„Madhouse“ (1974), oder auch „Das Schreckenshaus des Dr. Death“, gehört nicht unbedingt zu meinen Favoriten unter den zahlreichen Filmen, in denen Vincent Price für American International Pictures (AIP) vor der Kamera stand. Er gehört allerdings auch zu den Filmen, die mir mit jedem Ansehen besser gefallen. „Madhouse“ war der letzte Film des AIP-Horrorzyklus und stand schon während der Dreharbeiten unter keinem guten Stern. Gewissermaßen spielt sich Vincent Price hier selbst, denn es geht um einen Horrorstar, dessen Karriere auf dem absteigenden Ast ist. WICKED VISION brachte den Film Anfang Oktober in drei limitierten Mediabooks (jeweils limitiert auf 333 Stück) neu heraus und laut Cover soll es sich um die erste deutsche Veröffentlichung handeln, die komplett ungekürzt ist.
Originaltitel: Madhouse
Regie: Jim Clark
Darsteller: Vincent Price, Peter Cushing, Robert Quarry, Adienne Corri, Natasha Pyne, Linda Hayden
Artikel von Holger Braasch
Mit der fiktiven Figur „Dr. Death“ wurde der Schauspieler Paul Toombes (Vincent Price) ein großer Horrorfilmstar. Sein Wegebegleiter und guter Freund Herbert Flay (Peter Cushing) hat ihm die Rolle auf den Leib geschrieben und die Geschichten um den dunklen Helden verfasst. Auf einer Prominentenparty bringt der Pornofilmproduzent Oliver Quayle (Robert Quarry) ganz schnell die dunkle Seite des Horrorstars ans Tageslicht, als er ihm verrät, dass Pauls junge Verlobte ein Pornostar gewesen ist. Paul ist wenig angetan von der Filmkarriere seiner Verlobten und von einer Sekunde zur nächsten herrscht zwischen ihm und ihr Eiszeit. Als Paul am nächsten Morgen aufwacht und sich bei ihr für sein schroffes Verhalten entschuldigen will, rollt ihm auch schon der abgetrennte Kopf seiner Verlobten entgegen. Kein Wunder, dass Paul einen Nervenzusammenbruch erleidet und in die Psychiatrie eingewiesen werden muss. 15 Jahre später hat er sich wieder einigermaßen erholt. Herbert Flay bringt ihn erneut mit dem Produzenten Quayle zusammen, der „Dr. Death“ zu einer TV-Serie verwursten und Paul zu einem Comeback verhelfen will. Natürlich mit einigen Freizügigkeiten, denn mittlerweile darf sich auch das Fernsehen ein paar Schlüpfrigkeiten erlauben. Das gefällt Paul natürlich gar nicht, dennoch willigt er ein, denn die Vorstellung, dass jemand anderes seine Paraderolle spielen wird, behagt ihm noch weniger. Und weil sein alter Freund mit an Bord ist, lässt er sich auf den Deal ein. Doch als Paul wieder in die Rolle des „Dr. Death“ schlüpft, ergreift sein finsteres Alter Ego erneut von ihm Besitz. Mitten während des Drehs, macht er seine Schauspielpartnerin vor der ganzen Crew runter. Kein feiner Zug von dem ehemaligen Horrorstar. Doch immerhin kann Paul durchsetzen, dass Quayle die Produktion mehr zu seinem Geschmack verändert. Die Allüren eines Stars sollte man nicht unterschätzen.
Als es während der Produktion zu seltsamen „Unfällen“ kommt, gerät Paul jedoch schnell in Verdacht. Auch er selbst ist sich nicht sicher, ob er womöglich an Bewusstseinsspaltung leidet und vielleicht in einer Art Trance Leute umbringt. Als sein Freund Herbert ihn zu sich einlädt, um einige alte Filme anzusehen, welche die beiden zusammen gemacht haben, hat Paul plötzlich wieder einen Filmriss und findet sich später im Keller des Hauses wieder, wo er Faye Carstairs (Adrienne Corri), einer ehemaligen Schauspielkollegin, wieder begegnet. Faye war einst eine schöne Schauspielerin, doch ihr ausschweifender Lebensstil brachte sie in schlechte Kreise. Nachdem sie einen Mordversuch schwer entstellt überlebte, zog sie sich aus der Öffentlichkeit zurück und fand in Herbert Flay einen fürsorglichen Lebenspartner. Nun haust sie im Kellergeschoss seines Hauses und kümmert sich um ihre Spinnenzucht. Während dieser seltsamen Begegnung geschieht ein weiterer Mord. Eine junge Schauspielerin (Linda Hayden), die Paul Toombes schon länger nachstellt, stirbt auf dem Anwesen von Herbert Flay. Später tauchen auch noch die Eltern der jungen Frau auf, um Paul das Leben schwer zu machen. Und während die Polizei vor einem Rätsel steht, verfällt Paul langsam aber sicher immer mehr dem Wahnsinn. Es scheint so, als würde „Dr. Death“ von ihm Besitz ergreifen.
