„Alt, aber oho!“ war wohl das Motto von Regisseur Joe Begos, als er eine Reihe betagter Recken um sich scharrte, um sie nochmal so richtig die Sau und auch den roten Lebenssaft rauszulassen. Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit heißt VFW – VETERANS OF FOREIGN WARS (2019) und wurde von eingefleischten Fans kerniger und wenig zimperlicher Genre-Ware heiß erwartet. Capelight Pictures hat dem Streifen eine ordentliche Veröffentlichung bedient, die wir zum Anlass nehmen, um zu prüfen, ob das Splatter-Fest mit Stephen Lang, Fred „The Hammer“ Williamson, William Sadler und Co. mehr ist, als nur eine reine Gore-Show!
Originaltitel: VFW
Drehbuch: Max Brallier, Matthew McArdle
Regie: Joe Begos
Darsteller: Stephen Lang, William Sadler, Martin Kove, Fred Williamson, Sierra McCormick, Tom Williamson, David Patrick Kelly, Travis Hammer…
Artikel von Christopher Feldmann
Retro ist in Mode, lang lebe der Retro-Fetischismus. So oder so ähnlich lautete wohl das Argument, welches die Produzenten dazu veranlasste, einen Film wie VFW (2019) auf das Publikum los zulassen, immerhin hat schon Sylvester Stallone bewiesen, dass die Vereinigung zahlreicher Helden aus vergangenen Tagen, in denen Männer noch Männer sein durften, durchaus gewinnbringend ist. Regisseur Joe Begos, der bereits mit den Horrorfilmen BLISS (2019) und THE MIND’S EYE (2015) auf sich aufmerksam machte, backt in diesem Fall etwas kleinere Brötchen, waren die großen Namen wahrscheinlich zu teuer und eine Materialschlacht wie bei THE EXPENDABLES (2010) schlichtweg nicht möglich. So oder so wird es Begos auch egal gewesen sein, denn sein neuester Streifen richtet sich nämlich voll und ganz an ein Nischenpublikum, an diejenigen, die mit den schmutzigen und selten weich gespülten B-Movies aus den Videotheken aufgewachsen sind. Dabei macht der kurzweilige Belagerungs-Actioner keine Gefangenen und präsentiert sich als grobkörniger, ausgesprochen brutaler Genre-Streifen irgendwo zwischen ASSAULT ON PRECINCT 13 (1976) und FROM DUSK TILL DAWN (1996). Das ist zwar zu keiner Zeit wirklich originell, bietet aber 90 Minuten straight gute Laune.
Handlung:
Der Abend hätte so schön werden können. Barbesitzer Fred (Stephen Lang) versammelt in seiner schummrigen Veteranenkneipe „VFW“ regelmäßig ehemalige Kriegskollegen, nicht nur um in alten Zeiten zu schwelgen, sondern um sich auch ordentlich einen hinter die Binde zu kippen. Mit von der Partie sind stets seine Kumpels Walter (William Sadler), Abe (Fred Williamson) und Lou (Martin Kove) und gerade heute sollte der Abend besonders launig werden, es ist immerhin Freds Geburtstag. Die freudige Theken-Runde wird aber sofort gesprengt, als die junge Lizard (Sienna McCormick) in das Lokal stürmt. Diese hat nämlich soeben dem gefährlichen Gangleader Boz (Travis Hammer) einen Haufen wertvoller Drogen gestohlen, weshalb nun eine Horde durchgeknallter Junkies Jagd auf die Diebin macht. Und weil die alten Recken nicht tatenlos zusehen wollen, verwandelt sich Freds Etablissement schnurstracks in ein Schlachtfeld, auf dem die betagten Jungs ihren Gegnern alles entgegensetzen, was der Schankraum zu bieten hat.
Joe Begos scheint ein ziemlich großer Fan von Horror- und Suspense-Maestro John Carpenter zu sein, zumindest war der HALLOWEEN-Schöpfer sichtlich Vorbild für diese raubauzige Schlachtplatte, die seit Kurzem im Heimkino erhältlich ist. Schon der pumpende Synthie-Score zu Beginn macht schnell klar, dass hier mit der Nostalgie-Kelle geschöpft wird und auch ansonsten ist VFW eine Ode an vergangene Tage. Die Handlung um mehrere, teils zusammengewürfelte Charaktere, die sich auf begrenztem Raum gegen eine Übermacht zur Wehr setzen müssen, ist ganz klar vom Eingangs erwähnten ASSAULT ON PRECINCT 13 (1976) inspiriert, ein Frühwerk Carpenters. Wenn Fred und Abe im alten Pick-Up durch die Straßen fahren, die mehr einem gewalttätigen Moloch gleichen, werden Erinnerungen an das Vater-Tochter-Gespann aus Carpenters Meisterwerk wach, die sich in einer ähnlichen Situation befinden. Gepaart mit dem Score und dem grobkörnigen Look, der sich bewusst an die ganzen alten Videotheken-Schocker anbiedert, sollte spätestens jeder wissen, dass das hier eine ganz klare Nostalgie-Veranstaltung ist.
