Wenn die ein vermeintlich hingerichteter Verbrecher durch London spukt und seine eigene Todesliste abarbeitet, dann kann nur noch Chefinspektor Joachim „Blacky“ Fuchsberger für Ordnung sorgen und den Schurken dingfest machen. DIE BANDE DES SCHRECKENS (1960) gilt als einer der großen Klassiker innerhalb der „Edgar Wallace“-Reihe, weshalb wir uns den nunmehr 60 Jahre alten Film nochmal angesehen haben!
„Hallo, hier spricht Edgar Wallace!“
Drehbuch: J. Joachim Bartsch, Wolfgang Schnitzler
Regie: Harald Reinl
Darsteller: Joachim Fuchsberger, Karin Dor, Dieter Eppler, Elisabeth Flickenschildt, Fritz Rasp, Eddi Arent, Ulrich Beiger, Karin Kernke, Ernst Fritz Fürbringer…
Artikel von Christopher Feldmann
Auch der zweite, von Rialto-Film produzierte, Wallace-Streifen DER ROTE KREIS (1960) sorgte für gute schwarze Zahlen an den Kinokassen, weshalb man in der Direktion von Rialto und Constantin die Marschroute für die Zukunft der Reihe festlegte. So gingen für die Kino-Saison 1960/1961 (August bis Juli) direkt vier Projekte in Vorproduktion. Neben DIE BANDE DES SCHRECKENS (1960), sollten in diesem Zeitraum auch die Filme DER GRÜNE BOGENSCHÜTZE (1960), DAS GEHEIMNIS DER GELBEN NARZISSEN (1961) und DIE TOTEN AUGEN VON LONDON (1961) realisiert werden. Da die Produzenten mit den ersten beiden Werken eine gewisse Treffsicherheit bewiesen hatten, sollten die Regisseure Harald Reinl (DER FROSCH MIT DER MASKE) und Jürgen Roland (DER ROTE KREIS) auch in Zukunft mit der Regie der Filme betraut werden, um eine gewisse Abwechslung ins Spiel zu bringen. DIE BANDE DES SCHRECKENS (1960) machte, trotz Konkurrenz-Produktionen, den Anfang im prallen Kriminalfilm-Paket aus dem Hause Rialto und vereinte wieder einige bereits etablierte Darsteller als Ensemble, während weitere dazu stießen, deren Gesichter heute untrennbar mit den deutschsprachigen Adaptionen verbunden sind. Der Film gehört unbestritten zu den Klassikern der Reihe und funktioniert als packender, spannender Krimi mit leichten Grusel-Elementen immer noch tadellos.
Handlung:
Nach langer Ermittlung gelingt es dem, als „Wetter“ bekannten, Inspektor Long (Joachim Fuchsberger) den gesuchten Verbrecher und Betrüger Clay Shelton (Otto Collin) in einer Londoner Bank dingfest zu machen. Bei seiner Hinrichtung sind, gemäß seines letzten Wunschs, alle Personen anwesend, die freiwillig oder unfreiwillig in seine Verhaftung involviert waren, denen er seine Rache schwört. Als kurz darauf der Staatsanwalt und der Henker auf mysteriöse Weise umgebracht werden und Long selbst einem nur knapp dem Tod entrinnt, berichten Augenzeugen, sie hätten den toten Shelton am Tatort gesehen. Schließlich lässt der erfahrene Polizist den Sarg des Verbrechers ausgraben und ist erstaunt, dass sich darin nur Backsteine und eine Liste mit Todeskandidaten befinden. Long muss sich beeilen, um die dem Tod geweihten Personen zu warnen. Während potenzielle Opfer wie der Bankdirektor Monkford (Karl Georg Saebisch) kooperieren, verhalten sich andere, wie die gut betuchte Mrs. Revelstoke (Elisabeth Flickenschildt) oder der Tierfreund Crayley (Dieter Eppler) bedeutend uneinsichtiger. Als auch die Sekretärin Nora Sanders (Karin Dor) in den Fall hineingezogen wird, merkt Long, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht.
