Yeah, endlich mal wieder ein Western europäischer Machart! In der Zeit von 1964 bis 1977 wurde die unglaubliche Menge von über 500 Western produziert, wobei nicht alle aus Italien kamen und auch nicht alle Western dem Italo-Western klassischer Gangart zuzurechnen waren. Hier und da gab es auch mal den Einfluss des weniger brutalen US-Western in der Inszenierung zu spüren und nicht jede Produktion folgte so gleich dem massenhaften Shoot Out und anderen Stilelementen, die später das Genre durch eine Handvoll Regisseure so prägten. So auch dieser (hauptsächlich) spanische Western, der von MR. BANKER FILMS im Vertrieb von CARGO RECORDS nun erstmals auf Blu-ray und DVD veröffentlicht wurde.
Originaltitel: Oeste Nevada Joe
Regie: Ignacio F. Iquino
Darsteller: George Martin, Audrey Amber (Adriana Ambesi), Katia Loritz, John McDouglas (Guiseppe Addobbati), Stan Bart (Angel Lombarte)
Artikel von Kai Kinnert
Der bekannte Revolverheld Nevada Joe (George Martin) kommt nach Golden Hill, wird im dortigen Saloon Zeuge eines Mordes und erschießt daraufhin den Täter. Das nimmt die Inhaberin des Etablissements, Miss Mary Blue (Katia Loritz) , zum Anlass, den gutaussehenden Ankömmling zu umgarnen und ihm ein Zuhause anzubieten. Joe lehnt jedoch ab und will nach einem weiteren Zwischenfall mit zwei Schießwütigen davonreiten, wird aber in freier Natur von den beiden Helfern der örtlichen Minen-Besitzerin Julia Brooks (Audrey Amber) abgefangen und auf deren Anwesen außerhalb von Golden Hill gebracht. Auch sie könnte einen Revolverhelden gebrauchen.
Na, die Nummer war ja fast altbacken. Gerade ist der Streifen durchgelaufen und man blickt nachdenklich aus dem Fenster. Was hat man da gerade gesehen? Was für eine Art Western ist das, wo hat er seine Wurzeln? Altbacken deshalb, weil sich der Streifen eher am erzählerischen Stil amerikanischer Filme orientiert und damit wenig auf eine optische Spannung setzt. Im Kern geht es eigentlich weniger um Überfälle und fiese Halunken im Saloon, sondern darum, bei welcher Frau Nevada Joe am Ende bleiben könnte. Ist es Mary Blue oder Julia Brooks? Zwei präsente Frauenrollen in einem Western und beide sind natürlich sehr angetan von der etwas weichgespülten Lässigkeit George Martins. Die eine Frau ist blond, eher devot und sucht einen Mann als Beschützer…die andere ist schwarzhaarig, schwarzes Leder, rote Bluse und mit einem kecken Blick versehen…sie darf sogar schnell den Colt ziehen und einen Knallchargen erledigen…da hat der Held die freie Wahl. Doch letztendlich zieht er den Kürzeren und so endet der Streifen tatsächlich mit einer Liebeserklärung, was ziemlich ungewöhnlich für das Genre ist, denn die Schlusseinstellung gehört einer der beiden Frauen…und nicht George Martin. Das eine Frauenrolle den lässigen Abgang bekommt, dürfte für das Genre ziemlich einmalig sein und ist irgendwie angenehm gemacht.
Überraschend ist die Menge an Dialog, der in den vielen Innenszenen des Films vorgetragen wird. Überraschend ist außerdem, wie Regisseur Iquino (zugleich auch Drehbuchautor und Produzent des Films) auf alles verzichtet, was seinem Streifen optische Tiefe und Weite geben könnte. Die Westernstadt ist klein und die Tiefe des Raums wurde mit Kulissen zugestellt, die Mine ist irgendwo auf dem Studiogelände und auch die zwei Gutshäuser wurden nur frontal in Szene gesetzt. Aus der Enge des Raumes konnte die Kamera keine Spannung ziehen, man verzichtete schlichtweg auf das Spiel mit großen und kleinen Brennweiten und blieb so eben konventionell. Erst im letzten Drittel geht es endlich raus in die Pampa und schon gewinnt der Film an Qualität, denn in diesen Szenen findet dann auch die Musik von Enrique Escobar endlich zur Form und der Film gewinnt an Dynamik. Plötzlich wird der Streifen ein Western, wenn auch unentschlossen in seinem Stil.
Nevada Joe ist ein relativ schwacher Western, in dem mehr die Fäuste als die Colts sprechen. Und auch das ginge besser. So mancher Schlag geht meilenweit am Kinn des Gegners vorbei und es fehlt einfach die frische Grobheit eines Lucio Fulci, um dem Gerangel eine überraschende Kante zu geben. Das der Streifen mit einer Liebeserklärung als letzten Satz endet, ist irgendwie der beste Moment in diesem Film, der sich auch sonst nur schwer dem Genre des Italo-Westerns anschließen kann.
Definitiv ein Streifen für die harten Fans unter den Sammlern.
Das Bild der Blu-ray ist gut, der Ton ebenso. Die alte Kinosynchronisation ist gelungen. Als Extras gibt es eine rekonstruierte Langfassung (die nicht so viel länger ist und erweiternde Einstellungen beinhaltet), eine Bildergalerie, einen Trailer und ein 16seitiges Booklet.
Trailer: