„Weiche, Satanas!“ – Wenn wir ehrlich sind, überzeugt DER EXORZIST heute zwar noch durch Atmosphäre, gute Schauspieler und einen tollen Mike Oldfield-Song, doch ernstnehmen kann man den Film heute nicht mehr so recht. Da bedarf es schon ernsterer Herangehensweisen wie anno 2005, als DER EXORZISMUS DER EMILY ROSE das Licht der Welt erblickte. EUROVIDEO bringt uns nun ein weiteres Werk über die christliche Teufelsaustreibung ins Heimkino, was eine gesunde Skepsis in mir hervorrief. Doch ich kann beruhigt Entwarnung geben, denn THE CLEANSING HOUR, wie der Film im Original heißt, geht nicht nur äußerst selbstironisch mit dem Hokus Pokus um, er überzeugt auch durch eine spannende Geschichte und bietet einen Knaller als Auflösung. Lest selbst…
Originaltitel: The Cleansing Hour
Regie: Damien LeVeck
Darsteller: Ryan Guzman, Kyle Gallner, Alix Angelis, Chris Lew Kum Hoi, Emma Holzer
Artikel von Christian Jürs
Startet man Exorzismus 2.0, so bekommt man in den ersten Minuten genau dass, was ich bereits im Einleitungstext befürchtet hatte. Ein kitschiger Langhaarpriester namens Max (Ryan Guzman), der irgendwie an den C-Film Helden Lorenzo Lamas erinnert, benutzt genau die Platitüden eines schlechten Exorzistenfilms, die man gewohnt schon so oft gehört hat. „Weiche aus diesem Körper, Kreatur der Hölle“ und so´n albernen Kram bekommt man aus seinem Mund um die Ohren, als er gleichzeitig von einem geifernden und gefesselten Besessenen auf das Übelste beschimpft wird. Zu diesem Zeitpunkt kräuselten sich mir die Nackenhaare und der Gedanke keimte in mir, dass es womöglich doch keine so gute Idee war, diesen Film besprechen zu wollen. Nützt aber alles nichts. Ein Mann, ein Wort. Da muss ich jetzt durch.
In dem Moment des festen Entschlusses, sich von einem Film, der weniger nackte Haut als Magdalena – Vom Teufel besessen aufweisen dürfte, jedoch genau so albern sein Thema behandeln würde, nicht unterkriegen zu lassen, geschah ein kleines Wunder.
Nein, ich hatte keine göttliche Erscheinung. Es war der Film, der plötzlich und unerwartet überraschte und die Kurve bekam. Denn der ganze Mumpitz outet sich nach kurzem Opener als emsig gestellte Internetshow, in der wirklich alles Fake ist (bis auf die Highlander Frisur des Exorzisten). Max ist kein Mann Gottes, sondern ein Schauspieler, der unter der Regie seines besten Freundes Drew (Kyle Gallner), die Rolle des Heiligen bloß spielt. Die Pyrotechnik erledigt dann den Rest. Nach außen hin glauben die Fans den Hokus Pokus, doch reichen die Klickzahlen bislang nicht für den ganz großen Durchbruch.
Der kommt dann aber schneller als gedacht, als eines Abends der engagierte Darsteller des nächsten „vom Dämon besessenen“ nicht erscheint. Mit viel Überredungskunst bringt Drew seine Freundin Lane (Alix Angelis) dazu, die Rolle zu übernehmen. Und so wird sie auf einen Stuhl gefesselt, der vor den Kameras positioniert ist. Mit dem Start der Aufnahme reagiert Lane zunächst nicht, wie es im Drehbuch vorgesehen ist. Da sie allerdings ein gespaltenes Verhältnis zu Max hat, glauben die Anwesenden zunächst, sie wolle den Internetpriester lediglich nervös machen. Doch dann erhebt sie ihr Haupt und wir blicken in eine schreckliche, dämonische Fratze, die mit gruseliger Stimme zu den Anwesenden spricht und außerdem äußerst aggressiv agiert. So verpasst sie dem verdutzten Max zunächst eine Kopfnuss, die ihn zu Boden wirft. Als sich dann noch Gegenstände, die nicht von der Crew präpariert wurden, selbstständig machen, ist den Anwesenden klar, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen vorgehen kann. Die Cleansing Hour, wie die Show genannt wird, mutiert zur wahren Horrorveranstaltung für die Macher, bei der die Crew hinter den Kulissen nach und nach von Dämonen-Lane exekutiert werden. Max und Drew versuchen verzeifelt, den Namen des Dämonen zu erfahren, um so über Hilfe im Internet die korrekte Exorzismusvariante zu wählen, damit Lane gerettet werden kann und die Freunde auch ihren eigenen Arsch aus der heiklen Situation retten. Derweil steigen ihre Zuschauerzahlen raketenhaft in die Höhe. So hatten sich die beiden Freunde ihren Durchbruch nicht erhofft…
Wow, so kann man sich täuschen. Tatsächlich haben die Anfangsminuten einen tieferen Sinn gehabt und wurden mit dem Einblenden des fiktiven Showteasers zu The Cleansing Hour herrlich ironisch gebrochen. Alles, was darauf folgt ist absolut sehenswert, spannend und nicht vorhersehbar. Gegen Ende gibt es zwar einen etwas schwächeren Spezialeffekt zu bestaunen (ich kann aus Spoilergründen nicht genauer darauf eingehen), dafür entschädigt der Film dann allerdings mit einer großartigen Auflösung, die man so nicht kommen sieht. Zumindest nicht, wenn man zuvor nicht den Kurzfilm gleichen Namens gesehen hat, den Regisseur Damien LeVeck drei Jahre zuvor realisierte. Damals drehte er auch Szenen mit zwei koreanischen Cops (Juun-ho Huh & Wanhi Lee), von denen einer sich einer der beiden im Streifenwagen auf dem Handy die Show verfolgt. Diese Szenen wurden 1:1 aus dem Kurzfilm übernommen. Alles andere wurde neu gedreht mit anderen Darstellern und ausführlicherer Geschichte. Ich habe mir den Kurzfilm im Anschluss im Internet angesehen und kann verlauten, dass beide Varianten wunderbar funktionieren.
Leider ist der Kurzfilm nicht im Bonusmaterial der Blu-ray und DVD enthalten, hier findet man lediglich den Filmtrailer. Der Hauptfilm ist in deutsch und englisch enthalten, hat eine gute Bild- und Tonqualität vorzuweisen und wurde ordentlich synchronisiert.
So geriet Exorzismus 2.0, bei dem der deutsche Titel sogar recht passend ist, zu einer großen, positiven Überraschung. Eine Special Edition mit der Kurzfilmvariante wäre wünschenswert.