In Zusammenarbeit mit der britischen Filmschmiede Amicus Productions brachte Samuel Z. Arkoff 1974 einen weiteren Film mit Vincent Price in die Kinos. Seine Hauptbedingung war, dass im Film unbedingt Ausschnitte aus früheren AIP-Filmen gezeigt werden sollen, was sich bei der Story, die Greg Morrison (nach dem Roman „Devilday“ von Angus Hall) ablieferte, auch hervorragend anbot. Ursprünglich ging es darin um einen Horrorstar, der dem Satanismus verfällt, doch mehr dazu später. Wenn dann in einigen Szenen Ausschnitte aus früheren „Dr. Death„-Filmen gezeigt werden, erkennt das geübte Auge sofort die Werke, die hier verwurstet wurden. Filme wie Der grauenvolle Mr. X (1962), Der Rabe – Duell der Zauberer (1963) oder auch Die Folterkammer des Hexenjägers (1963). Die Regie überließ man dem britischen Cutter Jim Clark, der u. A. für den Schnitt von Schloss des Schreckens (1961), Charade (1963), Der Marathon-Mann (1976), Killing Fields – Schreiendes Land (1984) und James Bond 007 -Die Welt ist nicht genug (1999) verantwortlich war. Madhouse war seine zweite Regiearbeit, nach Haferbrei macht sexy (1970) und blieb auch seine letzte. Mit Robert Quarry stand Vincent Price zuvor schon für Die Rückkehr des Dr. Phibes (1972) vor der Kamera, wo Quarry den Widersacher von Phibes spielte. Auch in Madhouse ist er der Kontrahent von Vincent Price und das nicht nur vor, sondern auch hinter der Kamera. Robert Quarry sollte nämlich der nächste Horrorstar von AIP werden und sogar die Nachfolge von Vincent Price antreten. In der Anfangsszene (auf der Kostümparty) ist Quarry dann auch im „Count Yorga„-Outfit zu sehen. Dies war seine Hauptrolle in Junges Blut für Dracula (1970) und dem Nachfolger Die sieben Pranken des Satans (1971), in denen Quarry einen Vampir, ganz im Stile von Dracula, verkörperte. Doch die Zeit großer Horrorstars der alten Schule ging schon zu Ende. Madhouse erwies sich dann auch als mäßig erfolgreich, was Arkoff als Ende des AIP-Horrorzyklus betrachtete. So wurde dann auch aus weiteren Horrorfilmen mit Robert Quarry nichts.
In der Tat kann Madhouse nicht mehr an die Qualität früherer AIP-Horrorfilme mit Vincent Price anknüpfen. Der Handlungsverlauf ist mitunter recht holprig und der Spannungsbogen hält sich in Grenzen. Kein Wunder, denn am Drehbuch wurde noch während des Drehs herumgeflickt. Vincent Price gefiel das ursprüngliche Drehbuch von Greg Morrison überhaupt nicht, also wurde Ken Levison beauftragt, die Geschichte umzuschreiben. Der kam jedoch kaum mit dem Schreiben hinterher und schusterte notgedrungen etwas zusammen, damit der Dreh nicht in die Länge gezogen wurde. Das ging soweit, dass Schauspieler Robert Quarry einfach selbst Szenen umschrieb, damit die Crew zügig weiterdrehen konnte. Bei all dem Flickwerk blieb die Charakterisierung von Paul Toombes leider etwas auf der Strecke und ließ mitunter die nötige Sympathie und Tragik vermissen, die frühere Filme mit Vincent Price auszeichnete. Dem überzeugenden und souveränen Spiel von Vincent Price ist es zu verdanken, dass man trotzdem nicht das Interesse an der Hauptfigur verliert. Etwas unglücklich wurde auch die Rolle der Faye Carstairs in die Geschichte eingebaut. Obwohl die Figur an sich interessant ist und von Adrienne Corri hervorragend gespielt wird, will sich ihre Rolle nicht so recht in die Geschichte von Paul Toombes (bzw. von „Dr. Death„) einfügen. Zwar taucht Faye in der hübsch makabren (aber auch etwas albernen) Schluss-Szene noch einmal auf, aber auch hier hat man das Gefühl, dass diese Schluss-Pointe nicht so recht zum Rest des Films passt und aufgesetzt wirkt.
