Wir schreiben das Jahr 1992, als Comedy-Star Chevy Chase zur Abwechslung ein ernsthaftes, weniger komödiantisches Projekt realisieren wollte und Horror-Ikone John Carpenter sich abermals bereit erklärte, für einen ordentlichen Gehaltsscheck auf dem Regiestuhl Platz zu nehmen. Das Ergebnis, JAGD AUF EINEN UNSICHTBAREN (1992), das damals mit revolutionären Effekten auf sich aufmerksam machte, ist nun von Explosive Media als Blu-ray im einfachen Keep-Case erschienen, nachdem bereits 2019 ein Mediabook veröffentlicht wurde. Ob der Film heute noch zu überzeugen weiß, erfahrt ihr in unserer Kritik!
Originaltitel: Memoirs of an Invisible Man
Drehbuch: Robert Collector, Dana Olsen, William Goldman; basierend auf dem gleichnamigen Roman von H.F. Saint
Regie: John Carpenter
Darsteller: Chevy Chase, Sam Neill, Daryl Hannah, Michael McKean, Stephen Tobolowsky, Jim Norton…
Artikel von Christopher Feldmann
John Carpenter zählt unbestritten zu den ganz Großen des Horrorkinos und schuf mit Filmen wie HALLOWEEN – DIE NACHT DES GRAUENS (1978) und THE THING (1982) anerkannte Meisterwerke, die heutzutage in keiner Top-Liste fehlen dürfen. Mit ASSAULT ON PRECINCT 13 (1976), DIE KLAPPERSCHLANGE (1981) und BIG TROUBLE IN LITTLE CHINA (1986) bewies er allerdings auch sein Talent für Science-Fiction, Action, Fantasy und sogar Komödie. Als Regisseur, Autor, Produzent und Musiker ist Carpenter ein echtes All-Round-Talent mit einer eigenen Handschrift, die nach wie vor von vielen Filmfans aus der ganzen Welt geschätzt und sogar verehrt wird. Allerdings kam es auch hin und wieder vor, dass das Multitalent seine Prinzipien und künstlerischen Standards zu Gunsten des Paychecks über Bord warf und Projekte annahm, bei denen seine künstlerische Freiheit erheblich eingeschränkt wurde. Dabei handelt es sich nicht nur um die höchstens mittelmäßige Fingerübung CHRISTINE (1983), basierend auf einer Stephen-King-Geschichte, sondern auch um den etwas unausgegorenen Thriller-Komödien-Mix JAGD AUF EINEN UNSICHTBAREN (1992), der sich unter Carpenter-Fans nicht allzu großer Beliebtheit erfreut. Zwar ist die aufwendige Studio-Produktion kein Meilenstein aber immer noch charmant genug, um zu unterhalten.
Handlung:
Finanzanalyst Nick Halloway (Chevy Chase) ist ein Schürzenjäger und weiß obendrein, das Beste aus seinem Job herauszuholen, ohne sich dabei zu verausgaben. Direkt, nachdem ihm Alice (Daryl Hannah) den Kopf verdreht hat, begibt er sich unausgeschlafen zu einem wichtigen Geschäftstermin. In dem Gebäudekomplex finden auch wissenschaftliche Experimente statt, und als Folge eines Unfalls wird Nick unsichtbar. Weiß er selbst anfangs noch nicht, wie ihm geschieht, sieht CIA-Agent Jenkins (Sam Neill) das Potential eines Agenten, der überall hingehen könnte, ohne entdeckt zu werden. Als Nick erfährt, was die CIA mit ihm vorhat, flieht er und macht sich auf die Suche nach einem Weg, wieder sichtbar zu werden. Doch Jenkins ist ihm mit seinen Leuten nicht nur dicht auf den Fersen, sondern mitunter auch einen Schritt voraus. So ist am Ende Alice die Einzige, an die sich Nick wenden kann. Selbst, wenn er sie damit auch in Gefahr bringt …
JAGD AUF EINEN UNSICHTBAREN (1992) gehört vermutlich zu den wenigen Carpenter-Filmen, die man in erster Linie nicht unbedingt direkt mit der Regie-Legende assoziiert. Das ist vermutlich der Tatsache geschuldet, dass der mittlerweile 73-jährige nicht die erste Wahl des Studios war. Ursprünglich sollte Komödien-Spezialist Ivan Reitman, dem wir immerhin GHOSTBUSTERS (1984) zu verdanken haben, den Film inszenieren, dieser überwarf sich allerdings mit Hauptdarsteller Chevy Chase, auf den die Produzenten keines Falls verzichten wollten. Entgegen seines sonstigen Rollen-Typus wollte der Comedy-Star etwas ernsthafteres auf die Beine stellen, weswegen auch das eigentliche Drehbuch von William Goldman umgeschrieben werden musste, da es dem Schauspieler zu komödiantisch erschien und er die Gefahr sah, eine weitere Variation seiner Clark-Griswold-Rolle aus den VACATION-Filmen spielen zu müssen. Also wurde das Skript von Dana Olsen und Robert Collector überarbeitet und John Carpenter für die Regie verpflichtet, da man der Meinung war, ein Horror-Regisseur würde der Geschichte eine interessante und ernsthaftere Note verleihen.
