Erinnert ihr euch noch an die 1990er Jahre, in denen die umtriebige Produktionsklitsche NU IMAGE die Videotheken mit zahlreichen, preiswerten Direct-to-Video-Actionfilmen flutete? Nun, für all diejenigen, die dieser unbeschwerten Zeit voller Explosionen, bleihaltiger Shootouts und markiger Sprüche nachtrauern, hat Leonine nun ein ganz besonderes Schmankerl auf dem Heimkino-Sektor veröffentlicht. SEARCH AND DESTROY (2020) bietet so ziemlich Alles, was der anspruchslose Actionfan braucht und wurde sogar vom Chef, nämlich Danny Lerner, persönlich inszeniert. Aber Moment mal, ist dieser nicht schon 2015 verstorben? Das ist aber nicht das einzige Kuriosum dieser filmischen Resterampe, die sich hervorragend für ein Trinkspiel eignet, das euch mit Sicherheit in die nächste Notaufnahme katapultiert. Alle schonungslosen Details gibt’s in unserer Kritik!
Originaltitel: Search and Destroy
Drehbuch: Daniel Bruckner, Benjamin Jackendoff, Craig Walser
Regie: Danny Lerner
Darsteller: Dylan Bruce, Sergey Badyuk, Tim Fellingham, Julian Kostov…
Artikel von Christopher Feldmann
Wer in den 1990er Jahren durch die hiesigen Videotheken streifte, um sich an einschlägigen Actionfilmen zu laben, in denen es vorwiegend um handfeste Fights, ausgedehnte Shootouts und reichlich Pyrotechnik ging, der kam um die Produktionen von Nu Image nicht herum. Die im Jahr 1992 gegründete Produktionsfirma der Gebrüder Lerner, Avi und Danny, sorgte dafür, dass es jahrelang auf dem heimischen Bildschirm ordentlich krachte. Ganz in der Tradition der Cannon Group lieferte die israelisch-amerikanische Familienbande B-Movies am Fließband, schnell und preiswert zusammengeschustert und meistens mit B-Recken besetzt, die ihre glorreichen Zeiten längst hinter sich hatten. So gehörten Mimen wie Dolph Lundgren, Jeff Fahey, David Bradley, Jeff Speakman, Eric Roberts und Frank Zagarino zum Stamminventar, das in den späteren Jahren noch durch gefallene Kinohelden wie Chuck Norris, Jean-Claude van Damme oder Steven Seagal ergänzt wurde. Die Produktionen aus dem Hause Nu Image waren weder anspruchsvoll, noch sonderlich ambitioniert, lieferten aber im Kern immer genau das, was man(n) sehen wollte. Produzent und Regisseur Danny Lerner schied 2015 aus dem Leben, was aber nicht bedeuten sollte, dass man sein filmisches Erbe nicht fortführen würde. Mit SEARCH AND DESTROY erscheint nun das letzte, noch liegengebliebene, Material, das der umtriebige Filmemacher verantwortet hat. Und wenn ich Material sage, dann meine ich eigentlich einen Haufen Filmfetzen, die irgendjemand noch schnell zusammengeflickt hat, damit sie nicht auf irgendeiner Festplatte vor sich hin modern. Diesen Military-Action-Streifen als richtigen Film zu bezeichnen, grenzt schon fast an Blasphemie, denn um auf eine abendfüllende Länge zu kommen, hat man so ziemlich alles recycelt, was die hauseigene Rumpelkammer hergegeben hat.
Handlung:
Als der amerikanische Ranger Lt. John Cutter (Dylan Bruce) den Großteil seines Teams in einem Kampf mit dem gefährlichem ukrainischen Waffenhändler Igor Rodin (Sergey Badyuk) verliert, wird John aus der Armee entlassen. Drei Jahre später wird er von seinem alten General gebeten, auf eine private Auftragsmission zu gehen um Igor endgültig zu neutralisieren, nachdem dieser kurz vor der Fertigstellung einer schmutzigen Bombe ist. Es entwickelt sich ein rasanter Wettlauf gegen die Zeit, um den Plan des Waffenhändlers zu vereiteln.
Ich musste tatsächlich erst einmal googeln, als ich den Namen Danny Lerner las. Und tatsächlich, der gute Mann ist seit ungefähr sechs Jahren unter der Erde, was natürlich erstmal die Frage aufwirft, warum SEARCH AND DESTROY erst jetzt das Licht des DVD-Regals erblicken darf. Die Gründe dafür sind nicht eindeutig auszumachen, vermutlich ist der olle Lerner aber verstorben, bevor der Actionfilm fertiggestellt werden konnte. Zumindest erweckt dieser stümperhaft zusammengenagelte Flickenteppich jenen Eindruck, da der Regisseur anscheinend nicht mehr die Möglichkeit hatte, sämtliche Actionszenen zu drehen. Was den Zuschauer hier nämlich erwartet, ist ein vollumfängliches Rundum-Recycling-Paket, das zu gefühlten 80% aus Stock-Footage bereits existierender Streifen aus dem Hause Nu Image besteht.
