Obwohl der deutsche Videomarkt in den 80er-Jahren boomte und auf diesem Wege auch viele ältere Filme endlich ihre deutsche Premiere erfahren haben, war das deutsche Fernsehen immer noch für Überraschungen gut und präsentierte regelmäßig Filme, die man sonst nirgendwo sehen konnte. „Das alte finstere Haus“ war so ein Film und feierte im Mai 1970 seine deutsche Erstaufführung auf ARD. Seit den 90er-Jahren verschwanden leider immer mehr ältere Filme aus dem Programm der Fernsehsender und so konnte man froh sein, wenn man noch eine gute Aufnahme davon auf VHS hatte. Nun hat sich KOCH FILMS William Castles einziger Co-Produktion mit HAMMER FILMS angenommen und präsentiert den Film in neuem Glanz als Nummer 2 der William Castle Collector´s Collection. Freunde altmodischer Gruselfilme dürften entzückt sein, aber allzu viel Grusel sollte man besser nicht erwarten, denn der Film ist auch nach damaligem Stand sehr harmlos und altbacken – “Not too spooky“. Einen gewissen Charme kann man ihm aber keineswegs absprechen und allein die Produktionsgeschichte ist recht interessant.

Originaltitel: The Old Dark House

Regie: William Castle

Darsteller: Tom Poston, Robert Mortley, Janette Scott, Joyce Grenfell, Mervyn Johns

Artikel von Holger Braasch

Der junge Amerikaner Tom Penderel (Tom Poston) soll dem exzentrischen Casper (Peter Bull) ein Auto in ein englisches Schloß liefern. Dort angekommen trifft er gleich dessen seltsame Verwandschaft. Wegen eines Testaments, welches ein alter Vorfahre (seines Zeichens ein gefürchteter Pirat) vor seinem Tod festgelegt hat, muss sich die gesamte Sippschaft ständig im Haus aufhalten, da sonst das Erbe verfällt. Schon vor Toms Ankunft segnet Casper das Zeitliche, aber da ist noch sein Zwillingsbruder Jasper (ebenfalls Peter Bull), doch der weiß dummerweise nichts von dem Deal, den sein Bruder mit Tom abgeschlossen hat. Nun ja, da ist es auch nicht so schlimm, dass gleich bei Toms Ankunft das neue Auto von einer schweren Löwenstatue geschrottet wurde, die von einem Balkon des Hauses gefallen war. Zufall? Jedenfalls fällt schon bald der nächste Verwandte einem heimtückischen Mordanschlag zum Opfer und auch Tom muss aufpassen, dass er nicht der Nächste ist, der über die Klinge springt. Wie heißt es so schön? Mitgefangen, mitgehangen! Tom will hinter die mysteriösen Vorgänge kommen, doch wem kann er trauen? Roderick (Robert Morley) ist ein begeisterter Waffennarr, pflegt zudem einen etwas makaberen Humor und ist somit schon mal äußerst verdächtig. Die Mutter des Hauses (Joyce Grenfell) strickt von morgens bis abends, doch sie weiß eigentlich selber nicht, was sie da so zusammenstrickt. Jedenfalls hat sie stets ein Grinsen im Gesicht – soviel gute Laune ist schon wieder gruselig. Cecily (Janette Scott) scheint die Unschuld in Person zu sein, Morgana (Fenella Fielding) macht sich hingegen gleich an den feschen Amerikaner ran, was ihr grobschlächtiger Vater gar nicht gerne sieht und Tom am liebsten den Schädel einschlagen würde. Potiphar (Mervyn Johns) bastelt gar an einer Arche, mit der er sich und seine Tiere vor der Sintflut retten will. Und tatsächlich hat Potiphar einen ganzen Zoo in seiner Baracke.

