Die jüngste Vergangenheit hat das Ansehen der US-Amerikanischen Polizei stark beschädigt und unangemessene Polizeigewalt ist, ebenso wie Korruption, leider keine Seltenheit. Regisseur und Autor Joel Souza hat es sich anscheinend zur Aufgabe gemacht, den Alltag eines einfachen Streifenpolizisten in einer Großstadt wie Los Angeles nachzuzeichnen und zu zeigen, dass Richtig und Falsch nicht einfach mit Schwarz und Weiß gleichzusetzen ist. IM NETZ DER GEWALT (2019) ist jüngst über Capelight Pictures im Heimkino erschienen und ob sich der reduzierte Cop-Thriller auch lohnt, erfahrt ihr in unserer Kritik!

Originaltitel: Crown Vic

Drehbuch & Regie: Joel Souza

Darsteller: Thomas Jane, Bridget Moynahan, David Krumholtz, Luke Kleintank, Scottie Thompson, Josh Hopkins…

Artikel von Christopher Feldmann

Der tragische Todesfall von George Floyd erschütterte im Mai 2020 die ganze Welt. Wegen des Verdachts eine Schachtel Zigaretten mit einem gefälschten 20-US-Dollar-Schein bezahlt zu haben kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen Floyd und insgesamt vier Polizeibeamten, die für den Afroamerikaner tödlich endete. Einer der anwesenden Polizisten drückte dem am Boden liegenden Verdächtigen mehrere Minuten das Knie auf den Hals, bis dieser erstickte. Die Empörung war groß und die „Black Lives Matter“-Bewegung wurde ins Leben gerufen, begleitet durch zahlreiche Aufstände und Proteste gegen Rassismus und übermäßige Polizeigewalt. Ein erschreckendes Beispiel, in Folge dessen Cops oft über einen Kamm geschert werden. Oftmals wird dabei vergessen, dass die Polizeiarbeit in den USA gar nicht mal so einfach ist und es sich schwierig gestaltet, immer die richtige Entscheidung zu treffen. Joel Souza hat mit IM NETZ DER GEWALT (2019) einen Film gedreht, der sich mit dem Alltag eines gewöhnlichen Streifenpolizisten und dessen Auseinandersetzungen mit den unterschiedlichsten Problemen befasst. Im Grunde ein Plädoyer für die Arbeit als Vertreter des Gesetzes aber auch ein kritischer Blick auf Gewalt, Korruption und psychische Belastung.

Handlung:
Für LAPD-Officer Ray Mandel (Thomas Jane) ist eine Nacht von Vielen. Er tritt seine Nachtschicht in der „Olympia-Division“ der Polizei an, als Streifenpolizist in der Nacht der Engel. Erstmals bekommt er einen Rookie zur Seite gestellt, der noch in der Ausbildung ist. Nick Holland (Luke Kleintank) ist noch unerfahren und verfolgt ganz bestimmte Ideale, die sein erfahrener Kollege schon lange hinter sich gelassen hat. Gemeinsam begeben sie sich auf die Straße und müssen sich in mehreren Situationen behaupten. Von Trunkenheit am Steuer über zwei gewaltbereite Kollegen bis hin zu Copkillern, die sich auf der Flucht vor dem Gesetz befinden.

Es ist eine Ausgangssituation, die wir schon aus so ziemlich 500 anderen Filmen kennen. Ein neuer, unerfahrener Polizist, der jahrelang das Handbuch für einen pflichtbewussten Beamten studiert hat, muss sich unter die Fittiche eines älteren, grummeligen und auch abgebrühten Cops begeben und sich seine Sporen verdienen. So beginnt so ziemlich jeder Buddy-Actionfilm und so ziemlich jeder Cop-Thriller der Unterhaltungsindustrie. Auch IM NETZ DER GEWALT (2019) stellt die Weichen für einen turbulenten Kracher, wird das Ganze doch von einem bleihaltigen Bankraub eingeleitet, nach Dem sich zwei gefährliche, schwer bewaffnete Verbrecher auf der Flucht befinden.