Inhaltlich ist Madhouse gewissermaßen eine Variation von Theater des Grauens (1973), den Douglas Hickox zuvor mit Vincent Price gemacht hat. Nur dass man dort von Anfang an weiß, dass der gekränkte Horrorstar Edward Lionheart der Mörder ist. Doch so schockierend seine Taten auch sind, so sehr bangt man Ende doch um ihn, wenn sich die Schlinge um seinen Hals enger und enger zieht. Wie schon bei den beiden „Dr. Phibes„-Filmen, schafft Vincent Price dort eine erstaunliche Gradwanderung zwischen Abscheu und Sympathie. Es sind tragische Schurken, die er verkörpert. Leidenschaftliche und sensible Gemüter, die durch einen Schicksalsschlag zu verbitterten Bösewichtern werden. Trotz aller Grausamkeit bleibt ihr Handlungsmotiv für den Zuschauer stets nachvollziehbar und mitunter wünscht man sich fast, dass sie mit ihrem finsteren Treiben durchkommen – aber nur fast. Kaum ein anderer konnte diese Charaktere besser verkörpern als Vincent Price. Madhouse markierte gewissermaßen das Ende dieser Ära und Vincent Price bringt seine letzte Vorstellung mit Würde und Charme über die Bühne. Auch Peter Cushing, der noch Jahre nach dem Tod seiner langjährigen Ehefrau Helen Beck (im Jahr 1971) von Trauer gezeichnet war, gibt hier eine überzeugende Vorstellung als Pauls Weggefährte Herbert. Trotz der holprigen Erzählweise bleibt das Ganze stets unterhaltsam, auch wegen der eleganten Kameraarbeit von Ray Parslow. Bei all dem Produktionschaos hinter den Kulissen ist Madhouse also doch noch ein ganz passabler Film geworden und wenn am Ende das Geheimnis gelüftet wird, ist das mMn ziemlich gelungen. Nur auf die Schluss-Pointe hätte man, wie gesagt, eigentlich verzichten können.
Mir liegt das Mediabook von Wicked Vision (Covermotiv C) vor. Laut Coverangabe soll dies die erste völlig ungekürzte deutsche Veröffentlichung sein. Ein Vergleich mit der DVD aus dem Mediabook und der älteren DVD von KSM Klassiker (die als gekürzt gilt) zeigt jedoch, dass die Laufzeit (wenn man das MGM-Logo abzieht) exakt gleich ist. Die beiden Szenen, die in diversen deutschen Fassungen zensiert sein sollen, sind sowohl bei der Blu-ray/DVD von Wicked Vision, als auch bei der DVD von KSM identisch. In allen 3 Veröffentlichungen wirken diese Szenen etwas abgehackt, so als wenn etwas geschnitten wäre. Bei der Feuer-Szene (nach ca. 79 Min., wenn Vincent Price anfängt zu brennen) ist auch ein Sprung in der Musik zu hören. Mir liegt zusätzlich noch die Pro 7-Ausstrahlung von 2007 vor, wo diese Szenen genauso abgehackt, also identisch sind. Dasselbe auch bei der VHS von RCA/Columbia (die ich allerdings nicht mehr habe, aber die hatte ich vor Jahren mal mit der Pro 7-Fassung verglichen). Wäre nun interessant zu wissen, was in der VHS von Centurio Video länger zu sehen ist, als in allen anderen deutschen Fassungen. Ist dies vielleicht so ein Fall, wo es keine vollständige Fassung mehr gibt und ausgerechnet eine seltene deutsche VHS Stellen enthält, die sonst nirgends mehr zu sehen sind? Laut OFDb läuft die amerikanische Blu-ray von Kino Lorbeer jedenfalls rund 10 Sekunden länger, als die Blu-ray von Wicked Vision, was aber noch nichts heißen muss und eventuell auch an unterschiedlichen Verleih-Logos liegen kann.
War schon die DVD von KSM recht gut, gibt es bei der VÖ von Wicked Vision noch mal eine deutliche Steigerung in der Bildqualität und der Bildausschnitt zeigt gegenüber der DVD von KSM sogar an allen Rändern ein wenig mehr. Im Bonusmaterial finden sich ein Audiokommentar mit David Del Valle und Phoef Sutton (mit optionalen deutschen UT), die Featurette: „Revenge of Dr. Death“ (10:56 Min.), Originaltrailer, Originaltrailer [Recut unzensiert], Originaltrailer [Recut], Deutscher Kinotrailer, Deutscher Kinotrailer [Recut unzensiert], Deutscher Kinotrailer [Recut] und eine Bildergalerie mit Produktionsfotos und internationalen Artworks. Außerdem ist noch ein informatives Booklet mit einem Essay von Dr. Rolf Giesen dabei. Laut seiner Recherche hatte Das Schreckenshaus des Dr. Death am 31. Oktober 1975 seine deutsche Erstaufführung im Kino. Also vor genau 45 Jahren. Ein schöner Anlass, das Schreckenshaus von Dr. Death mal wieder zu betreten. Der Copyright-Hinweis von Wicked Vision hält übrigens wieder einen Schmunzler bereit, passend zum Film. 😉