Der Streifen ist eine krude Nummer. Die Familie Barker ist von der ersten bis zur letzten Minute des Films voller Gewalt, Wahnsinn und Perversion. Im Grunde ist Charles Kaufmans Familienfilm Muttertag (1980) ein Witz gegen die konstante Konzentration des Irrsinns der Barker Family. Sadismus, Inzest, Bankraub und Mord sind die blumigen Eigenschaften der Sippe, die den ganzen Film über nichts anderes macht, als ihrem Schwachsinn nachzugehen – angeführt von Mama Barker, die es wirklich gab. Roger Corman braucht nur zwei Minuten, um die Psychologie der Kate Barker zu definieren und formt aus dem Rest ein konzentriertes B-Movie, das zu keiner Sekunde von seinem eingeschlagenem Kurs abweicht. WICKED VISION brachte diesen Klassiker nun als europäische HD-Premiere im Mediabook heraus.
Regie: Roger Corman
Darsteller: Shelly Winters, Pat Hingle, Don Stroud, Robert De Niro, Bruce Dern, Diane Varsi, Clint Kimbrough, Robert Walden
Artikel von Kai Kinnert
Kate Barker liebt ihre vier Söhne mehr als alles andere auf der Welt. Um den Jungs ein besseres Leben zu ermöglichen, führt sie sie auf eine krude und kompromisslose Odyssee aus Gewalt, Bankraub, Mord und Entführungen. Mit ihren vier erwachsenen Söhnen im Rücken avanciert die von Staat und Banken um ihre Habe geprellte „Ma“ Barker in den 30er-Jahren zum gefürchtetsten Outlaw Amerikas.
Heidewitzka. Hier knallt der Lurch die Peitsche. Was geht denn da ab? Roger Corman, der alte Film-Fuchs, haut hier den Lukas. Wie immer mit wenig Geld in der Tasche, dafür aber gekonnt. Der Mann weiß was er tut und nagelt den Film gleich in den ersten zwei Minuten fest. Die kleine Kate läuft durch den Wald, verfolgt von ihren Brüdern und dem Vater. Sie wird zu Boden gedrückt, der Vater legt sich auf sie, Kameraschwenk zu einen Vogel im Baum. Danach schwört eine missbrauchte Kate Rache. Später ist sie erwachsen und hat vier Söhne, der erste ist von ihrem Vater. Angedeutete sexuelle Perversion aller Orten, es ist quasi alles dabei und in jeder Szene präsent.
Sogar Robert De Niro kloppt sich nackt mit einem Kollegen das Handtuch auf den Arsch, das ist Method Acting in Aktion. Wenn es in den Szenen nicht um Inzest, Vergewaltigung oder Homosexualität geht, dann ist es Raub, Mord oder anderer Irrsinn. Im Grunde unerträglich, denn die Figuren sind unabwendbar Krank und beseelt vom Schwachsinn. Der Film handelt von nichts anderem. Da gibt es keinen tieferen Sinn, die Barker Family hat einfach nur eine Schraube locker. Aus Gewalt geboren, in Gewalt gestorben – this is it. Doch Roger Corman ist natürlich ein Schlitzohr und hat für das krude Drehbuch ein Ass im Ärmel…sein Talent als Filmemacher.
Bloody Mama ist ein Schauspieler-Film. Hier versammelten sich Talente des Actors Studio mit der richtigen Motivation vor der Kamera, die Chemie stimmt, hier hat jeder Raum für seine Momente und es entsteht die richtige Metaebene. Einzig Shelly Winters lässt sich hier und da mal zum 70er Overacting hinreißen, aber sie hat den richtigen Blick zur richtigen Zeit drauf und es macht einen gewissen Spaß, der Truppe zuzusehen. Filmisch gibt es hier solide Kost, Roger Corman hat alles im Griff. Die Kamera ist gut und es wurde fast alles On Location gedreht. Es gibt sogar eine waghalsige Jagd mit Oldtimern, bei der nicht getrickst worden ist. Robert De Niro fährt tatsächlich selber und rast eine unbefestigte Straße nahe am Abgrund herunter, während Roger Corman und sein Kameramann auf die Kotflügel geschnallt waren und Aufnahmen machten. Die Verfolgungsjagd ist schön geworden und im gewissen Sinne auch spektakulär, denn die Aufnahmen kommen authentisch rüber und einige Oldtimer stammen aus der legendären Rockefeller-Sammlung. Das hätte bei einem Unfall teuer werden können.
Der große Shoot-Out am Ende hat zwar kein Budget für große Effekte (wenn überhaupt), wurde aber spannend inszeniert. Auch wenn nur wenig zu Bruch geht und das Blut rote Farbe auf der Klamotte ist, entsteht ein Thrill, denn die Kamera und das Schauspiel sind gut und die Szenen irgendwie packend. Die Schaulustigen, die sich zum gaffenden Picknick am Rande der Schießerei niederlassen, sind auch noch die echten Schaulustigen, die ständig beim Dreh dabei waren. Während der Dreharbeiten kamen immer mehr Zuschauer ans Set, die Roger Corman am Ende einfach in Kostüme steckte und als Gaffer des Todes mit in den Film einbaute. Fantastisch, denn Corman hatte den richtigen Riecher und erweiterte so seinen Film aus einem Zufall heraus um einen sozialkritischen Subkontext, der den Streifen abrundet.
Bloody Mama ist unterhaltsam-schmissiges B-Movie-Kino, ganz ein Roger Corman Film und fantastisch besetzt. Bis heute gut und im Kern eine wilde Nummer.
Das Bild der Blu-ray ist sauber, satt und gut, der Ton ebenso. Als Extras gibt es ein 24-seitiges Booklet mit einem Essay von David Renske, ein Interview mit Roger Corman, den deutschen Kinotrailer, den US-Kinotrailer, Trailers from Hell: Roger Corman über Bloody Mama, eine Bildergalerie und einen Audiokommentar mit Robert Zion.
Trailer: