Meyer Lansky gilt als einer der wichtigsten Köpfe des organisierten Verbrechens des 20. Jahrhunderts und das, obwohl seine Person in diversen, auf wahren Ereignissen beruhenden Gangsterfilmen nur am Rande auftaucht. Regisseur und Autor Eytan Rockaway portraitiert in seinem zweiten Spielfilm LANSKY (2021) den Einfluss und die Macht des jüdischen Mobsters und zeichnet dessen Lebensgeschichte nach. Koch Films veröffentlicht das biografische Gangsterdrama mit Oscar-Preisträger Harvey Keitel nach der digitalen Auswertung nun auch in physischer Form und ob es das Werk mit den Klassikern des Genres aufnehmen kann, erfahrt ihr in unserer Kritik.

Originaltitel: Lansky

Drehbuch & Regie: Eytan Rockaway

Darsteller: Harvey Keitel, Sam Worthington, John Magaro, Minka Kelly, David James Elliott, David Cade…

Artikel von Christopher Feldmann

Die Filmgeschichte ist voll von Werken, die einen detaillierten Blick auf das organisierte Verbrechen mit ihren mafiösen Strukturen werfen. Francis Ford Coppola beispielsweise behandelte die Aktivitäten der Cosa Nostra in seiner Oscar-prämierten DER-PATE-Trilogie (1972-1990) und auch Martin Scorsese kehrte immer wieder thematisch zum Gangsterfilm zurück, zuletzt in der prestigeträchtigen Netflix-Produktion THE IRISCHMAN (2019). Die Faszination der Mafia, deren Regeln und Vorgehensweisen ist ungebrochen und schon viele berühmtberüchtigte Verbrecher wurden schon für das Kino adaptiert, allen voran Al Capone. Der jüdische Mobster Meyer Lansky hat es bisher allerdings nie wirklich in die kinematographische Ruhmeshalle geschafft, sondern tauchte lediglich als Nebenfigur in Stoffen auf, die auf andere Gangster als Protagonisten setzten, wie etwa BUGSY (1991) mit Warren Beatty, in dem die Figur von Ben Kingsley verkörpert wurde. Bis auf den vergessenen LANSKY – AMERIKANISCHES ROULETTE (1999), mit Richard Dreyfuss in der Hauptrolle, widmete sich bisher kein Film dem Leben des „Bankiers des organisierten Verbrechens“. Dies änderte nun Eytan Rockaway, der sich mit LANSKY (2021) auf noch unbearbeitetes Terrain begab und ein ruhiges, melancholisches Gangster-Biopic inszenierte, das vor allem Fans des Genres zusagen dürfte, immerhin verkörpert mit Harvey Keitel ein echtes Schwergewicht die Titelrolle, was über manche Längen hinwegtröstet.

Handlung:

1981 erhält der Journalist David Stone (Sam Worthington) in einer kreativen Durststrecke die Chance, den greisen Gangster Meyer Lansky (Harvey Keitel) zu interviewen, der vor seinem Tod seine eigene Sicht auf seinen Part im organisierten Verbrechen vermitteln will. Während der Reporter mehr und mehr über das Leben Lanskys erfährt, gerät er ins Visier des FBI, das mit dem Mobster noch keinesfalls abgeschlossen hat. 

Klassische Gangsterfilme, besonders mit dem Schwerpunkt auf dem organisierten Verbrechen, begeistern mich seit jeher, nicht umsonst zähle ich unter anderem GOODFELLAS (1990) zu meinen absoluten Lieblingsfilmen. Dabei haben es mir weniger die klischeebehafteten Posen oder der inflationäre Gebrauch von Mord und Totschlag angetan, sondern die detailgetreue und ausführliche Aufarbeitung der mafiösen Strukturen, mit all ihren Prozessen und Hierarchien. Wenn ein Film wie beispielsweise CASINO (1995), ebenfalls inszeniert von Martin Scorsese, eine geschlagene Dreiviertelstunde damit verbringt, das von der Cosa Nostra gesteuerte Treiben in Las Vegas mit allen Facetten zu veranschaulichen, bevor der eigentliche Plot ins Rollen kommt, dann kann ich mich daran gar nicht sattsehen. Aus diesem Grund passt ein Film wie LANSKY absolut in mein Gusto, vor allem da er mir einen Menschen und dessen „Schaffen“ näherbringt, von denen ich bisher nicht viel wusste.

