Den persönlichen Freund Putins und Trump-Unterstützer Steven Seagal zieht es hier in eine asiatische Produktion, was zumindest auf den einen oder anderen Moment gelungener Action-Choreografie alter Schule hoffen lässt und jetzt bei KSM veröffentlicht wurde. Doch konträr zur Hoffnung steht die völlig ironiefreie Selbstverliebtheit des ewigen Meisters vergangener Actiontage, die in stoischer und anspruchsloser Gleichgültigkeit einer Dauerschleife unterstreicht, dass Seagal voller Weisheit und kämpferischem Können ist. Daraus ergeben sich stets dünnpfiffige Drehbücher, denen man nur mit gut gekühltem Dosenbier begegnen kann und schon beginnt das Reißen in der Halb-Liter-Klasse. Film ab!

Originaltitel: Attrition

Regie: Mathieu Weschler

Darsteller: Steven Seagal, Fan Wong Siu, James P. Bennett, Sue Ting, Ha-Lee Yoon

Artikel von Kai Kinnert

Axe (Steven Seagal) ist ein ehemaliger Soldat der Special Forces, der eine Arztpraxis in Thailand eröffnet hat, um dort ein einfaches und friedliches Leben zu führen. Seine begnadeten Kung-Fu-Kampfkünste trainiert er nur noch zu Meditationszwecken und aus seiner Passion heraus. Doch mit der Idylle ist es schnell vorbei, als ein mit magischen Kräften gesegnetes Mädchen aus dem Dorf entführt wird. Axe fackelt nicht lange, trommelt sein altes Team zusammen und startet eine erbarmungslose Jagd auf die brutalen Entführer, die das junge Mädchen für ihre Zwecke missbrauchen wollen. Doch leider haben sie die Rechnung ohne Axe gemacht.

Steven Seagal schrieb das Drehbuch, beginnt den Film tatsächlich im Stehen und findet auch in den folgenden Szenen nur wenige Momente des Ruhens auf einem Stuhl. Zu Beginn des Films führt er (gehend!) einen Trupp Special Forces an, die in irgendwelchen Ruinen gegen den IS vorgehen und knallt drei Leute ab. Dabei reflektiert Axe aus dem OFF ein paar Weisheiten über den Krieg und Gerechtigkeit und gibt sich anschließend als ein von butterweicher Weisheit durchleuchteter Heilpraktiker, der salbend seine Gemeinde begrüßt und Kindern auf den Kopf küsst. Dabei sieht Seagal wie ein TV Koch aus, der gleich gegen Tim Mälzer antritt und dabei die Wärme und Herzlichkeit eines Eckart von Hirschhausens versprüht. Im Rahmen seiner Weisheit kommt es zu einem Training im Stockkampf und einem denkwürdigen Schmetterlings-Tanz, der später noch durch die thailändische Heilgenerscheinung getoppt wird, die Seagal im Schlaf in Form einer Frau ereilt. Was dem Film noch fehlt, das sei hier schon gesagt, ist der beiläufige Gang übers Wasser.

Steven Seagal vergöttert sich in einem schlecht getaktetem Drehbuch selber und Regie-Golem Mathieu Weschler folgt, immerhin auf einem optisch gehobenerem Niveau, dem Ruf seines Meisters und inszeniert jeden salbenden Schmu im Gefasel der Dialoge unnötig lang und mit lauer Musik aus dem chinesischem Klimperkasten. Seagal hat sich den Part des Meisters so cremig auf den stoischen Leib geschrieben, dass man sich die Augen reibt. Der Mann weiß alles, kann alles und vertritt stets die Gerechtigkeit. Obwohl es in der ersten Hälfte des Films ein paar kleinere Handgemenge gibt, bei denen Seagal öfter von seinem Stuntman gedoubelt wird, will sich der Vorhang asiatischer Weisheiten nur schwer lüften. Das mündet auch noch in einem kleinen Straßenkampf mit einem Herausforderer, der natürlich verliert und abschließend zum Schüler erhoben wird. Als erste Aufgabe soll dieser mit einem Sack Daunenfedern auf einen Berg steigen, die Federn in alle Richtungen verteilen, dann wieder alle einsammeln und darf dann, mit dem wieder gefüllten Daunensack, beim Meister vorstellig werden. Na dann mal los.

