Neun Jahre bevor M. Night Shyamalan mit THE SIXTH SENSE das verkapselte Mystery-Filmrätsel etablierte, schickte Adrian Lyne den Vietnam-Veteran Jacob Singer durch einen Alptraum, der bis heute noch zur stilistischen Oberklasse gehört und sich nur wenige Schwächen leistet. An der Kinokasse ein Flop, geriet JACOB´S LADDER später zu einem Filmtipp für alle, die einen rätselhaften Psychothriller mit überraschendem Ende sehen wollten. KOCH FILMS brachte den Klassiker des Genres nun als Mediebook heraus und es stellt sich nun die Frage, ob der Streifen gut gealtert ist.
Regie: Adrian Lyne
Darsteller: Tim Robbins, Elizabeth Peña, Danny Aiello, Ving Rhames, Pruitt Taylor Vince
Artikel von Kai Kinnert
Vietnam-Veteran Jacob Singer (Tim Robbins) führt ein ruhiges Leben als Mitarbeiter bei der Post in New York. Eines Tages häufen sich die Erinnerungen an seine Vergangenheit – an seine Verwundung im Krieg, seine frühere Ehe und seinen verstorbenen Sohn. Dabei wird Jacob von schrecklichen Visionen geplagt: Er wird von gesichtslosen Dämonen, Teufelsfratzen und seltsam verstümmelten Monstern verfolgt. Verzweifelt versucht Jacob, die Ursache für sein Leiden zu finden. Und trifft dabei auf weitere Veteranen, die über das gleiche Leid klagen. Bei ihren gemeinsamen Nachforschungen kommt heraus, dass Jacobs Kompanie von der US-Regierung unter Drogen gesetzt wurde, um ihre Leistungsfähigkeit zu steigern. Mit fatalen Konsequenzen.
In Vietnam geht der Spaß los. Eben sitzt Jacob Singer noch mit seinem Kameraden beim Essen irgendwo im Dschungel, schon wird man angegriffen und die Einheit zu den Waffen gerufen. Doch was ist das? Der Kampf entwickelt sich zu einem grauenhaften Chaos und Kameraden fallen mit Schüttelkrämpfen zu Boden. Im Fog of War ist kein klarer Gegner zu erkennen, trotzdem knallt und kracht es an allen Ecken und Kanten. Jacob Singer flüchtet in den Dschungel und bekommt vom Feind das Bajonett in den Bauch gestoßen.
Harter Schnitt. Jacob Singer wacht in der New Yorker U-Bahn auf. Der Wagon ist verdreckt, die Lichter blitzen und bis auf zwei weitere Passagiere ist der Wagon leer. „Drogen sind die Hölle“ steht auf irgendeinem Werbeschild. Im Flackern des Lichtes erkennt Singer seltsames, doch bevor die Situation zu unheimlich wird, hält die U-Bahn und Singer steigt aus. Geplagt von Flashbacks, die sich Singer zu diesem Zeitpunkt noch nicht erklären kann, gerät sein Leben zur Hölle. Und je mehr Singer versucht, eine Erklärung für die Visionen und Dämonen zu bekommen, um so schlimmer wird es. Es scheint kein Entkommen zu geben.
Adrian Lyne hat hier mit seinem Team alles gegeben. Angefangen bei der Story. Das Drehbuch liefert von der ersten Minute an permanente Hinweise zur Auflösung, nur um diese dann im gleichen Augenblick wieder zu verwischen. Die Handlung ist ein Paradoxon, sie enthält mehrere Zustände der Auflösung in einem Augenblick und spielt so mit dem Zuschauer, dem im Laufe der Zeit immer mehr der Boden der Erkenntnis entzogen wird – solange, bis man wie Jacob Singer verloren ist. Das Spiel mit der Ungewissheit könnte dem Zuschauer den letzten Nerv rauben, gäbe es da nicht diesen ausgetüftelten Sog an Ereignissen und gäbe es da nicht Tim Robbins, der in diesem Filmrätsel zur schauspielerischen Höchstform aufgelaufen ist.
Es liegt an Tim Robbins, dass die Story am Ende so gut funktioniert und aus dem Film kein kalter Psychothriller geworden ist. Aber auch der Rest der Besetzung ist gut gewählt worden und macht so diesen Film trotz seines Mysteriums nahbar. Obwohl der Film vor 30 Jahren gedreht worden ist, wirkt das Schauspiel frisch und jeder scheint auf dem Höhepunkt seines Könnens zu sein.
Aber auch der optische Stil kann bis heute mithalten. Kameramann Jeffrey L. Kimball (Top Gun, 1988) zeigt sich hier von der besten Seite und liefert gleich mal die beste Kameraarbeit seiner Karriere ab. Dazu kommt ein guter Schnitt und die Idee mit den Stroboskop-Aufnahmen, die Adrian Lyne kunstvoll nutzt, um kurze Schocks einzubinden oder mit dem Schwarzbild zu arbeiten. Raffiniert. Eine der besten Szenen in dem Film ist das Krankenhaus, durch das Jacob Singer auf der Trage liegend gerollt wird. Die Kamera klebt an Jacob Singer und man begreift langsam, dass das Krankenhaus zerfallen ist und sich Singer auf einer Fahrt in die Hölle befindet. Das ist grandios inszeniert, perfekt gefilmt und noch nicht das Ende des Films, der voll von optischen Spannungsmomenten ist und eine geschlossene Atmosphäre vorweisen kann.
Jacob`s Ladder ist definitiv gut gealtert. Es ist überraschend, wie zeitlos gut Adrian Lyne diesen Film inszeniert hat, was man von seinen anderen Filmen nicht unbedingt behaupten kann. Auch wenn man das Ende des Films schon kennt, lohnt sich ein erneutes Sehen. Die Reise von Jacob Singer ist ein spannender Mysterythriller mit Horrorelementen und wer den Streifen noch nicht kennt, darf hier getrost zuschlagen. Der Film ist gutes Kino.
Das Bild ist gut, der Ton ebenso. Als Extras gibt es einen Audiokommentar, ein Making of, entfallene Szenen, Trailer und eine Bildergalerie.
Trailer: