Der Streifen war vor zwei Jahren die teuerste Filmproduktion Indonesiens…und auch eine der längsten überhaupt. Vom Drehbuch bis zur letzten Klappe sind neun (!) Jahre ins Land gezogen und niemand weiß, was da eigentlich so lange gedauert hatte. Wahrscheinlich war es die CGI, die bei dem Spaß so zeitintensiv war – denn Foxtrot Six ist der erste indonesische Film, der voll auf CGI setzte. Damit das ganze viele Geld nicht unnütz verpuffte, heuerte man ein paar Hollywood-Veteranen an, die mit ihrem Fachwissen die Actionkiste für den Weltmarkt rund machen sollten. Mario Kassar beriet die Produktion, griff beim Drehbuch ein und verlangte die Originaldialoge auf Englisch, Mark Goldblatt war der Coach beim Filmschnitt und Andrew Juano war Chef für die CGI. Allein Kassar und Goldblatt haben halb Hollywood im Portfolio, kein schlechtes Personal also, da kann eigentlich nichts schiefgehen. Zumal Iko Uwais (The Raid, 2011) Fight Team hier die Action übernahm. Doch hat es was genützt? Verpuffte das Budget? SQUAREONE ENTERTAINMENT bringt den Gassenhauer nun im Heimkino heraus.
Regie: Randy Korompis
Darsteller: Oka Antara, Verdi Solaiman, Chicco Jerikho, Rio Dewanto, Arifin Putra, Mike Lewis
Artikel von Kai Kinnert
Indonesien im Jahr 2031: Der eskalierende Klimawandel hat die Weltwirtschaft auf den Kopf gestellt und mit dem Absterben der Pflanzen und dem Anstieg der Lebensmittelpreise haben Nahrungsmittel, als wertvollstes Gut der Welt, das Öl längst abgelöst. Als eines der wenigen Länder, die noch fruchtbar sind, steigt Indonesien schnell zur wirtschaftlichen Supermacht auf, mit einer korrupten, brutalen Regierungspartei namens PIRANAS, die rücksichtslos gegen die eigene Bevölkerung agiert. Doch ein aus sechs Kämpfern bestehendes Team ehemaliger Elitesoldaten, genannt Foxtrot Six, nimmt den aussichtslosen Kampf auf.
Tja. Wo fängt man da an? Vielleicht damit, dass das indonesische Actionkino noch recht jung ist und maßgeblich durch Gareth Evans geprägt wurde. Evans traf einst bei den Dreharbeiten zu einem Dokumentarfilm in Jakarta auf Iko Uwais, der bis dahin mit Film nix am Hut hatte, jedoch in der Kampfkunst Silat sehr trainiert war. Gareth Evans fiel die Präsenz von Iko auf und er heuerte ihn quasi direkt auf der Straße an. Ihr erster gemeinsamer Actionfilm war Merantau (2009) und der zweite The Raid (2011), der zu einem grandiosem Martial Arts Film geriet, ein weltweiter Festivalknüller, ein Spektakel an grandiosen Stunts, ein Maßstab in der Inszenierung von Kämpfen, knüppelhart und dennoch mit einem strunzdummen Drehbuch versehen. Im Actionkino geht es um Kinetik und Impact…und Gareth Evans hatte ein Gespür dafür, ein Händchen für die Inszenierung von Action. Nach The Raid 2 (2014) flog Evans zurück nach London und produzierte dort die grandiose Sky-Serie Gangs of London (2020), die eine der besten Actionserien der Welt ist. Gareth Evans benutzt kurze Brennweiten für die Inszenierung der Action und setzt auf lange Einstellungen, Blickwinkel und Schnitt sind die Arbeit eines Actionliebhabers – da setzt jemand auf die Wirkung im Bild.
„Das können wir auch!“ riefen alsbald die jungen Filmemacher Indonesiens und schoben, meist für Netflix, den einen oder anderen Klopper nach, der The Raid in Punkto Action und Brutalität rechts überholen sollte. Streckenweise gelang es auch, filmisch jedoch nicht. Was nützen Blut und Prügel, wenn Regisseur und Kamera nicht mitmachen. Nicht der Schnitt entscheidet über das Tempo einer Szene, sondern die Dauer der Kinetik im Bild, das Drama und Können der Bewegung. Die Brennweite der Objektive muss stimmen, um reinen Kampf in seiner Rohheit filmisch elegant pulsieren zu lassen. Hinbekommen hat das nach The Raid 2 niemand mehr. Eine schwere Aufgabe also für die Produzenten von Foxtrot Six, die um den Erfolg von The Raid wussten und riesengroße Fans von Mario Kassar gewesen sein mussten. Man wollte eben Hollywood… und keinen Filmemacher aus der Independent-Ecke.
