Na, was haben wir denn da? Ein Direct-to-Video-Actionfilm, dessen Prämisse verdächtig nach einem Stirb-Langsam-Klon klingt, FAST&FURIOUS-Spaßvogel Tyrese Gibson und Schauspielveteran John Malkovich in tragenden Rollen, dazu noch Martial-Arts-Ass Michael Jai White auf der Besetzungsliste. Heute scheint wohl mein Glückstag zu sein, klingt doch alles an ROGUE HOSTAGE (2021) nach anspruchslosem Spaß für kleine Jungs. Ob der Actionthriller, den Tiberius Film in die Online-Videotheken gebracht hat, diese Erwartungshaltung am Ende befriedigen kann, erfahrt ihr in unserer Kritik.
SPOILER: Kann er nicht!
Originaltitel: Rogue Hostage
Drehbuch: Mickey Solis
Regie: Jon Keeyes
Darsteller: Tyrese Gibson, Christopher Backus, Michael Jai White, John Malkovich, Brandi Bravo…
Artikel von Christopher Feldmann
Handlung:
Ex-Marine Kyle (Tyrese Gibson) ist die letzte Hoffnung der Geiseln. Schwer bewaffnete Terroristen überfallen den Supermarkt von Kyles Schwiegervater, dem Kongressabgeordneten Sam (John Malkovich). Deren Anführer führt einen persönlichen Rachefeldzug gegen den Politiker. In einem Wettlauf gegen die Zeit muss Kyle auf sich allein gestellt den Kampf gegen die Terroristen aufnehmen, um seine Familie sowie das Leben aller anderen zu retten.
Wie ihr vielleicht bemerkt habt, spare ich mir dieses Mal allzu viele einleitende Worte. Natürlich könnte man ein wenig über die Entwicklung günstig produzierter Actionfilme im Jahr 2021 schwadronieren oder die Karrieren von Tyrese Gibson und John Malkovich beleuchten aber, sind wir mal ehrlich, ein Streifen wie ROGUE HOSTAGE hat derartig viel Mühe nicht verdient. Ich bin ja wirklich leidensfähig was schlechte Filme angeht, immerhin schaue ich mir auch jeden neuen Bruce-Willis-Heuler an, wobei das wieder unter einer Art pervers-masochistischer Neigung zu verbuchen ist, aber manchmal werden selbst meine Nerven auf eine harte Zerreisprobe gestellt.
Ich habe in meinem Leben schon so einige Knock-Offs der bekannten und beliebten STIRB-LANGSAM-Formel gesehen, darunter viele mäßige aber immerhin auch einige gute. Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass dieses Konzept, sofern adäquat umgesetzt, immer funktioniert, zumindest wenn man einen geminderten Anspruch an straighter No-Brain-Actionkost hat. Der hier vorliegende Film dürfte aber zu den wohl lausigsten Produktionen dieser Gattung gehören, die ich je durchleiden musste. Auf dem Papier liest sich das Ganze ja eigentlich ganz ordentlich, so viel steht fest. Ein, von posttraumatischer Belastungsstörung geplagter Ex-Marine, der seine Probleme überwinden muss, um Geiseln vor ruchlosen Bösewichten zu retten, die in einer Art Supermarkt die Kontrolle übernommen haben. Das klingt jetzt nicht wahnsinnig originell (ist es auch in keiner Weise), kann man aber machen. Im Fall von ROGUE HOSTAGE ist es allerdings nahezu erschreckend, wie schlecht dies geraten ist. Die cineastische Talfahrt beginnt schon mit dem wirklich miesen Drehbuch, das ziemlich plump versucht, eine Art Geschichte auf die Beine zu stellen, dabei aber kläglich scheitert. Die abgegriffenen Story-Beats, die man natürlich schon tausendfach gesehen hat, wurden hier ohne jegliches Gefühl für Timing und Dramaturgie im Allgemeinen auf ein paar weiße Seiten geklatscht, dem Protagonisten noch etwas Kriegstraumata angedichtet und fertig ist die Chose, weil am nächsten Tag ja Drehstart war. Der Plot an sich ist gänzlich konventionell, bietet aber rein gar keine Spannungsmomente oder auch nur den Hauch an Kreativität.
