nicht vom ollen Matthew knattern lässt, ausgesprochen seltsam an. Und wenn dann noch Anne Hathaway im weißen Sommeroutfit die typische Femme Fatale zu spielen versucht, in dem sie jeden Satz bedeutungsschwanger und pseudo-tragisch in die Kamera haucht, dann stellt sich relativ schnell das „das kann doch nicht ernst gemeint sein“-Gefühl ein.
Doch SERENITY scheint es ernst zu meinen und zieht seine halbgare Story konsequent durch, in der auch nicht wirklich was passiert. Wenn gerade keine seltsamen Dialoge aufgesagt werden, wird geangelt oder gevögelt. Steven Knight vergräbt sich dabei so sehr in seine Hommage an das klassische Noir-Kino, dass ihm anscheinend der Fokus für eine funktionierende Story fehlt.
Doch dann kommt der Twist, der uns als die überraschendste Wendung seit THE SIXTH SENSE (1999) auf dem Cover angepriesen wird. Und ja, er ist überraschend, zugleich aber auch vollkommen Banane. Der Vorteil ist, dass er so abstrus ist, dass es eigentlich unmöglich ist, ihn vorher zu erraten. Stellt euch vor, jemand würde euch spoilern, dass im Finale von AVENGERS: ENDGAME (2019) auf einmal Micky Maus auftaucht und Thanos besiegt. Natürlich würde man das nicht glauben, wenn es einem jemand erzählen würde. SERENITY hat solch einen Twist, der sich so beknackt anhört, dass man ihn nicht glauben würde. Der feine Unterschied ist nur, dass er hier wirklich vorhanden ist. Man muss Steven Knight dabei zu Gute halten, dass er anscheinend eine Vision hatte, eine Idee, ein Konzept, dass seinen Film vom üblichen Mainstream abheben sollte. Das ist ihm eigentlich auch gelungen, nur bei der Umsetzung hapert es gewaltig, denn sobald die Auflösung stattgefunden hat, macht irgendwie nichts mehr wirklich Sinn und der Film wird zunehmend inkonsequent, was seine Prämisse angeht. Somit bleibt am Ende nur das Gefühl, dass man hier gerade ambitionierten Trash gesehen hat, der sich selbst unglaublich ernst nimmt.
Für den nötigen Trash-Appeal sorgen indes auch die Darsteller, die so seltsam leer agieren, dass sie regelrecht charakterlos wirken. McConaughey darf öfters komplett frei drehen, manisch in die Kamera gucken und die Nacht brüllen, während Anne Hathaway spielt, als hätte ihr jemand gesagt, sie soll wie eine Femme Fatale wirken, ohne ihr aber zu erklären, wie das wirklich funktioniert. Einzig Jason Clarke scheint erkannt zu haben, in welchem Quatsch er hier agiert, weshalb er als Bösewicht so dermaßen überzogen schauspielert, dass es schon wieder Spaß macht. Abseits der vollkommen aberwitzigen Handlung, die zwischen unfreiwillig komisch, stinklangweilig und „mein Gott, was soll das denn?“ pendelt, kann sich der Zuschauer zumindest an der schönen Ausstattung und den traumhaften Kulissen laben, bei denen man gleich Lust auf Sommerurlaub bekommt, in dem man einfach nur Boot fahren und sich besaufen will. Dieses Gefühl bringt Knight zumindest gekonnt auf die Leinwand.
Der Film ist ab sofort als Blu-Ray und DVD im Handel erhältlich. Bild- und Tonqualität sind erstklassig, das Bonusmaterial besteht hingegen nur aus einer B-Roll und dem Trailer.
Fazit:
IM NETZ DER VERSUCHUNG (2019) ist einer der Flops des Jahres und trotzdem bin ich mir sicher, dass der Film die Jahre überdauern wird, nur um zur Obskurität zu werden. Steven Knight liefert hier einen unfassbar langweiligen aber auch absurden Noir-Thriller ab, der in allen Belangen so drüber ist, dass man es schon fast parodistisch nennen könnte. Der große Twist zieht dem Ganzen dann letztendlich die Schuhe aus und macht den Streifen zu einer Kuriosität, die man heute so nicht mehr findet. Das ist nie gut und auch wenig intelligent, jedoch faszinierend und für Filmliebhaber Pflicht, nur um zu glauben, was man hier sieht.
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