Und so kam es, wie es kommen musste: der Karren wurde gegen die Wand gefahren. Nicht nur, dass es für einen harten Actionfilm hier recht viel Dialoge und Erklärungen gibt, es dauert einfach alles, sondern der Held hat auch noch eine Tochter. Das haben viele Helden im Actiongenre, aber hier lädt es zu kitschigen Szenen ein, die ihren Höhepunkt auf dem Rollfeld eines Flugplatzes finden. Bunt und im Gegenlicht ausgeleuchtet – als wäre Michael Bay am Set und nicht Mario Kassar. Papa ist in voller Kampfmontur und auf dem Weg zum Fallschirmsprung, als Töchterchen auf ihn zu läuft. Er fällt auf die Knie, sie fällt ihm in die Arme, die Musik spielt auf und die Kamera liefert eine große, bunte Einstellung. Dazu ein Dialog aus dem Malbuch für Autoren. Eine der großen Schwächen von Foxtrot Six ist das Drehbuch, das mit einem Batzen an schlunzigen Erklärungsdialogen und mangelhafter Konzentration aufs Wesentliche reichlich Minuspunkte einfährt.
Doch auch bei der CGI knarzt es. Die Produzenten haben tatsächlich die meiste Kohle für die Jungs am Computer ausgegeben…und nicht für Iko Uwais und sein Stuntteam. Da der Film in der Zukunft spielt, gibt es hier permanent Hintergründe, Gefechte und Objekte aus dem Computer zu bewundern, wobei jedes mal die Frames minimal in der Bewegung stocken. Immer wenn es irgendwo ruckelt weiß man: Hallo CGI. Aber es gibt auch einen anachronistischen Effekt in Foxtrot Six zu bestaunen. Wenn Papa sich auf dem Rollfeld von seiner Tochter verabschiedet und mit dem Flugzeug bei Nacht und Nebel abhebt, hat man doch tatsächlich ein Modell ganz old school von der Lego-Platte in den Studiohimmel gezogen. Wie erfrischend.
Aber das sind nur filmische Mätzchen, wie sieht es denn mit der Action aus? Nun. Nun ja. Also, naja, da gibt es diese eine Sache…aber bevor ich die erwähne, gehe ich kurz auf die Martial Arts ein. Hier ist die Inszenierung schwach, sie verlässt sich zu sehr auf den Schnitt und das CGI und findet keinen filmischen Weg außerhalb der Konvention. Einige Stunts und Einstellungen kann man als gelungen abhaken, im Großen und Ganzen wäre aber mehr möglich gewesen. Hätte sich das Drehbuch einfach mal aufs Wesentliche konzentriert.
Und nun kommen wir zu der kleinen Actionüberraschung, die der Streifen plötzlich auspackt. Zu Ehren Mario Kassars treten plötzlich noch der Predator und der Terminator auf. Nun gut, nicht so wirklich, aber dennoch erkennbar. Plötzlich, mitten im Feuergefecht, wird jemand von hinten mit einer Lanze durchbohrt…ein blitzschneller und unsichtbarer Kämpfer lichtet mit einer Lanze die Reihen der Gegner. Hoppla, was ist da los? Der Mann mit dem Unsichtbarkeits-Umhang schlägt zu, und danach kommt der Typ im Robocop-Kampfaufzug, bewaffnet mit einer Mini Gun und reichlich Munition.
Foxtrit Six hat sich schlichtweg übernommen. Ein großes Actionspektakel sollte der Film sein, mit viel Licht und Handlung, mit Kämpfen und Shoot Outs, CGI aller Orten und Fallschirmsprung, den Predatominator inklusive. Doch das Drehbuch ist zu aufgeblasen, die Inszenierung findet kein Timing und die Action verpufft unter dem unreifen CGI-Feuerwerk. Schade, denn weniger wäre hier mehr gewesen. Hätte man doch nur Gareth Evans gefragt.
Das Bild der mir vorliegenden Blu-ray ist gut, der Ton ebenso. Als Extras gibt es den deutschen Trailer.