Mit seinem Spielfilm-Debüt CON AIR (1997) lieferte der ehemalige Werbeclip-Regisseur Simon West einen Actionkracher ab, der auch heute noch unter Fans der schwülstigen US-Reißer des Produzenten Jerry Bruckheimer einen nicht zu leugnenden Kult-Status besitzt. Mit seinem zweiten Film schaltete West jedoch ein paar Gänge zurück und präsentierte mit WEHRLOS – DIE TOCHTER DES GENERALS (1999) einen klassischen Thriller, in dem Ex-Kassenmagnet John Travolta den Mord an einer Generalstochter auf einem Militärstützpunkt aufklären muss. Paramount Pictures hat das fiebrige Katz-und-Mausspiel nun erstmals hierzulande auf blauer Scheibe veröffentlicht, ein Grund den Film nach über zwanzig Jahren auf Herz und Nieren zu prüfen.
Originaltitel: The General’s Daughter
Drehbuch: Christopher Bartolini, William Goldman; nach dem gleichnamigen Roman von Nelson DeMille
Regie: Simon West
Darsteller: John Travolta, Madeleine Stowe, Timothy Hutton, James Woods, Leslie Stefanson, Daniel von Bargen, James Cromwell…
Artikel von Christopher Feldmann
John Travolta spielt die Hauptrolle in einem großen Kinofilm, ein Satz, den man heutzutage vermutlich nicht mehr hören würde, schlägt sich der Altstar doch mittlerweile mehr schlecht als recht mit preiswert produzierten Direct-to-DVD-Heulern durch. In den 1990er Jahren sah die Sache aber ganz anders aus, war der gute Johnny doch zu dieser Zeit ein gefragter Star, der in diesem Jahrzehnt seinen zweiten Frühling feiern durfte. Nach gigantischen Hits wie SATURDAY NIGHT FEVER (1977) und GREASE (1978) erlitt der passionierte Tänzer und Sunny-Boy eine gehörige Durststrecke, bis ihn Regie-Gott Quentin Tarantino wieder aus der Versenkung zog und in seinem Meisterwerk PULP FICTION (1994) besetzte. Es folgten ergiebige Jahre für den Schauspieler mit italienisch-irischer Abstammung, die von nennenswerten Streifen SCHNAPPT SHORTY (1995), BROKEN ARROW (1996), FACE/OFF (1997) und ZIVILPROZESS (1998) geprägt waren. Kurz bevor Travoltas Karriere mit Beginn der 2000er Jahre wieder ins Straucheln geriet, drehte er den Thriller WEHRLOS – DIE TOCHTER DES GENERALS (1999), angelegt als vielversprechende Romanverfilmung, die selbstverständlich auf der Whodunit-Welle dieser Zeit mitzuschwimmen versuchte, die mit SIEBEN (1995) in Bewegung kam. An die großen Highlights dieser Bewegung reicht Simon Wests Südstaaten-Militär-Krimi zwar nicht heran, wer allerdings Travolta nochmal in Höchstform erleben möchte, dürfte ausreichend bedient werden.
Handlung:
General Joseph Campbell (James Cromwell) ist fast schon eine lebende Legende – nun nimmt er seinen Abschied, um in die Politik zu gehen, als seine Tochter Elisabeth (Leslie Stefanson), die ebenfalls beim Militär tätig war, tot aufgefunden wird. Mit der Aufklärung des Falles wird Warrant Officer Paul Brenner (John Travolta) beauftragt, der bei der Militärpolizei arbeitet und als einer der Besten gilt. Da es sich um eine Vergewaltigung zu handeln scheint, wird Sara Sunhill (Madeleine Stowe) den Ermittlungen zugeteilt. Gemeinsam versuchen Sunhill und Brenner den Täter ausfindig zu machen, doch dabei zeigt sich das Militär nicht besonders kooperativ. Mehr noch, Elisabeth Campbells Vergangenheit und rätselhaftes Leben spielen eine große Rolle bei dem Verbrechen.
WEHRLOS – DIE TOCHTER DES GENERALS markierte das vorerst letzte Aufbäumen John Travoltas an den internationalen Kinokassen, denn nur ein Jahr später folgte der kolossale Flop BATTLEFIELD EARTH (2000). Im hier vorliegenden Film zeigt sich der ehemalige Tanzflächen-König noch einmal von seiner gewohnt liebenswerten Seite, die er jahrelang kultivieren konnte. Als schlagfertiger, nie um einen kessen Spruch verlegener Crime-Investigation-Division-Officer flaniert er leichtfüßig durch die Handlung, was aber nur selten zur grundlegenden Thematik passt. Und das ist auch schon fast das größte Problem, das man der Romanverfilmung ankreiden kann oder gar muss, beißt sich Travoltas fast schon augenzwinkerndes Spiel mit der eher düsteren Geschichte, die sich um einen Mordfall an einer jungen Generalstochter dreht, die vor ihrer Ermordung augenscheinlich grausam vergewaltigt wurde. Inhaltlich bewegt sich das Drehbuch natürlich in der gemäßigten Komfortzone, die sich durch sämtliche Krimis der späten 1990er Jahre zieht.