Doch plötzlich passiert etwas in dem Film. Während sich der Streifen der 45 Minuten-Marke nähert, streut Mathieu Weschler zwei durchaus gute Szenen ein, die sich endlich vom inhaltlichen Schmu abheben. Filmisch und von der Choreografie der Action her ist ATTRITION – trotz allen Dünnpfiffs zum Geist des Martial-Arts – bis dahin die beste, filmische Leistung der letzten Jahre im Portfolio Steven Seagals. In der einen guten Szene mischt Seagal einen führenden Bösewicht ab und bekommt endlich mal längere Einstellungen, die den Ablauf nicht mit Nahaufnahmen zerhacken. Obwohl in der gesamten Action des Films ständig mit dem Weglassen von Bildern das Tempo beschleunigt wird und jeder Bluteffekt aus dem Computer kommt, findet Seagal hier beinahe zur alten Form zurück. Regie-Golem Weschler entwickelt plötzlich ein Eigenleben und greift endlich auf die filmische Idee zurück, die ihm, trotz des Drehbuchs von Steven Seagal, von Anfang an vorschwebte: er wollte einen Hong-Action-Film drehen.

Die Nummer mit dem Bösewicht ist solide und wird von der überraschenden Szene getoppt, in der jemand durch den Fleischwolf gedreht wird. Dieser Rückwärts gezeigte Vorgang inspirierte sich zwar durch IRREVERSIBLE (2002), überrascht allerdings positiv. Kurz bevor ATTRITION im BlaBla seiner Story versinkt, streut Weschler Hoffnung auf Besserung. Und die kommt, in Form von Action, dann auch tatsächlich. Axe aktiviert sein altes Team und rüstet sich für das Finish. Der Heilpraktiker muss für die Gerechtigkeit zurück an die Front und tröstet sein altes Team mit den schon bekannten Erkenntnissen aus der Kunst des Krieges. Doch nach dem auch das Abgehakt worden ist, darf Mathieu Weschler endlich seinen Traum vom HK-Actionfilm von der Leine lassen und er macht es ganz gut.

Die asiatischen Darsteller bekommen die richtigen Szenen und haben es auch drauf. Die Fights sind tatsächlich gut gemacht, da war ein Choreograf am Set und die Kamera lässt dem Geschehen genügend Zeit, um die Action wirken zu lassen. Es wird geschossen und gekämpft und das alles im halb gedämpften Licht einer Großraumdisco und anschließenden Fluren, was den Bluteffekten aus dem Computer zu Gute kommt. Die Nummer hat plötzlich Schwung und ATTRITION ist ein Actionfilm geworden. Und am Ende bekommt dann Seagal endlich seine gute Szene. Warum nicht gleich so.

Man spürt, das Mathieu Weschler durchaus was von Film versteht und aus wenig viel machen wollte. Doch der Meister gab ihm ein Drehbuch in die Hand, zu dem er nicht „Nein“ sagen durfte und so schmiert Weschler in diesen Momenten hilflos und ohne Timing in unfreiwillig komische Momente ab. Steven Seagal küsst kleine Kinder auf den Kopf, schlichtet im Streit und löst Blockaden im Nacken seiner Jünger. Und als wäre das nicht genug, singt er auch noch im Abspann auf der Bühne der Disco, in der eben noch das Finale stattfand, vor den tanzenden Schauspielern. Der Musiker Steven Seagal spielt mit seiner Band den eigenen Song „BBQ“ und das gar nicht mal schlecht. Es ist völlig skurril und unklar, warum Axe nach dem Massaker jetzt auf der Bühne steht und einen groovigen Rocksong spielt – aber die Nummer ist irgendwie ganz gut und Seagal kann Gitarre spielen. Ein Film voller Überraschungen.

Wer sich die letzten Seagal-Kracher unverdrossen gekauft hat, wird hier für seine Nehmerqualitäten belohnt werden. Die Story ist wie immer selbstredend dünn, von Witz oder Originalität weit und breit keine Spur und Schauspieler waren auch nicht am Set. Doch die Sache nimmt in der zweiten Hälfte des Films Form an und die Action ist insgesamt besser umgesetzt worden, als in den letzten Streifen. ATTRITION – GNADENLOSE JAGD ist so gesehen der besten Steven Seagal Film der letzten Jahre. Wer hätte das gedacht!

Als Extras gibt es ein Making Of. Das Bild der BD ist gut und klar, der Ton ist gut.

Trailer:

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