Schon der Vorspann, der uns mit den malerischen Klängen einer maximal mittelmäßigen 80er-Synthrock-Tribute-Band bereichert, bietet Shots, die recht offensichtlich in den späten 1980er oder frühen 1990er Jahren entstanden sein müssen. Körniges Bild und veraltete Bademoden werden hier ausgiebig präsentiert. Das war dann schon der Punkt, an dem der Autor dieser Zeilen sehr misstrauisch wurde. Ein Misstrauen, welches sich in höchstem Maße bewahrheiten sollte, denn SEARCH AND DESTROY schickt sich gar nicht erst an, sein Recycling irgendwie zu verschleiern, sondern präsentiert ohne Scham ein Best-Of der Filmographie der Lerner-Brüder. Jede Explosion, wirklich JEDE, stammt aus einem anderen Film, was teilweise so lächerlich aussieht, da der filmische Look sich erheblich voneinander unterscheidet. Auf der einen Seite die Hochglanz-Digitaloptik aus dem Jahr 2015, auf der anderen Seite körniges Filmmaterial anno 1995. Beispielsweise gibt es einen Close-Up auf Hauptdarsteller Dylan Bruce, der eine MG-Salve abgeben darf, im Umschnitt dann aber eine Explosion, deren Antlitz so verschwommen und schrabbelig aussieht, dass man davon ausgehen kann, dass hier ein abgenudeltes VHS-Band dafür Pate stand. Das ist aber nicht das einzige optische Kuriosum, welches der „Film“ zu bieten hat, auch sämtliche Stunts, durch die Luft fliegende Baddies und Taucherszenen, sowie Aufnahmen eines Zuges wurden mit Sicherheit nicht im Jahr 2015 gedreht. Das Ganze fühlt sich wie ein großes Puzzle an, das aus einzelnen Fragmenten besteht, die zwar einen halbwegs roten Faden ergeben aber vermutlich nur 45 Minuten gefüllt hätten. Also werden wahllos Shots mit viel Krachwumm eingefügt, egal ob diese gerade passen oder nicht (Anschlussfehler gibt es en masse) und teilweise extrem gezoomt, damit nicht plötzlich Dolph Lundgren in der Szenerie auftaucht. Schon dessen Nu–Image-Vehikel DIRECT CONTACT (2009), ebenfalls von Danny Lerner inszeniert, zeichnete sich durch eifriges Recycling aus, verwurstete entsprechendes Material aber weitaus besser.
SEARCH AND DESTROY räubert sich durch zahlreiche Streifen aus dem Nu-Image-Fundus. DANGER ZONE (1996), OPERATION DELTA FORCE 2: MAYDAY (1998), OPERATION DELTA FORCE 3: CLEAR TARGET (1998), THE SWEEPER (1997), SHARK ATTACK 2 (2000), DERAILED – TERROR IM ZUG (2002), U.S. SEALS 2 (2001) und sogar JOHN RAMBO (2008) finden sich in diesem kruden Potpourri wieder. Man könnte fast ein lustiges Partyspiel daraus machen, in dem man raten muss, aus welchem Streifen welche Explosion entliehen ist, man könnte aber auch ganz einfach immer einen Jägermeister trinken, sobald man Stock-Footage ausmacht. Das könnte aber dazu führen, dass nach der Hälfte der Laufzeit der Gang in die Notaufnahme unausweichlich ist.
Das ist zumindest der einzige Reiz, der an diesem Streifen auszumachen ist. Der Plot ist so generisch, dass es fast weh tut und die Dialoge einfach nur erbärmlich schlecht. Hier werden markige One-Liner geschmettert, die direkt zum Fremdschämen einladen und die Figuren bleiben selbstverständlich absolut flach. Das Drehbuch wirkt als hätte es ein 13-jähriger hingerotzt, der ein paar Mal zu oft THE EXPENDABLES 1-3 (2010-2014) geschaut hat. Hat man schon 100-mal besser gesehen, auch im DTV-Sektor. Den Knaller hebt man sich aber bis zum Abspann auf, denn dort wird mit einer Art Featurette noch einmal Regisseur und Produzent Danny Lerner gewürdigt, mit Set-Aufnahmen und kleinen Interviews von Cast & Crew, die den verstorbenen B-Filmer derart lobpreisen, dass man aus dem Schmunzeln gar nicht rauskommt. Ganz ehrlich, so viel wie Lerner auch mit seiner Firma für unterhaltsame Stunden gesorgt haben mag, den Regisseur von Graupen wie SHARK IN VENICE (2008) und TRAITOR’S HEART (1999) aber mit theatralischer Musik zum Künstler zu stilisieren, geht dann doch ein wenig zu weit. Eine Texttafel hätte auch gereicht.
Leonine veröffentlicht den Streifen als Blu-ray, DVD und auf digitalem Wege. Bild- und Tonqualität sind gut, sofern man das 2015 gedrehte Material beurteilt. Extras sind keine an Bord.
Fazit:
SEARCH AND DESTROY (2020) kann man nur mit zwei zugekniffenen Augen als richtigen Film bezeichnen, wurde das Ding doch zum Großteil aus bereits veröffentlichtem Material zusammengenagelt. Wäre das aktive Recycling ein Einzelfall, könnte man Danny Lerners letzte Regie-Tätigkeit fast schon als Parodie auf die Videotheken-Actioner der 1990er Jahre interpretieren. So viel Augenzwinkern traue ich den Machern dieser filmischen Nullnummer allerdings nicht zu, weswegen sich das Ganze lediglich als Trashfilm für Trinkgelage eignet, denn als klassische Abendunterhaltung. Immerhin macht die Retortenkiste Lust auf ältere Werke aus der Nu-Image-Schmiede, die waren aber auch alle besser genießbar als das hier!
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