REMAKE, REMIX, RIP-OFF lautet der Titel einer unterhaltsamen Dokumentation, die sich mit dem Copy- und Trash-Kino der Türkei in den 1960er und 1970er Jahren beschäftigt. Neben günstigen Plagiaten bekannter Kino-Hits, schufen die findigen Produzenten vom Bosporus so mache wahnwitzige Genre-Ware, die nicht immer den Weg in die hiesigen Videotheken oder Bahnhofskinos fand. LION MAN – DIE TODESKRALLE AUS ISTANBUL (1975) war damals in den Videotheken zu entdecken, weshalb das trashige Actionspektakel nun vollständig in deutscher Sprache auf DVD erschienen ist. Welchen Knaller Cargo Records hier ausgegraben haben, erfahrt ihr in unserer Kritik!

Originaltitel: Kilic Aslan

Drehbuch: Natuk Baytan, Duygu Sagiroglu
Regie: Natuk Baytan

Darsteller: Cüneyt Arkin, Bahar Erdeniz, Yildirim Gencer, Cemil Sahbaz…

Artikel von Christopher Feldmann

Die türkische Filmkultur hat hierzulande keinen sonderlich großen Stellenwert. Während andere europäische Produktionen aus Ländern wie Frankreich, Groß-Britannien und natürlich Italien regelmäßig den Weg in unsere Kinos fanden und auch im Heimkino-Bereich ausgewertet wurden, fristen Unterhaltungsfilme vom äußersten Zipfel Europas ein absolutes Nischendasein, sofern diese Nische überhaupt existiert. Dabei dürfte jeder Filmfan oder Anhänger des etwas abseitigeren Genre-Kinos mit den Ohren schlackern, wenn er sieht, was sich dort unten, ganz tief in der Kiste der unentdeckten Perlen so verbirgt. Sei es der legendäre TURKISH STAR WARS (1982) oder das historische Action-Vehikel KARA MURAT (1973), hier gibt es viel obskures zu entdecken. Star der beiden erwähnten Werke ist Cüneyt Arkin, quasi der prototypische, gestählt maskuline Held des türkischen Kinos. Dieser spielt auch die Hauptrolle in LION MAN (1975), der mit seinem Zusatztitel DIE TODESKRALLE AUS ISTANBUL recht offensichtlich an einen berühmten Action-Erfolg anspielt. Dabei handelt es sich hier nicht um einen abgekupferten Turnier-Film, sondern um ein putzig doofes Spektakel mit Historien-Setting. Wer Trash mag, kommt hier voll und ganz auf seine Kosten.

Handlung:
Das byzantinische Volk unterliegt im Kampf gegen die Armee König Solomons (Cüneyt Arkin). Obwohl König Solomons Bedingungen fair sind, schwört Antoan (Yildirim Gencer), der Anführer der Byzantiner, Rache. Mit seinen Soldaten dringt er in König Solomons Schloss ein und tötet den König und sein Gefolge. Nur die hochschwangere Königin kann fliehen. Auf der Flucht schenkt sie einem Jungen das Leben. Dieser wird von einer Löwin gefunden und aufgezogen. Während die Byzantiner von Antoan und seinen Soldaten versklavt und erniedrigt werden, ist König Solomons Sohn (ebenfalls Cüneyt Arkin) zu einem kräftigen Mann herangewachsen: Er hat die Seele eines Löwen, Klauen aus Stahl und kämpft wie der Blitz. Er ist Lion-Man. Er wird Rache üben und sein Volk befreien. Aber vorerst warten noch viele Gefahren auf ihn, denn auch Antoan weiß, dass Lion-Man lebt.

LION MAN ist ganz großes Kino, zumindest für Fans von unfreiwillig komischen Filmen. Die Story ist eigentlich recht simpel, Überraschungen gibt es wenig. Wir haben einen bösen Schurken, der die Macht übernimmt und alle tötet, außer eben den kleinen Zögling des guten Königs, der darauf hin von Löwen großgezogen wird (Ja, LÖWEN!). Mit denen lebt der Junge viele Jahre und teilt sich mit ihnen ganz fröhlich Tierkadaver. Natürlich muss der Junge, der irgendwann ein gestählter Mann ist, bei Zeiten seiner Bestimmung nachkommen und sein Volk vor den fiesen Unterdrückern befreien. Soweit so gut und auch wenn das Drehbuch einfach gestrickt ist, bietet LION MAN einen hohen Unterhaltungswert.