Wer hier allerdings einen „geistigen“ Scorsese-Film erwartet, der wird schnell enttäuscht werden, legt das biografische Drama seinen Schwerpunkt doch eher auf den Dialog zwischen zwei sehr unterschiedlichen Menschen. Auf der einen Seite der in die Jahre gekommene Mobster, auf der anderen der von einer Durststrecke geplagte Autor. Im Verlauf der Handlung entwickelt sich zwischen den Beiden eine gewisse Bindung, man könnte fast behaupten, dass Lansky so etwas wie eine väterliche Rolle übernimmt, der seinem Gegenüber immer wieder ein paar Lebensweisheiten vermittelt, während er ganz nonchalant über sein Leben und seine Karriere plaudert. In Rückblenden bekommt der Zuschauer dann immer wieder einzelne Episoden aus der Vergangenheit Lanskys zu sehen, etwa die Anfänge und der rasche Aufstieg im organisierten Verbrechen New Yorks, seinen Platz im „National Crime Syndicate“, die Gründung der „Murder Inc.“ oder auch seine Zeit auf Kuba, in der er mit Glücksspiel viel Geld verdiente. Während die Rahmenhandlung eher melancholisch erzählt wird, geizen die Blicke in die Vergangenheit nicht mit typischen Tropes des Mafiafilms. Geheime Absprachen, Attentate oder auch die obligatorischen Schwierigkeiten mit der eigenen Ehefrau (tatsächlich gibt es eine Szene, die fast eine 1:1-Kopie von GOODFELLAS darstellt). In diesen Moment strauchelt der Film immer wieder ein wenig, da ihm der eigene Stil, beziehungsweise das Alleinstellungsmerkmal fehlt. Natürlich sind diese Momente zum Großteil unterhaltsam und interessant, die bemächtigen sich aber Mitteln, die man schon in zahlreichen anderen Werken gesehen hat, nicht nur bei Scorsese.

Bei einer Laufzeit von zwei Stunden wirkt die Abhandlung eines ganzen Lebens zudem sehr gehetzt und LANSKY kann seinen episodischen Charakter nie abschütteln, werden immer nur einzelne Momentaufnahmen präsentiert, andere durchaus wichtige Stationen, wie der Konflikt mit Bugsy Siegel, nur angerissen oder eben ausgespart. Dadurch fehlt dem Ganzen ein gewisser Fluss, wobei man sagen muss, dass das Leben Meyer Lanskys so viel bietet, dass man daraus auch zwei ganze Filme hätte machen können. Zudem bremst die Nebenhandlung um die FBI-Ermittler die eigentliche Geschichte immer wieder aus, einen richtigen Mehrwert oder etwas wirklich relevantes bietet sie auch nicht. Somit fühlt sich alles etwas uneben an, was aber nicht bedeutet, dass es sich hier um einen schlechten Film handelt.

Ganz im Gegenteil, ich mochte LANSKY wirklich sehr, vor allem für seine entschleunigte Erzählung. Man merkt den Rückblenden zwar immer mal wieder an, dass hier kein Blockbuster-Budget zur Verfügung stand, überzeugen können sie dennoch und der Mafia-Pathos stellt trotz einiger Klischees dann doch zufrieden. Besonders die Darsteller machen ihre Sache sehr gut, vor allem John Magaro als junge Version Lanskys hängt sich sichtlich rein und legt eine Performance hin, die fast schon an den jungen Robert De Niro erinnert. Zwar bekommen andere Gesichter wesentlich weniger Raum, dennoch funktionieren sie als Ganzes. Den wahren Anker des gesamten Projekts stellt allerdings Oscar-Preisträger Harvey Keitel dar. Als greiser, mit allen Wassern gewaschener und trotzdem wehmütiger Mafioso liefert er eine reduzierte aber wirklich tolle Performance ab. Wenn Keitel (in der deutschen Synchro von niemand geringerem als Christian Brückner gesprochen) von den alten Tagen erzählt, kleine Geheimnisse preisgibt und dabei immer von einer gewissen Unnahbarkeit umgeben wird, klebt man förmlich an seinen Lippen. Dabei fällt gar nicht so auf, dass Sam Worthington die undankbarste Rolle inne hat.

Inszenatorisch kann dieser kleine Genre-Beitrag natürlich nicht mit den Schwergewichten dieses Schlags mithalten, dafür fehlen LANSKY einfach die imposanten Shots, die prunkvollen Sets oder auch der Glanz, den eine Lebensgeschichte wie diese eigentlich benötigt. Durch den Fokus auf das Interview gelingt Rockaway allerdings eine gewisse Intimität, die die Person Meyer Lansky auch ein wenig greifbar macht, obwohl das Ende fast schon etwas verklärend wirkt, angesichts der zahlreichen schweren Verbrechen, die der Mann begangen hat. Das muss man nicht mögen und trotzdem fand ich es auf eine gewisse Art und Weise passend, wenn man sich ins Gedächtnis ruft, dass der Film zwar von wahren Ereignissen inspiriert aber keineswegs zu hundert Prozent faktengetreu ist.

Koch Films veröffentlicht das Gangsterdrama nach digitaler Auswertung in den einschlägigen Online-Videotheken nun auch als Blu-ray und DVD im Heimkino. Bild- und Tonqualität sind sehr gut, als Extras gibt es ein Making-Of, Featurettes und den Trailer.

Fazit:

LANSKY (2021) revolutioniert nicht das Genre des Mafiafilms und leidet vor allem unter seiner episodischen Struktur. Allerdings sollten alle Fans solcher Werke durchaus einen Blick riskieren, gelingt Eytan Rockaway doch ein durchaus stimmungsvoller, interessanter und auch manchmal warmherziger Film mit einem großartigen Harvey Keitel. In Gänze nicht perfekt aber durchaus sehenswert.

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