Allerdings ist dieser personelle Wechsel einer der größten Schwachpunkte des Films. Anscheinend wollte man in der Chef-Etage nicht auf den Humor, für den Chase immerhin bekannt und beliebt ist, verzichten und so lassen sich im fertigen Produkt immer noch zahlreiche Schmunzler und Gags ausfindig machen, besonders in der Art und Weise wie die Unsichtbarkeit dargestellt wird. So werden typische Alltagssituationen genutzt, um dem Gezeigten etwas Witz zu verleihen, was sich allerdings mit dem deutlich spürbaren Thriller-Ansatz beißt. JAGD AUF EINEN UNSICHTBAREN kann sich offensichtlich nie so ganz entscheiden, ob er jetzt eine spannende Verfolgungsjagd, wie man sie beispielsweise im ein Jahr später erschienenen AUF DER FLUCHT (1993) gesehen hat, sein möchte oder eine leichte Komödie, die die Unsichtbarkeit als Vorlage für schale Gags nutzt, die selten so wirklich zünden. Dazu kommt noch der Umstand, dass Nick Halloway als Protagonist eher unsympathisch daherkommt. Der schmierige Finanzanalyst ist durchweg ein Arsch, ein Aufreißer, der sich wenig um seinen Job und seine Mitmenschen kümmert, dabei aber immer wieder Erfolge verbucht. Bedenkt man dabei, wie sich Chevy Chase im Laufe seiner Karriere gegenüber seinen Kollegen und Mitmenschen verhalten hat (COMMUNITY-Schöpfer Dan Harmon kann ein Lied davon singen), dann ist man als Zuschauer eher weniger an dem Schicksal des Protagonisten interessiert. Allerdings besitzt Chase immer noch ein gewisses Charisma, der ganze Ansatz fühlt sich dennoch falsch an.
Immerhin reißt es Sam Neill als niederträchtiger CIA-Agent wieder heraus. Neill verkörpert mit großer Spielfreude den Antagonisten der Geschichte und bildet ein Pendent zur Hauptfigur, das fast schon den interessantesten Charakter des Films darstellt. Ein mit allen Wassern gewaschener, durchaus ambivalenter Bösewicht, der ohne Rücksicht auf Verluste seine Ziele verfolgt. Abseits der beiden Figuren, die das Katz-und-Maus-Spiel dominieren, bleibt die Besetzung eher blass. Sowohl Michael McKean, als auch Stephen Tobolowsky sind lediglich Stichwortgeber, die größte Fehlbesetzung ist aber Daryl Hannah. Zwar stand die Blondine anno 1992 noch in der Blüte ihres Lebens und auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, ihr fehlendes Talent macht sich aber sofort bemerkbar. Nicht nur ihr Spiel ist gelinde gesagt hölzern, auch die Chemie mit Chase kommt zu keiner Sekunde zum Tragen. Da passt es auch ganz gut, dass das Drehbuch aus der Liebesgeschichte so gar nichts herauszuholen vermag. Diese wirkt derartig konstruiert und unausgegoren, dass sie besonders im letzten Drittel den Handlungsfluss unmittelbar stört.
Denn bis dahin kann der Film zumindest mit seinem Tempo überzeugen. Regisseur Carpenter hetzt seinen Protagonisten von einer Konfrontation zur nächsten, die meistens für reichlich Action sorgen. Auch die digitalen Effekte, die ihrer Zeit erst durch den Welterfolg von James Camerons TERMINATOR 2 (1991) ermöglicht wurden, können sich immer noch sehen lassen, auch wenn einzelne Shots wie eine Nahrungsaufnahme etwas betagt wirken. Damals waren die technischen Spielereien und die Verwendung eines blauen Ganzkörperanzugs revolutionär und ein echter Hingucker, heute sicher kein sonderlich beeindruckendes Erlebnis mehr. Allerdings sind die digitalen Arbeiten der renommierten Firma Industrial Light & Magic immer noch besser gealtert, als so manch andere aus dieser Zeit. Gemessen am optischen Reiz, musste sich Carpenter hier nicht weit aus dem Fenster lehnen. Würde sein Name nicht im Vorspann erscheinen, würde man nicht wirklich darauf schließen, dass hier jemand von seinem Renommee auf dem Regiestuhl saß. Auch auf seinen charakteristischen Synth-Score müssen Fans verzichten. Die Musik wurde nämlich in Gänze von Shirley Walker komponiert und erinnert mit ihren orchestralen Arrangements eher an die Hitchcock-Filme der 1950er Jahre.
Explosive Media veröffentlichte den Film bereits 2019 im Mediabook. Die jüngst erschienene Blu-ray-Ausgabe ist daher ein Repack, dieses Mal allerdings im günstigeren Keep-Case. Die Extras, unter anderem Behind-the-Scenes-Aufnahmen, Interviews mit dem Regisseur und den Hauptdarstellern Chevy Chase und Daryl Hannah, sowie ein Featurette über die Effekte, wurden übernommen, Bild- und Tonqualität sind sehr gut.
Fazit:
JAGD AUF EINEN UNSICHTBAREN (1992) ist ein eher unausgewogener Film. Die nicht ganz passende Mixtur aus Thriller, Science-Fiction und Komödie wirkt ungelenk, wobei man viel Potenzial liegen lässt. John Carpenter hat diese Auftragsarbeit sichtbar auf einer Arschbacke abgedreht und trotzdem besitzt sie einen gewissen, kurzweiligen Unterhaltungswert, auch wenn das Ganze in keinster Weise mit den Klassikern der Regie-Ikone mithalten kann.
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