Während Egon Eis unter seinem Pseudonym Trygve Larsen bereits für die Drehbücher der ersten beiden Wallace-Verfilmungen verantwortlich war und an weiteren Adaption arbeitete, übernahm bei DIE BANDE DES SCHRECKENS (1960) erstmals Wolfgang Schnitzler die Rolle des Autoren. Dessen Aufgabe war es, den Original-Roman von Edgar Wallace kinotauglich zu machen, fiel dieser doch, trotz seiner zahlreichen guten Spannungsmomente und der interessanten Geschichte, eher langatmig aus. THE TERRIBLE PEOPLE, so der Titel der Buchvorlage, gehört zu jenen Büchern, die sich für eine Adaption anbieten, lassen sich doch viele Handlungselemente, die der Geschichte das Tempo nehmen, relativ einfach entfernen, ohne die Erzählstruktur völlig zu verfremden. Genau mit dieser Herangehensweise schusterte Schnitzler ein Drehbuch, welches aber vor allem bei Gerhard F. Hummel (damals mit erheblicher Entscheidungsgewalt bei den Filmen ausgestattet) nicht wirklich Beifall auslöste. Die endgültige Fassung wurde von J. Joachim Bartsch erarbeitet, der bereits das Drehbuch zu DER FROSCH MIT DER MASKE überarbeitete und ein guter Freund von Regisseur Harald Reinl war, der hier das zweite Mal in Sachen „Edgar Wallace“ auf dem Regie-Stuhl saß.
Die Geschichte wurde passend adaptiert und noch heute zählen Fans den Film zu ihren Favoriten aus der langlebigen Krimi-Serie. Mit ihrem Aufhänger (ein Phantom zieht die Schuldigen zur Rechenschaft) strickt die Story einen spannenden Fall rund um Schuld und Gerechtigkeit. Der Film dreht dies gekonnt um, ist es doch dieses Mal ein Verbrecher nach auf Rache sinnt, was für einige schön schaurige Momente sorgt. DIE BANDE DES SCHRECKENS bemüht sich redlich, den Zuschauer wieder im Dunkeln tappen zu lassen, um ihm am Schluss eine möglichst überraschende Auflösung zu präsentieren. Dies ist damals vermutlich gut geglückt, auch wenn man den heutzutage den Braten doch irgendwann zu riechen beginnt. Das tut dem Unterhaltungswert allerdings keinen wirklichen Abbruch, besitzt die Handlung doch genug Tempo, um den Zuschauer bei Laune zu halten. Auch abseits dieser Elemente- bietet der Krimi wieder erprobte Versatzstücke, die aus heutiger Sicht zum guten Ton der Wallace-Filme gehören. Sei es die Frau in Nöten, die es am Ende zu retten gilt, jede Menge halbseidene Verdächtige, eine Prise altmodischen Grusel und bewährten Humor. DIE BANDE DES SCHRECKENS schnürt als dritter Film der Reihe bereits das Paket, welches die Zuschauer in den Folgejahren immer wieder (manchmal auch geringfügig variiert) präsentiert bekamen.
Neben der gelungenen Geschichte sorgt natürlich wieder das renommierte Ensemble für klassisches Wallace-Flair. Als smarter und charmanter Inspektor, und somit Held des Films, fungierte Joachim Fuchsberger in seinem zweiten von insgesamt zwölf Einsätzen in der Reihe. Erstmals war Karin Dor in der weiblichen Hauptrolle zu sehen. Dor avancierte zu den beliebtesten Wallace-Girls und war noch in vier weiteren Filmen zu sehen, fast ausschließlich bei denjenigen, die von Harald Reinl inszeniert wurden, waren beide doch zu dieser Zeit miteinander verheiratet. Ebenfalls ihren Einstand bei Wallace feierte Elisabeth Flickenschildt. Die bekannte Bühnen- und Filmschauspielerin war für mich immer so etwas wie eine Grand Dame, was sie in ihren zwei weiteren Engagements bei Rialto noch perfektionieren sollte, obwohl ihre Besetzung damals nicht unumstritten war. Flickenschildt wurde durch viele Filme aus der NS-Zeit bekannt, war Mitglied der NSDAP und stand sogar auf Hitlers Gottbegnadeten-Liste. Eine eher zweifelhafte Ehre, über die die Schauspielerin aber nie sprach und die auch von den Kollegen nie angesprochen werden durfte, was zum Beispiel Brigitte Grothum mal in einem Interview preisgab.
