Der Streifen könnte nicht aktueller sein. „Ich weiß nicht was vorgeht und das beunruhigt mich“ heißt es in Minute 87. Der 45 Jahre alte Klassiker des Paranoia-Thrillers ist in Vielem seiner Zeit voraus und bis heute gut gemachtes Kino, grandios gefilmt und spannend bis zur letzten Minute. Die Kameraarbeit in dem Streifen ist famos und das analoge Zeitalter der 1970er ein Augenschmaus. ARTHAUS / STUDIOCANAL brachte den Streifen nun in 4K remastered heraus.
Originaltitel: 3 Days of the Condor
Regie: Syndney Pollack
Darsteller: Robert Redford, Faye Dunaway, Max von Sydow, Cliff Robertson
Artikel von Kai Kinnert
Joseph Turner – Deckname „Condor“ – ist Mitarbeiter in einer unbedeutenden New Yorker Dienststelle des CIA. So jedenfalls scheint es – bis zu dem Tag, an dem er seine Kollegen kaltblütig ermordet im Büro auffindet. Entsetzt wendet Turner sich hilfesuchend an die Zentrale. Doch schnell wird klar, dass Condor auf eigene Faust handeln muss, wenn er mit dem Leben davonkommen will.
Wenn sich Robert Redford ab Minute 90 in einer Vermittlungsstelle herumdrückt, sich mit einem Hörer auf Anschlüsse klemmt, Wahltöne aufnimmt und 50 Anschlüsse zur Verwirrung seiner Verfolger zusammenlegt, wird es einem ganz warm ums Herz. Heute sind solche Vermittlungsstellen ein Schaltkasten am Straßenrand, damals füllten Telefonanschlüsse noch ganze Etagen und machten eine Menge an schnurrendem Krach. Sydney Pollack drehte seinen Film an tollen Schauplätzen, die heute gar nicht mehr möglich sind. Mal abgesehen vom New York der 1970er eben auch diese Vermittlungsstelle, eine Panikzentrale mit jeder Menge Telefonen und Kippschaltern zur Anrufverfolgung, die wunderbar klobigen Nadeldrucker und ein Scanner für Bücher, der selber die Seiten umblättert. Die drei Tage des Condor ist ein Zeitfenster in längst vergangene Tage, gefüllt mit einer Spannung, wie sie heute nicht aktueller sein könnte.
Es geht um entkoppelte Kräfte und eigene Wahrheiten, die sich aus einer nebulösen Bedrohung heraus speisen und ihre eigenen Ansichten mit Gewalt durchsetzen wollen. „Vielleicht gibt es im CIA…noch ein CIA“ sagt Redford in Minute 88:47 und macht sich in die Vermittlungsstelle auf, um das Netzwerk der Verschwörer endgültig zu stören. Doch Sydney Pollacks Film ist nicht nur ein Specialist-Paranoia-Thriller mit Geheimdienststory, sondern auch ein Film über Einsamkeit und Isolation. Joseph Turner, eine Figur aus einem Roman von John le Carré, ist ein echter Querdenker. Der smarte Bücherwurm liest Comics und Romane aus aller Welt, um so nach neuen und alten Ideen für CIA-Operationen zu fahnden und muss plötzlich um sein Leben fürchten. Als er auf seiner französischen VeloSolex durch den New Yorker Verkehr zu seiner Dienststelle zurückfährt, ahnt er noch nicht, dass er gerade einem Mordanschlag entkommen ist, der sieben seiner Kollegen den Tod brachte.
Turner meldet den Fund der Leichen einem Verbindungsoffizier, der sich seltsam verhält und Turners Alarmglocken klingeln lassen. Hier stimmt was nicht, aber man weiß nicht was. Die Schlinge zieht sich schon bald zu und Redford schnappt sich die unschuldige Faye Dunaway, um sich in ihrer Wohnung zu verstecken. Es wird später eine zarte Annäherung zwischen den Beiden geben…letztendlich einsam und auf sich alleine gestellt…aber bis dahin gibt es einiges an Thrill und eine gelungene Actionszene, die auch heute noch tough ist. Die Nummer mit dem Postboten ist spannend, klasse choreografiert und geht glatt als Vorläufer einer Jason-Bourne-Klopperei durch. Das Drehbuch ist großartig im Timing, jede Szene beinhaltet Spannung und Charakterisierung zugleich und so fügt sich die zarte Annäherung zwischen Redford und Dunaway perfekt ins Geschehen ein und krönt sich mit einer tollen Montage der Liebesszene, die durch Schwarz/Weiß-Bilder eines einsamen New Yorks unterschnitten wird. Doch auch hier wird Turner nicht bleiben können, er muss in Bewegung bleiben, denn der Feind scheint überall. Turner ist auf sich alleine gestellt und einzig Mut, Glück und Wendigkeit können ihn retten. Dennoch…die Ungewissheit bleibt.
Die Drei Tage des Condor ist großartiges Kino, ein Meilenstein gelungenen Filmschaffens der 1970er. Hier stimmt wahrlich alles, es ist angenehm überraschend, wie gut dieser Streifen auch heute noch ist. Ob Kamera, Musik oder Schnitt, aber auch Story, Regie und Schauspiel…die Nummer sitzt. Sydney Pollacks Film ist ein richtig guter Agententhriller, ein echter Klassiker, mit einem bestens aufgelegtem Robert Redford und einer tollen Faye Dunaway. Die 4K Restauration ist gelungen, das Bild eine Wucht und wertet in seiner Qualität den Film noch weiter auf. Das ist echtes Kino.
Das Bild der Blu-ray ist ein Upgrade wert, der Ton ist gut. Wer den Streifen noch nicht in seiner Klassiker-Sammlung stehen hat, sollte getrost zuschlagen. Als Extras gibt es einen untertitelten Audiokommentar von Sidney Pollack und die Dokumentation „Paranoia-Kino der 70er Jahre„.