Die Dialoge sind erbärmlich schlecht, wobei Tyrese Gibson den Vogel abschießt. Der Schauspieler und Musiker ist als Ex-Marine und strauchelnder Vater eine absolute Vollkatastrophe und beweist einmal mehr, dass er nicht zu mehr fähig ist, als in der FAST&FURIOUS-Reihe den Comic-Relief zu geben. Es gibt eine relativ frühe Szene, in der Gibson einen alkoholisierten Zustand spielen muss, da seine Figur gerade wieder einen bösen Flashback hatte. Diese eigentlich dramatischen zwei Minuten sind so haarsträubend und unfreiwillig komisch, dass ich mich kaum halten konnte. Wenn der Rapper mit Whisky-Glas und Zigarette rumfuchtelnd seine Zeilen abfrühstückt, sollte man als Zuschauer symbolisch die Augen schließen und die Ohren zuhalten.
Immerhin ist wenigstens noch John Malkovich am Start, wobei ich mich ernsthaft frage, was den eigentlich sonst so souveränen Schauspieler in diese Sorte Film verschlagen hat. Klar, auch ein John Malkovich dreht mal für den Paycheck und steht jetzt nicht nur für Arthouse-Ware aber ROGUE HOSTAGE? Ernsthaft? Zumindest muss man ihm zugestehen, dass er trotz des erkennbar niedrigen Produktions-Volumens und der mangelnden Drehbuchqualität immer noch das bestmögliche aus seiner zugegeben unterschiebenen Rolle herausholt. Gute Schauspieler zeichnet immer noch das Können aus, aus wenig viel zu machen und Malkovich würde dich durchaus zu dieser Kategorie zählen. Das größte Sakrileg ist aber zweifelsohne Action-Darsteller und Martial-Arts-Profi Michael Jai White, der hier in einer völlig belanglosen Wegwerfrolle zu sehen ist. Für mich als Actionfan im Allgemeinen ist es immer wieder ein Affront, dass ein so begnadeter Kampfsportler wie White keine vernünftigen Rollen in seinem eigenen Genre bekommt. Hier hat er rein gar nichts zu tun, was nur ein weiterer Beweis dafür ist, dass der Regisseur so gar keine Ahnung hatte, was er tun sollte.
Wo wir auch schon beim Elefanten im Raum wären. John Keeyes, der in seiner Vita nichts von Relevanz vorzuweisen hat, inszeniert diesen „Actionthriller“ so lahmarschig wie ich es selten gesehen habe. Ohne Gespür für jegliche Dynamik, dümpelt das Ganze ereignislos vor sich hin, die eigentliche Action ist hier Mangelware und wenn sie mal stattfindet, dann ist sie so hüftsteif und so uninspiriert in Szene gesetzt, dass man sich ernsthaft fragt, ob sich der Regisseur nicht im Set geirrt hat. Wenn Tyrese Gibson ein paar Baddies mit Molotowcocktails bewirft, dann ist das schon als High-Octane-Action zu bewerten. Ein paar Schläge hier, ein bisschen Peng! Peng! da und fertig ist die Laube. Auch das Supermarkt-Setting, wobei ich hier eher Second-Hand-Trödelladen-Vibes hatte, wird so überhaupt nicht genutzt. Das lässt mich wohlig an Antoine Fuquas THE EQUALIZER (2014) denken, in dem ein Baumarkt gebührend in die Action eingebunden wurde. ROGUE HOSTAGE hätte genauso gut in einem Waschsalon oder in einem Tante-Emma-Laden spielen können, wäre schlussendlich auf Latte.
Tiberius Film hat den Streifen kürzlich als Video on Demand veröffentlicht. Bild- und Tonqualität sind gut, die physische Auswertung folgt im Dezember.
Fazit:
Wenn ihr Bock auf einen straighten No-Brain-Actioner habt, der sich auf das altbekannte STIRB-LANGSAM-Konzept stützt, dann schaut nicht ROGUE HOSTAGE (2021), sondern irgendein anderes der tausend Knock-Offs, die seit den späten 1980er Jahren durch die Videotheken gereicht wurden. Diese 93 Minuten Lebenszeit gibt euch niemand wieder!
Christopher auf Letterboxd – Your Life in Film folgen