Die restliche Besetzung setzt sich aus bereits erprobten Darstellern zusammen, die in einem der Vorgänger oder sogar in beiden bereits zu sehen waren. Ernst Fritz Fürbringer verkörperte zum dritten aber auch letzten Mal die Rolle des Sir Archibald, sollte aber an späterer Stelle noch einmal auftauchen. Auch Ulrich Beiger und Dieter Eppler waren wieder in undurchsichtigen Rollen zu sehen, während Karl Georg Saebisch, der in DER ROTE KREIS als Ermittler zu sehen war, hier eine Nebenrolle als Bankdirektor Monkford inne hat, obwohl ich zuerst davon ausging, dass der gute Herr Saebisch nur im letzten Film zu sehen ist, ich habe mich geirrt. Auch Fritz Rasp war wieder mit von der Partie und spielte den Vater von Fuchsbergers Inspektor Long, der am Ende noch eine nicht unwesentliche Rolle einnimmt. Abschließend vervollständigte Eddi Arent einmal mehr das Ensemble, mit seiner gewohnt leichtfüßigen, komödiantischen Art. Seine Figur ist fast schon eine Parodie auf die damalige Heimatfilmkultur, die sich zwiespältig über den boomenden Kriminalfilm äußerte. Als Polizeifotograph sehnt sich Edwards nämlich nach leichterer Kost und zieht es vor Landschaften und Tiere abzulichten, anstatt Leichen.
Harald Reinl verstand es (wie schon bei DER FROSCH MIT DER MASKE) dem Film das nötige Etwas zu verleihen. Sein Händchen für schöne Spannungsmomente, dezenten Grusel und eine temporeiche Inszenierung zeichnen DIE BANDE DES SCHRECKENS aus. Im Vergleich zum Wallace-Erstling ist ihm dieser Film handwerklich deutlich besser gelungen. Überraschende Szenen wie der Tod des Richters und dem packenden Finale gehören zu den Prunkstücken des Films. Mit der prominent eingesetzten „Galgenhand“ gab man dem Film einen zusätzlichen Wiedererkennungswert. Gedreht wurde im Juni/Juli 1960 und zwar gänzlich in Deutschland. Der Film war somit der erste der Reihe, der nicht in Dänemark entstanden ist. Unter anderem dienten der Innenhof des Hamburger Rathauses, der Stadtteil Rotherbaum, sowie das Schloss Tremsbüttel in Schleswig-Holstein als Kulissen für den Film, letztere stellte das Golfhotel dar.
Für die Musik war dieses Mal Heinz Funk zuständig, der seine erste von insgesamt drei Arbeiten für Wallace ablieferte. Leider sind seine Musiken wenig memorabel und werden heute als die schwächsten der Reihe gesehen. Witzig ist auch, dass der Film am 25. August 1960 uraufgeführt wurde. Drei Wochen zuvor startete die Wallace-Verfilmung DER RÄCHER (1960) in den deutschen Kinos, welche von Kurt Ulrich produziert wurde und auf den Erfolgszug aufzuspringen versuchte. Allerdings behielten Rialto in Sachen Qualität die Nase vorn und DIE BANDE DES SCHRECKENS war ein bedeutend größerer Erfolg an den Kinokassen. Genau zu diesem Zeitpunkt gründete Rialto-Film ein deutsches Tochterunternehmen in Frankfurt am Main, welches fortan die Produktion der Wallace-Filme übernahm. Es war auch der letzte Film, bei dem Helmut Beck als Herstellungsleiter agierte. Er verließ das Unternehmen und wurde bei dem nächsten Projekt von einem Mann ersetzt, der die Reihe zum großen Höhepunkt und darüber hinaus führen sollte, Horst Wendlandt!
Der Film wurde 1960 ab 16 Jahren freigegeben, nachdem eine Szene zwischen Dieter Eppler und Karin Dor gekürzt wurde. Seit 1991 ist die Originalfassung ab 12 Jahren freigegeben.
Fazit:
DIE BANDE DES SCHRECKENS (1960) war der dritte Film der erfolgreichen Reihe, der damals viele Zuschauer begeisterte und noch heute zu den Meilensteinen gehört. Der Mix aus leichtem Grusel, Spannung, Komik und Action ist perfekt ausgewogen und avancierte fast schon zur Blaupause der späteren Filme. Ein äußerst gelungener Beitrag, den man immer wieder schauen kann.
4,5 von 5 schießenden Telefonhörern
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