Die neue Gruselserie ist im Hause EUROPA, trotz mäßiger Kritiken, noch immer nicht begraben worden. Dies liegt natürlich an den guten Verkaufszahlen durch die alten Fans, die immer wieder hoffen, dass der Geist von H.G. Francis Neon-Gruselserie in der von André Minninger verfassten, neuen Serie irgendwann zu spüren ist. Bislang war dieser Spirit nur hier und da ein wenig vorhanden, aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Viel Mut machte es nicht, dass unsere Bitte um ein Vorabexemplar ungehört verhallte. Ob dies an der derzeitigen Urlaubszeit liegt oder man in bester Til Schweiger-Manier negative Vorabkritiken unterbinden wollte, vermag ich nicht zu beurteilen. Tatsächlich aber, entpuppte sich der achte Teil der hier und da recht bräsigen Jugendgruselserie, als bislang bester Beitrag mit vielen Anspielungen an die damalige Zeit und einer perfekt besetzten Desiree Nick als Anthagonistin, die man als unsympathische Irre wohl nicht besser hätte besetzen können.
Buch und Effekte: André Minninger
Regie und Produktion: Heikedine Körting
Geräusche: Wanda Osten
Sprecher: Helmut Zierl, Nicolas König, Hans-Peter Korff, Desiree Nick, Susanne Weingardt, Anne Moll, Anna Carlsson
Klappentext: Lässt sich der Lauf der Natur aufhalten? In einer entlegenen Beauty-Klinik in Edinburgh erhoffen zwei alte Studienfreunde ihr jugendliches Aussehen wieder zu erlangen. Doch die Schönheitschirurgin Professor Victoria Stone verfolgt ihre eigenen Pläne und sieht in den zwei Patienten ideal Versuchskaninchen für ein teuflisches Experiment …
Artikel von Christian Jürs
Orlando (Nicolas König) kann sich über seinen runden, fünfzigsten Geburtstag so gar nicht freuen. Nicht nur, dass ihm seine Freundin den Laufpass gegeben hat, auch seine Bewerbung um einen Posten bei der Bank wurde mit einer Absage belohnt. Die Schuld schiebt er auf sein altes, zerfurchtes Gesicht. Da kommt sein Kumpel Martin (Helmut Zierl) gerade recht, der ein ganz besonderes Geschenk für seinen besten Freund im Petto hat.
Ein Besuch in der Schönheitsklinik von Frau Doktor Stone (Desiree Nick) soll die Visagen der in die Jahre gekommenen Männer wieder zurechtbiegen. Orlando ist von der Idee zwar anfangs wenig begeistert, lässt sich dann aber doch breitschlagen und stimmt einem Wellnesswochenende zu. Doch bereits auf dem Parkplatz der Beauty-Klinik, die sich in einer alten Burg befindet, beginnt das Geburtstagskind wieder zu stutzen. Kein weiteres Fahrzeug ist weit und breit in Sicht. Der alte Harper (Hans-Peter Korff), der als Empfangschef der Klinik die beiden Neuankömmlinge begrüßt, kann diese Wogen jedoch schnell wieder glätten. Er bittet um die Fahrzeugschlüssel der Patienten, um das Auto vor einem drohenden Unwetter in der Tiefgarage zu platzieren. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Die Klinikchefin lässt sich derweil entschuldigen, da sie sich zum Zeitpunkt der Ankunft der beiden Freunde bereits zur Ruhe gebettet habe. Doch in den späten Abendstunden vernehmen die Männer plötzlich merkwürdige Schmerzensschreie einer anderen Patientin, die durch den Luftschaft in ihrem Zimmer erklingen und auch die Chefärztin ist zu hören, die laut und deutlich ihrer Assistentin Helen (Susanne Weingardt) Anweisung gibt, die wimmernde Patientin mit Stromstößen zu behandeln. Panik macht sich bei Orlando verständlicherweise breit und auch wenn Martin zunächst einmal die Sache entspannt sieht, so muss er am nächsten Tag doch am eigenen Leibe erfahren, dass der Aufenthalt in Klinik Frankenstein (der Name des Hörspiels spoilert diese Tatsache ja bereits), eine weniger gute, durchaus lebensgefährliche Idee war. Glücklicherweise ist Rettung bereits auf dem Weg…