Die Geschichte von The Old Dark House stammt ursprünglich aus einem 1927 erschienenen Roman des britischen Schriftstellers John Boynton Priestley. Erstmals verfilmt wurde sie 1932, von James Whale. In der Hauptrolle war damals Boris Karloff zu sehen. Seitdem wurde der Stoff immer wieder mal von Filmemachern aufgegriffen und variiert. Man denke da z. B. an Pete Walkers Haus der langen Schatten (1983) und auch William Castle legte schon mit Das Haus auf dem Geisterhügel (1959) einen Film vor, der viele Ähnlichkeiten aufweist. Die einzige offizielle Neuverfilmung ist jedoch Das alte finstere Haus (1963) und beinahe hätte es im selben Jahr gleich zwei Neuverfilmungen gegeben, denn sowohl William Castle, als auch die Hammer Films kamen fast gleichzeitig auf die Idee, den Stoff neu zu interpretieren. In diesem Fall erfuhr der Produktionschef der Hammer Films von dem Vorhaben des amerikanischen Kollegen und schlug ihm vor, das Projekt gemeinsam anzugehen. Auch noch interessant (aus Wikipedia): Die Zeichentrick-Titelsequenz von Das alte finstere Haus wurde von Chas Addams geschaffen, dem Erfinder der Addams Family, der ein großer Fan der 1932er-Verfilmung von The Old Dark House war. Das im Vorspann von Addams gezeichnete Haus ähnelt dann auch viel eher dem Wohnsitz der Addams Family als dem später im Film tatsächlich gezeigten Schloss.

Mit diesem Film ergab sich für William Castle die einmalige Chance in England zu drehen und mit einem größeren Budget zu arbeiten. Doch die Freude war nur von kurzer Dauer, denn während des Drehs kam es zu einem Handwerker-Streik, wodurch die Dreharbeiten nicht gerade reibungslos verliefen. Außerdem krankte das Drehbuch an einer unausgewogenen Mischung aus Humor und Grusel, wobei der Humor dominierte und sich vorwiegend auf harmlose Witzeleien beschränkte, die leider selten ins Schwarze treffen. Zu allem Überfluss wurde der Film dann auch noch äußerst unglücklich vermarktet. Der amerikanische Verleih hielt es für eine gute Idee, den ursprünglich in Farbe gedrehten Film in Schwarz/Weiß herauszubringen, um Kosten für die Kopien zu sparen. In England kam der Film erst 1966 in die Kinos. Zwar in Farbe, aber um ca. 9 Minuten gekürzt. Eigentlich hatte man mit einer Freigabe für die ganze Familie gerechnet, doch die BBFC wollte dem Film nicht einmal eine Erwachsenen-Freigabe in ungekürzter Form erteilen. Grund hierfür war unter Anderem eine Einstellung, in der die Mutter des Hauses tot im Sessel sitzt, wobei zwei Stricknadeln in ihrem Hals stecken. Das klingt wesentlich heftiger, als es letztendlich ist, zumal sie dabei auch noch ein Lächeln im Gesicht hat. Für William Castle erwies sich Das alte finstere Haus jedenfalls als Misserfolg, den er in seiner Autobiografie Step Right Up!: I’m Gonna Scare The Pants Off America nicht einmal erwähnte.

Wie gesagt, kommt William Castles Verfilmung des klassischen Stoffes viel zu bieder und harmlos daher, um wirklich jemanden hinter dem Ofen hervorzulocken. Inszenierung und Schauspiel sind auch für die Entstehungszeit recht hölzern. Das alte finstere Haus ist ein Film, den man sich an einem verregneten Sonntag ansehen kann, am besten mit Kaffee und Kuchen. Und ich kann nur empfehlen, ihn sich in der Farbversion anzuschauen, denn dort kommt die prachtvolle Ausstattung schön zur Geltung. Hier hat Hammer Films dem Film seinen Stempel aufgedrückt und man rechnet eigentlich jeden Moment damit, dass ein Mr. Cushing, oder ein Mr. Lee mal kurz vorbeischaut. Auch die Darsteller bestechen durch ihr charmantes Overacting, wobei der amerikanische Schauspieler Tom Poston etwas steif wirkt und vom restlichen Ensemble glatt an die Wand gespielt wird. So muss sich Tom Poston am Ende tatsächlich vorgekommen sein, wie im alten finsteren Haus, umgeben von skurrilen Gestalten. Diese skurrile Art ist es auch, die den Film durchaus liebenswert und unterhaltsam macht.

Die Collector’s Edition kommt im schicken Mediabook auf Blu-ray und DVD. Beim Hauptfilm kann man zwischen der Farbversion und der Schwarz/Weiß-Version auswählen. Im Bonusmaterial gibt es ein informatives und aufschlussreiches Interview mit dem britischen Autor und Schauspieler Jonathan Rigby unter dem Titel Not too spooky. Außerdem ein Interview mit dem britischen Filmwissenschaftler Dr. Paul Frith, eine Bildergalerie mit 29 Fotos, Trailer (deutsch und englisch) und den alten deutschen Vorspann. Zum Hauptfilm und auch zu den Interviews gibt es optionale deutsche Untertitel.

Trailer:

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