Egal ob DER KNOCHENJÄGER (1999), DOPPELMORD (1999) oder das Hitchcock-Remake EIN PERFEKTER MORD (1998), all diese Filme sind ordentlich konstruierte aber nicht allzu harsche Vertreter des Mainstream-Spannungskinos und auch der hier vorliegende Streifen kann sich da beispiellos einreihen. Es gibt eine Schar Verdächtige, ein paar mal mehr, mal weniger gelungene Twists & Turns und die sichtliche Mühe um Tempo und Spannung. Die Autoren des Drehbuchs (vermutlich aber auch der Autor der Romanvorlage, welche ich aber nicht gelesen habe) verlassen sich recht auffällig auf die bewährten Elemente des Genres, präsentieren falsche Fährten und intensive Wortgefechte, die meist von Travoltas Figur angestoßen werden, der fast schon wie ein prollige Poirot-Version die Ermittlungen vorantreibt. Allerdings bleiben die Charaktere etwas sehr blass, am auffälligsten ist dies überraschenderweise bei den Protagonisten. Dass Brenner und seine Kollegin Sunhill mal ein Paar waren, erschließt sich erst durch kleine Gesprächsfetzen, ansonsten bleiben die Beiden stereotype Schablonen, denen kaum mehr Tiefe zugestanden wird, als es unbedingt nötig ist. Am ehesten ist es noch zu bewundern, dass das von Leslie Stefanson gespielte Opfer über den Film hinweg einen ordentlichen Charakterbogen bekommt. Der Rest besteht aus den üblichen Verdächtigen, die mehr von ihren Darstellern leben, als von ihrer Figurenzeichnung.
Am ehesten ist hier noch James Woods hervorzuheben, der mit seiner Darbietung als undurchsichtiger Colonel das heimliche Highlight des Films darstellt. Seine Wortgefechte mit Travolta sind die besten Szenen und sorgen für reichlich Spannung, schenken die beiden Hollywood-Veteranen doch überhaupt nichts. Dass die restlichen Figuren nur zu Stichwortgebern verkommen, macht auch die finale Auflösung etwas madig, deren Hintergrund zwar durchaus bewegend und überraschend ist aber mangels ausgereifter Charakterzeichnung an Impact einbüßt. Die Militär-Kritik, die nicht ungefähr an Rob Reiners Klassiker EINE FRAGE DER EHRE (1992) erinnert wird dabei ebenso zum zentralen Thema wie das klassische Whodunit-Element. Allerdings erreicht Wests Film nie die Klasse seines Vorbilds, was der Formelhaftigkeit des Gezeigten geschuldet ist. Zwar kann sich die Besetzung auch hier durchaus sehen lassen, bis auf Travolta und Woods, und vielleicht noch James Cromwell, bleiben aber hier wenige im Gedächtnis.
Rein inszenatorisch ist der Film so geraten, wie man es sich bei einem Regisseur wie Simon West vorstellen würde. So erinnert der Stil stark an vorangegangene Jerry-Bruckheimer-Produktionen wie eben CON AIR (1997) oder Michael Bays THE ROCK (1996), irgendwo zwischen überstilisierter Musikvideo-Ästhetik und Werbeclip versucht West die fiebrige Atmosphäre der Südstaaten einzufangen, was ihm stellenweise gelingt, auch wenn Kamera und Schnitt nicht immer vorteilhaft sind. Es fehlen, trotz brisanter Themen, die Ecken und Kanten und man wartet ständig auf eine fette Actionszene, die aber nie kommt, wenn man vom Beginn einmal absieht, fühlt sich das Ganze doch wie eine klassische Bruckheimer-Produktion an, auch wenn der Blockbuster-Garant nichts mit dem Film zu tun hatte. Die deutsche Synchro bietet immerhin Thomas Danneberg auf Travolta. Niemand konnte dessen schnippische, kesse Art so transportieren wie die Sprecher-Legende aus Berlin.
Die Blu-ray stammt von Paramount Pictures und das merkt man auch, ist die Aufmachung doch recht schlicht. An dieser hat ich in den letzten zehn Jahren nichts geändert. Ein statisches Menü, keine Extras und eine solide aber auch nicht berauschende Bild- und Tonqualität. Für kleines Geld durchaus akzeptabel. Immerhin gibt es ein Wendecover.
Fazit:
WEHRLOS – DIE TOCHTER DES GENERALS (1999) ist ein solider Militär-Krimi für den lockeren Filmabend, an den man nicht allzu hohe Erwartungen haben sollte. Ein routiniert konstruierter Plot, der stilistisch dem Zeitgeist der späten 1990er Jahre entspricht. Es gibt weitaus schlechtere Filme aber auch viele bessere. Schlussendlich kommen hier Travolta-Fans nochmal auf ihre Kosten, alle anderen werden den Film wahrscheinlich schnell wieder vergessen.
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