Endlich, nach einigen extrem enttäuschenden Episoden und ein paar wenigen Lichtblicken, gelang es dem Team Minninger / Körting, wieder näher an die guten, alten Zeiten anzuschließen, als die Geschichten von H.G. Francis die heimischen Kinder- und Jugendzimmer mit wohligem Grusel erfüllten. Natürlich ist die Geschichte rund um Dr. Frankenstein und seine Experimente nicht der neueste Schrei in Sachen Horror, doch ebenso wie der Auftritt des Vampirfürsten in Folge 5 – Dracula – Tod im All, versprüht eben diese, an den klassischen Stoff angelehnte Geschichte, am ehesten noch die Atmosphäre und die Spannung, die man von einem Hörspiel der Reihe Grusel Serie erwartet. Gut, streng genommen wird es auch diesmal nicht wirklich gruselig, dafür kann die Folge aber an vielen anderen Ecken und Kanten punkten.
So geriet Frankensteins Nichte – Erbin des Wahnsinns weit weniger Geschwätzig als sämtliche Vorgänger der Reihe, die lieber mit Worten, als mit Taten hausieren gingen. Auch in Sachen Soundeffekte legte man eine gehörige Schippe drauf. War einer meiner Kritikpunkte an Folge 7 – Mondära – Im Todesgriff der Würgepflanze noch, dass auf der Soundeffektespur gähnende Leere herrschte, wenn eigentlich Gruselstimmung erzeugt werden sollte, so gibt es hier immer wieder eine atmosphäresteigernde Soundkulisse, die diesmal von Wanda Osten gestaltet wurde. Ein personell gelungener Neuzugang, an den man festhalten sollte.
Generell muss man das Personal diesmal wirklich loben, besonders vor dem Mikrofon. Alle machen einen prima Job, auch wenn Hans-Peter Korff altersbedingt mittlerweile ein wenig wie Professor Hastig aus der Sesamstraße klingt. Trotzdem war es natürlich toll, Onkel Heini hier zu hören. Desiree Nick, die ich eigentlich gar nicht ertragen kann, passt als böse Frau Doktor Stone tatsächlich ganz wunderbar, zumal ihre Stimme an Dr. Finistra aus dem Klassiker Dracula und Frankenstein, die Blutfürsten erinnert. Hier und da neigt sie allerdings zum Overacting. Einzig Lothar Palmer als Joey der Kellner ist eine komplette Fehlbesetzung. Der Mann kann leider so gar nicht überzeugend betonen. Glücklicherweise darf er nur ein paar wenige Sätze zum Besten geben.
Insgesamt aber ein rundum gelungenes Hörspiel, bei dem ich allerdings einmal mehr einen atmosphäreerzeugenden Erzähler vermisst habe. Dieser hätte auch Sätze wie „Eine Maske, sie streift eine Gummimaske ab.“ verhindert, den niemand so aussprechen würde, wenn er sich gerade in Lebensgefahr befindet. Auch die Musik, die in einer Telefonszene im Hintergrund dudelt, klingt mehr nach Gina Wild Porno, als nach atmosphärischem Grusel-Hörspiel. Dafür gibt es für Fans vom Klassiker Frankensteins Sohn im Monsterlabor aus der Neon-Gruselserie diverse Eastereggs zu entdecken, auch auf musikalischer Ebene, ganz am Ende.
Ich freue mich jetzt wieder auf weitere Folgen, denn unterm Strich ist diese Folge ein Gewinner.