Peace und lange Haare. Genau darum geht es in der von Miloš Forman (Einer flog über das Kuckucksnest) inszenierten Musicalverfilmung im Wesentlichen. Auch wenn der Film anno 1979 bereits spät dran war, das Theatermusical stammt aus dem Jahr 1967, die Aussage ist und bleibt zeitlos. Es ist die Geschichte eines jungen Mannes, kurz vor seinem Militäreinzug in Richtung Vietnam. Als er auf eine Gruppe Hippies trifft, verändert sich sein Leben allerdings grundlegend. Nicht nur, dass der Anführer der Blumenkinder ihm hilft, seinen heimlichen Schwarm näher kennen- und lieben zu lernen, auch leichte Drogen und Musik bestimmen plötzlich seinen Altag. CAPELIGHT PICTURES gönnte dem Klassiker nun eine wunderschöne Rundum-Sorglos-Edition, die wir Euch näher vorstellen wollen, damit auch Ihr den Sonnenschein hineinlassen könnt.
Regie: Miloš Forman
Darsteller: John Savage, Treat Williams, Beverly D´Angelo, Annie Golden, Dorsey Wright, Don Dacus
Artikel von Christian Jürs
Der junge, adrette Claude Hooper Bukowski (John Savage) verlässt sein wohlbehütetes Elternhaus in Oklahoma und macht sich mit dem Bus auf Richtung New York, wo er in wenigen Tagen zur Musterung beim Militär antreten soll. Wir befinden uns, wie eingangs erwähnt, in den späten Sechzigern und reihenweise junger Männer machen sich auf nach Vietnam, von wo viele von ihnen nicht mehr zurückehren werden. In seinen letzten Tagen in Freiheit, möchte Claude sich die Sehenswürdigkeiten der Großstadt ansehen, bevor er für sein Land in den Krieg ziehen wird.
Daraus wird aber nichts und stattdessen trifft er bei einer schicksalhaften Begegnung auf eine Gruppe Hippies, angeführt vom charismatischen und voller Lebensfreude steckenden George Berger (Treat Williams). Schicksalhaft, weil just in diesem Moment die aus reichem Haus stammende Sheila Franklin (Beverly D´Angelo) vorbeireitet, in die sich Claude auf den ersten Blick verliebt. Er schließt sich für den Abend der Hippiegruppe an und feiert, bei Gras und Musik, die Liebe und das Leben. Als sich am nächsten Morgen ihre Wege trennen sollen, entdeckt George in einer auf dem Boden liegenden Zeitung, die er gerade vollpinkelt, die mysteriöse Reiterin, die Claudes Herz eroberte. Der Artikel schildert, dass die Franklins auf ihrem Anwesen eine große Party ausrichten. Kurzentschlossen überredet Berger den schüchternen Claude, der feinen Gesellschaft einen Besuch abzustatten. Dieser endet zwar mit der Verhaftung der jungen Leute, jedoch auch mit Sheilas Aufmerksamkeit Claude gegenüber. Wird die aufkeimende Liebe der beiden eine Chance haben?
Musicalverfilmungen sind meist quietschbunt und beginnen heutzutage bereits bei der Einblendung der Produktionslogos damit, den ersten Song von vielen folgenden einzuspielen. Nicht so bei Miloš Forman Ende der Siebziger. Hier beginnt alles ruhig, an der Bushaltestelle, an der ein Vater seinem Sohn „auf Wiedersehen“ sagt, als dieser sich auf macht, in den Krieg für sein Land zu ziehen. Fünf Minuten später bereits gibt es singende Hippies und Polizisten, die ihre Pferde im Takt mittanzen lassen. Ein gewollter Kontrast. Denn war Claudes Welt zunächst grau und ohne Perspektive, so ändert sich dies, als George Berger in sein Leben tritt. Dieser wird großartig gespielt, gesungen und getanzt vom jungen Treat Williams (Dead Heat), dem man einen furchtbaren Wischmop auf den Kopf setzte, um als Hippie durchzugehen. Eine schlechtere Perücke sah ich zuletzt allerdings auf Ron Pearlmans Haupt im unsäglichen Monster Hunter, der gut vierzig Jahre später entstand, also Schwamm drüber.
Die Marschrichtung ist klar: Der weise Hippie George Berger zeigt dem jungen, braven und schüchternen Mann sowie dem aus reichen Verhältnissen stammenden Mädchen, was wirklich zählt im Leben. Make Love, not War – gipfelnd in einer riesigen Antikriegs-Demo-Musical Nummer. Das hat schon was. Die jungen Darsteller sind klasse, insbesondere Treat Williams und die blutjunge Beverly D´Angelo, die ihren Clarky hier noch nicht gefunden hat, überzeugen vollends. Die Musiknummern sind toll inszeniert, als ausufernde Tanznummern in meist einfachen, natürlichen Kulissen. Lediglich eine LSD-Trip-Sequenz in einer Kirche tanzt aus der Reihe. Songs wie „Aquarius“ und „Flesh Failures (Let the Sunshine In)“ sind auch heute noch echte Ohrwürmer, andere wiederum nicht (Stichwort: „Hare Krishna„).
Hair bereitet auch heute noch beim Zusehen und Mitwippen Spaß, auch wenn die Geschichte hier und da ein paar unnötige Schlenker zieht, wie der Moment, in dem plötzlich Hud (Dorsey Wright), der farbige Hippie in der Gruppe, von seiner Frau (Cheryl Barnes) mit dessen gemeinsamen Kind konfrontiert wird. Ein etwas bizarrer Moment, als er seinen Sohn nichtmal eines Blickes würdigt und die beiden im Regen stehen lässt. Fünf Minuten später ist dann aber tatsächlich alles eitel Sonnenschein – gar fröhlich ist das Hippieleben. Doch diesen Moment kann man dem Film nicht wirklich anlasten, sondern der recht naiven Vorlage.
Das Bild (1,85:1) der Blu-ray ist gestochen scharf und hat seinen alten Filmlook trotzdem nicht verloren. Der Ton (Deutsch und Englisch in DTS-HD Audio Master 5.1) ist ebenfalls ausgezeichnet. Deutsche und englische Untertitel sind vorhanden. Hier möchte ich allerdings anmerken, dass mir in der dt. Sprachfassung die englischen Lieder nicht untertitelt dargestellt wurden (diese erschienen lediglich, als ich eine komplette Untertitelung angewählt habe). Im Bonusbereich befindet sich eine TV-Promo, der Kinotrailer sowie weitere Werbetrailer. Ein gewohnt hochwertiges Booklet mit ebensolchem Inhalt von Laura Erler ist im Inneren des Mediabooks befestigt. Das i-Tüpfelchen ist allerdings die beiligende Soundtrack-CD, mit der man hinterher all die feinen Songs nochmal revue passieren lassen kann. Aaaaquuuaaariiiiuuuuusss…. Aaaaquuuaaariiiiuuuuusss.
Auch wenn der Film nicht so bunt wie die Ergüsse eines Baz Luhrmann daher kommt und die Botschaft einfach gestrickt ist, wirkt Hair auch heute noch groovy und rebellisch. Macht Spaß.