Tiberius Film, wir hatten eine holprige Vergangenheit. Ihr seid wieder da, und ich auch. Meine erste Rezension nach langer Pause befasst sich mit einem düsteren Werk, das den Leidensweg eines jungen Mädchens beschreibt, dem man den Bund mit dem Teufel andichtet. Ordentliche Gruselkost, oder ist die Pest, welche zentrales Thema in dem britischen Film ist, die einzig bedrohliche Sache an „The Cleansing“?

Originaltitel: The Cleansing

Regie: Antony Smith

Darsteller: Rebecca Aycock, Rhys Meredith, Simon Nehan, Luke Bailey

Artikel von Victor Grytzka 

Filme, die sich durch geschichtliche Ereignisse inspirieren lassen, sind mir grundsätzlich erst mal sympathisch. Die Pest ist zudem ein Thema, welches mich schon immer auf eine bizarre Weise fasziniert hat. War es doch eine Zeit, in der man Krankheiten häufig nicht mit Wissenschaft und Logik begegnete, sondern solche Seuchen gerne als Teufelszeug und das Werk von dunklen Mächten betrachtete. Wenn die Kirche und deren Vertreter solch abstruse Kunde verbreiteten, dann glaubte die (in der Regel) eher schlecht gebildete Bevölkerung diese wilden Thesen. Dies macht sich „The Cleansing“ zum Aufhänger seiner Geschichte.

Wales im 14. Jahrhundert. Die schweigsame Alice (Rebecca Aycock) muss mit ansehen, wie ihre an der Pest erkrankte Mutter vom Läuterer der Region umgebracht wird. Nun sieht der Dorfpriester Thomas (Rhys Meredith) seine Chance gekommen. Er begehrt das hübsche Mädchen und verspricht ihr seinen Schutz, wenn sie sich ihm hingibt. Doch Alice wehrt sich und muss ab nun Höllenqualen durchleiden. Der Geistliche hetzt das Dorf gegen das Mädchen auf und bezichtigt sie der Hexerei. Nach einigen Tagen der Folter und Demütigung kann Alice fliehen und trifft im Wald auf einen einsamen Kräuterkundler, der sich fortan um sie kümmert und ihr sein Wissen vermittelt. Doch der Frieden trügt…

Zunächst einmal möchte ich eine Sache klarstellen. Bei „The Cleansing“ handelt sich nicht um einen Horrorfilm wie ihn wohl viele Leute erwarten würden. Wer also auf der Suche nach einem blutigen Thrill ist, der sollte hier gar nicht erst weiterlesen. Wer jedoch offen ist für interessante Filme die sich abseits der ausgetretenen Genre-Pfade bewegen, der könnte großen Gefallen an diesem Werk finden.

Einen Großteil der Laufzeit versucht der Film gar nicht erst ein Horrorfilm zu sein. Zunächst bekommen wir eine ausgedehnte Geschichte über Alice und die Dinge, die ihr in ihrem jungen Alter angetan werden. Dabei zeichnet sich ein Bild dieser jungen Frau, die durch eine Verkettung unschöner Ereignisse zu einem Menschen geworden ist, der sich bewusst von der Gemeinschaft in der sie lebt abschottet. Dies ruft natürlich die Vorurteile der Dorfbewohner auf den Plan, die die wildesten Theorien darüber spinnen, was mit diesem Mädchen los ist. Ihr Leidensweg verschlimmert sich und dann bekommen wir den ersten Bruch im Film. Aus dem Drama, welches sich im ersten Drittel als Handlungschwerpunkt abzeichnet, wird ein eher stiller Film der nun einen neu gewonnenen Freund an der Seite von Alice vorstellt. Dieser fungiert auf sympathische Weise als Vaterfigur und Lehrmeister, der das Mädchen sogar aus ihrer selbst auferlegten Isolation lockt und ihr so etwas wie Lebensfreude schenkt.

Und wo bleibt da der angepriesene Horrorfaktor? Der kommt, und wie! In den letzten 30 Minuten des Films gibt es zunächst eine recht vage Sequenz,in der die Vergangenheit der jungen Alice beleuchtet wird und die erklärt, warum einige der Dorfbewohner dem Mädchen gegenüber so misstrauisch sind. Dem folgt eine unvorhersehbare Wendung in der Geschichte die in einem herrlichen Finale mündet, das vor Zynismus und makaberen Ereignissen nur so strotzt. Interessant – zu keiner Zeit verliert man dabei die zuvor aufgebauten Sympathien für Alice. Der große Clou dabei? Die Geschichte lässt offen ob man es hier dann wirklich mit übernatürlichen Ereignissen zu tun hat, ober ob das Ganze eine Folge der Ereignisse… Nein, mehr kann ich dazu nicht schreiben, das würde in den Spoilerbereich rutschen.

Der Produktion an sich kann man relativ wenig vorwerfen. Natürlich sieht man dem Film bis zu einem gewissen Grad sein kleines Budget an. Die Sets sind recht simpel, aber effektiv, und unterstreichen die trostlose und finstere Stimmung der Geschichte. So ist auch die Farbgebung des Films durchweg gedämpft, grau und hoffnungslos gehalten. Ein Kritikpunkt, an dem sich manch ein Zuschauer stören könnte ist der Umstand, dass der Film auf digitalem Wege gedreht wurde. Das sieht man klar und deutlich. Dennoch sieht es nicht nach Soap Opera aus, sondern eher wie ein üblicher TV-Film. Untermalt wird „The Cleansing“ von einem passenden Soundtrack der Marke „Alt trifft modern“, der die gezeigten Szenen perfekt unterstreicht. Der Cast spielt insgesamt überzeugend, besonders hervorheben möchte ich dabei Rebecca Aycock, die in der Hauptrolle den Film über weite Strecken trägt und interessant macht. Ihre Darstellung haucht dem Charakter des Mädchens Leben ein.

Bild und Ton sind absolut zufriedenstellend. Bildschärfe, Kontraste, Details, Farbgebung, differenzierte Klangabmischung. Hier passt alles! Die deutsche Synchro ist erfreulicherweise gelungen und gibt keinen Grund zur Klage. In der Verkaufsversion liegt der deutsche und englische Ton in Dolby DTS bzw. DTS-HD 5.1 vor. Zu Extras ist mir zu diesem Zeitpunkt nichts bekannt.

Tiberius – gut gemacht. Ein solider Film in solider Qualität. Wird er den Weg in meine Sammlung finden? Aber definitiv! Wer mit ungewöhnlichen Gruslern etwas anfangen kann, und gerne auch mal etwas Tempo rausnimmt, der sollte einen Blick riskieren. Für mich – als jemand der die Lehren der Kirche schon immer für grenzwertig hielt – sogar so etwas wie eine kleine Genugtuung. Abgerechnet wird zum Schluss, und das gelingt hier ohne Zweifel.

Trailer:

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