Doch Vorsicht, IM NETZ DER GEWALT ist mitnichten ein klassischer Actionfilm, sondern mehr eine wirklich interessante Charakterstudie zweier Polizisten, die in unterschiedlichen Stadien ihrer Laufbahn stehen. Auf der einen Seite wäre da Ray, ein alter Hase, der von seinen zahlreichen Erlebnissen gezeichnet zu sein scheint und den Glauben an die Ideale seines Berufs verloren hat. Nick hingegen ist ein Frischling, frisch verlobt und werdender Vater, der es seinem Vater gleichtun und als Polizist das Gesetz vertreten möchte. Zwei Welten, die in einem Streifenwagen aufeinanderprallen, die sich viel zu erzählen haben und von einander lernen können. Als Zuschauer begleitet man die Figuren bei ihrer Schicht, eine richtige Handlung existiert eigentlich nicht, spielt sich das Geschehen doch häufig im Auto ab und hangelt sich von einer Episode zur Nächsten, in denen es die Beiden mit so allerlei Vergehen zu tun bekommen. Ein Passant, der den Streifenwagen mit einem Stein bewirft, eine betrunkene Frau am Steuer und eine verwirrte Hausfrau sind da noch die kleinen Problemchen, die in der Nacht auftreten. Wenn man aber dazu angewiesen wird, eine Todesnachricht der entsprechenden Familie zu überbringen und man sich irgendwann entscheiden muss, ob man zu den Gunsten eines Kollegen aussagt, kommen die ersten Zweifel an der eigentlich guten Sache ins Spiel.

Der Film konzentriert sich auf die klassische Polizeiarbeit, die ihre Tücken hat. So wird des öfteren die Moral-Frage gestellt, Zweifel am System werden laut und die Angst vor Verletzungen sind allgegenwärtig. Allerdings legt Regisseur Souza seinen Blick auch auf die Missstände innerhalb des Polizeitums. Diese kritischen Passagen sind aber gleichzeitig auch die größten Schwachpunkte am Film. Nicht, dass sie keinen Platz verdient hätten, sie funktionieren jedoch nicht im Kontext der filmischen Tonalität. Wenn man Gewalt, die über die eigenen Befugnisse hinaus geht, anprangern möchte, passt es nicht, zwei Arschloch-Cops wie die letzten Vollassis darzustellen, die schon so im Bereich des Comic-Reliefs sind, dass es ziemlich wehtut, dem Overacting Stand zuhalten. Auch die einzelnen Episoden schwanken in ihrer Güte. Mal ernst, mal etwas witziger gehalten, bricht der Film öfters mit seinem ernsten Grundton. Auch eine packende Szene kurz vor Ende hat zwar Impact, wirkt aber irgendwie in hinein konstruiert. Das sind kleine Mäkel eines ansonsten wirklich mitreißenden Films, der trotz seiner Dialoglastigkeit spannend bleibt.

Das liegt vor allem an den charismatischen Darstellern, die ihre Rollen perfekt ausfüllen. Ex-Punisher Thomas Jane brilliert als alternder Cop mit Rotzbremse, der zwar nicht mehr so ganz an seine Berufung zu glauben scheint und eher mit dem Strom schwimmt als seine Ideale zu vertreten aber doch den ein oder anderen nützlichen Rat für seinen Schützling parat hat. Auch Luke Kleintank macht sich gut als Grünschnabel. Zwischen beiden Figuren entsteht eine gute Dynamik, die über die Laufzeit von knapp zwei Stunden wirklich reift. Man connected ab einem gewissen Punkt, was im Endeffekt essenziell wichtig für solch einen Film ist. Auch die Inszenierung kann dies gekonnt unterstreichen. Joel Souza zeigt das Geschehen nüchtern, ohne große Schnörkel, fast schon dokumentarisch. Phasenweise ruht die statische Kamera auf den beiden Protagonisten, die sich einfach nur unterhalten. Die Entwicklungen sind dabei gut eingefangen, das Konzept funktioniert. Hier werden wohlige Erinnerungen an ähnlich gelagerte Filme wie TRANING DAY (2001) wach.

Die Bild- und Tonqualität der Scheibe aus dem Hause Capelight Pictures ist rundum gelungen. Neben dem Trailer gibt es noch ein „Behind the Scenes“-Featurette im Bonusmaterial.

Fazit:
IM NETZ DER GEWALT (2019) ist ein äußerst sehenswerter Film. Ein Cop-Thriller, der sich den üblichen Strickmustern entzieht und die klassische Arbeit als Streifenpolizist zu großen Teilen glaubwürdig und differenziert in Szene setzt. Zwar gibt es auch hier den ein oder anderen Schnitzer, dies sei jedoch verziehen, denn am Ende hat mich der Film nochmal auf der Sofakante sitzen lassen. Wer sich auf einen eher ruhigen Film einlassen kann, ist hier an der richtigen Adresse!

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