So ist der Film auch letztendlich frei von Überraschungen. Nicht falsch verstehen, VFW geht straight forward und hält nicht lange mit unnötigen Kinkerlitzchen hinterm Berg, wirklich eigene Ideen bringt das Drehbuch von Max Brallier und Matthew McArdle aber nicht mit ein. Der rudimentäre Plot kommt schnell zur Sache und es wird bis zum Schluss gemetzelt, dass kein Gras mehr wächst. Das ist schwer unterhaltsam aber auch auf Dauer etwas fad, kommt man doch nicht drum herum, den Streifen eben mit Carpenters Geniestreich zu vergleichen, der zwar kein Gore-Fest ist aber in Sachen Spannung und Wirkung deutlich mehr zu bieten hat. Was mich besonders stutzig macht, ist die Tatsache, dass man hier auf Veteranen, also ehemalige Soldaten vergangener Kriege, als Protagonisten zurückgreift, dieses Element aber so gut wie nie richtig ausgespielt wird. Stattdessen gibt es ein paar trockene Sprüche und eine launige Anekdote von William Sadler, die Charakter an sich und deren Hintergründe sind aber letztendlich völlig egal.
Vielleicht ist es aber auch nur ein Vorwand, um zu rechtfertigen, das alte Männer jenseits der 70 nochmal aufs Gaspedal treten. Wahrscheinlich ist es Letzteres, immerhin ist das hier ein lupenreines B-Movie für ein bestimmtes Publikum. Und genau dieses dürfte bei der Besetzung freudig in die Händeklatschen. Stephen Lang, der sich in den letzten Jahren durch Erfolge wie AVATAR – AUFBRUCH NACH PANDORA (2009) und DON’T BREATHE (2016) wieder einem größeren Publikum bekannt machen konnte, ist als knurriger Wirt eine wahre Freude. Mit trockenen Kommentaren und erstaunlich guter Körperlichkeit darf der Mime hier vom Leder ziehen. Ebenso spaßig ist die Performance von William Sadler, der schon in STIRB LANGSAM 2 (1990) Bruce Willis das Leben schwer machte und hier sichtlich Spaß an seiner Rolle hat. Der Dritte im Bunde ist Martin Kove, über den ich mich wirklich gefreut habe und der als einziger eine etwas ambivalentere Rolle inne hat. Schauspielerisch macht der KARATE KID-Bösewicht einen guten Job und kann mit den restlichen Jungs mithalten. Und dann ist da natürlich Blaxploitation-Legende Fred „The Hammer“ Williamson, der einfach ein Fels der Coolness ist und stets mit Zigarre das gute alte Macho-Image der 1970er Jahre verkörpert. Allerdings ist er auch der einzige der Gruppe, der wirklich etwas hüftsteif wirkt, besonders in den actionreichen Momenten merkt man dem Schauspieler seine 82 Lenze durchaus an. Es sei ihm verziehen, immerhin haben viele Menschen in diesem Alter nicht mal mehr die Kraft, überhaupt das Bein zu heben.
Inszenatorisch tobt sich Regisseur Begos ebenfalls aus und kreiert ein Potpourri aus bekannten und wohl verdienten Zutaten, die bereits vor 40 Jahren eine leckeres Gericht gebildet haben. Auch VFW schmeckt, kommt aber weitem nicht so tight und druckvoll daher, wie vergleichbare Werke, was vermutlich am Budget und am Alter der Darsteller liegen mag. Die ranzige Bar von Fred muss als Setting reichen, ansonsten bekommt nur einen Parkplatz und ein paar einsame Straßen zu sehen. Auch in Sachen Action muss man sich mit einfachen Keilereien zufrieden geben. Hier müssen es eben die Gore-Effekte richten, die, Gottseidank, nicht wie bei anderen Produktionen aus dem Rechner stammen, sondern noch echte handgemachte Effektkunst bieten. VFW ist ziemlich brutal, Gliedmaßen werden abgerissen, Köpfe platzen und auch ansonsten fließt das Blut in Strömen. Ein echtes Splatter-Fest, welches in der unzensierten Fassung vor ein paar Jahren NIE durch die FSK gekommen wäre. Vor zehn Jahren wäre das Ding sogar ein heißer Kandidat für die Liste B gewesen.
Capelight Pictures hat dem Film eine schicke Veröffentlichung spendiert, denn neben der DVD und der Blu-Ray, ist auch ein 2-Disc-Mediabook erschienen, welches neben der blauen Scheibe auch eine UHD-Disc beinhaltet. Uns lag die einfache Blu-Ray vor und auch hier sind Bild- und Tonqualität erste Sahne. Auch in Sachen Extras hat VFW etwas mehr als der Durchschnitt zu bieten. Neben zwei Audiokommentaren, bietet die Veröffentlichung noch ein Making-Of, mehrere Featurettes, die sich unter anderem mit den Effekten beschäftigen und den Trailer. Ein ausführliches, 24-seitiges Booklet gibt es allerdings nur in der Mediabook-Variante.
Fazit:
Mit VFW – VETERANS OF FOREIGN WARS (2019) bekommt der blutdurstige Genre-Fan eine unterhaltsame, kurzweilige Schlachtplatte geboten, in der verdiente Recken nochmal ordentlich auf die Pauke hauen, verpackt in einen schmackhaften Retro-Look. Wirklich Neues sollte man hier jedoch nicht erwarten, Joe Begos vermischt altbekannte Zutaten zu einem schmackhaften Gericht, welches immer wieder zu sehr Hommage ist aber kurzweilige Unterhaltung bietet!
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