Man hält sich nicht sonderlich zurück und liefert zahlreiche Actionszenen, in denen Hauptdarsteller Cüneyt Arkin seine Gegner mehr bespringt, als bekämpft. Selbst wenn er mal eine Waffe benutzt, fallen diese meist schon zu Boden, bevor sie überhaupt getroffen wurden, was erahnen lässt, dass der Kameramann nicht unbedingt der Beste gewesen ist. Dazu kommen noch durch die Luft fliegende Gummibäume und offensichtliche Plastikschwerter, die regelmäßig zum Einsatz kommen. Besonders drollig ist noch Arkins Signature-Move, denn als LION MAN bevorzugt er es, seinen Gegnern einfach das Gesicht zu zerkratzen.

Auch die Dialoge liefern viele ungewollte Pointen, was den Film im Endeffekt zu einer schier partytauglichen Gaudi macht. Es werden viele hanebüchene Sätze zum Besten gegeben, wobei nicht erkennbar ist, ob dies der deutschen Synchronisation geschuldet ist. Wenn ein ahnungsloser Henchman fragt, ob es sich bei dem Gebilde auf der Schulter des Lion Man, bestehend aus einem Löwenkopf und einem Schwert, um ein Tattoo handelt und ein anderer entgegnet, dass dies ein Geburtsmahl sei, welches alle Nachfahren des Königs tragen, verursacht das schon ein dezentes Kopfschütteln.

Immerhin wird die Chose zu keinem Zeitpunkt wirklich langweilig, denn es passieren ständig aberwitzige Dinge, die meist irgendwelche Kämpfe zur Folge haben. Auch keine Gedanken sollte man sich um das dargestellte Frauenbild machen, welches 1975 in der Türkei propagiert wurde. Hier wurden Frauen bei Aufmüpfigkeit direkt lebenslang in den Kerker gesteckt, obwohl das heut unter Onkel Erdogan wahrscheinlich wieder in Mode ist. Jedenfalls gipfelt der Film in der Szene, in der unser Held Handprothesen spendiert bekommt, die wie Klauen aussehen, der Titel muss ja irgendwoher kommen.

Auch was die Gewalt angeht, geht es in LION MAN nicht gerade zimperlich zur Sache. Hier wurde ordentlich Kunstblut eingesetzt und Cüneyt Arkin darf ganz ungeniert seinen gestählten Körper dazu einsetzen, die Bösewichte möglichst grafisch über den Jordan zu schicken. Die Inszenierung lässt zwar hier und da zu wünschen übrig aber bis auf eine umdekorierte Sporthalle, kann sich auch die Ausstattung durchaus sehen lassen. Auch wenn Arkin sehr bemüht ist, die Mimik und Gestik Bruce Lees in den Kampfszenen zu channeln, so richtig überzeugend ist er nicht, was aber letztendlich auch den Spaß am Film ausmacht.

Die DVD aus dem Hause Cargo Records zeigt den Streifen erstmals ungekürzt auf Scheibe. Das Master stammt von einer gut erhaltenen Filmkopie, die bereits in den USA für einen HD-Transfer genutzt wurde. Diese war allerdings leicht gekürzt. Für die deutsche Ausgabe wurden die wenigen Fehlstellen wieder integriert, zwar in schwacher VHS-Qualität aber immerhin guckbar. Bonusmaterial ist nicht vorhanden.

Fazit:
Cargo Records veröffentlicht ja so manchen Unfug und mit LION MAN – DIE TODESKRALLE AUS ISTANBUL (1975) ist ihnen ein weiterer Coup gelungen. Der krude Abenteuer-Historien-Action-Schinken ist unfreiwillig komische Unterhaltung, die bei einer schneidigen Laufzeit von 80 Minuten ziemlich Laune macht. Für Trash-Gourmets empfehlenswert.

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