Das kam jetzt überraschend. In den letzten Monaten veröffentlichte TURBINE MEDIEN meist ehemalige Blockbuster wie Daylight, Dragonheart und 23 – Nichts ist so wie es scheint in aufwändigen Mediabookauflagen. Der vorliegende Film fällt aber ein wenig aus diesem Raster, da es sich um eine kleine, in Vergessenheit geratene Produktion handelt, die hierzulande bislang nur auf VHS ausgewertet wurde – in einer massiv gekürzten Fassung. Doch irgendwer im Hause Turbine muss diese Horror-Anthologie abgöttisch lieben, denn was hier auf satten vier Discs abgeliefert wurde, ist unglaublich liebevoll zusammengestellt und hat Referenzcharakter. Ob der Film diese aufwändige Aufarbeitung wohl verdient hat?
Alternativtitel: The Offspring
Regie: Jeff Burr
Darsteller: Vincent Price, Clu Gulager, Terry Kiser, Cameron Mitchell, Rosalind Cash, Susan Tyrrell
Artikel von Christian Jürs
Der amerikanische Regisseur Jeff Burr ist Filmemacher aus Leidenschaft. Sein Herz scheint dabei ganz besonders für das Horrorgenre zu schlagen, denn dort tobt sich der gute Jeff immer wieder fleißig aus. So geht das recht brauchbare Sequel Stepfather 2 mit Terry O´Quinn ebenso auf sein Konto wie die Fortsetzung des Rachehorrorfilms Pumpkinhead. Sein größter Wurf war einst der dritte Teil der Texas Chainsaw Massacre Reihe, der unter dem Titel Leatherface: Texas Chainsaw Massacre III vermarktet wurde. Dieser litt allerdings unter massiven Einsparungen und noch massiveren Zensuren, was dazu führte, dass der Horrorfilm schließlich an der Box Office scheiterte. Ein Jammer, war doch ausgerechnet dieser Teil recht ansehnlich. Fortan backte Jeff Burr kleinere Brötchen und inszenierte u.a. für Charles Band die Puppenhorrorfilme Puppet Master 4, Puppet Master 5 und Puppet Master: Blitzkrieg Massacre. Die Nacht der Schreie – From a Whisper to a Scream war damals sein erster abendfüllender Spielfilm, für den Burr sogar Horrorlegende Vincent Price verpflichten konnte. Dieser ließ sich damals von dem jungen Filmemacher bequatschen und war von dessen Enthusiasmus so beeindruckt, dass er prompt zusagte. Im Nachhinein soll Price diese Entscheidung allerdings bereut haben.
Gleich zu Beginn wohnen wir der Hinrichtung der mehrfachen Mörderin Katherine White (Martine Beswick) durch die Giftspritze bei (und entdecken dabei Reservoir Dogs Auftraggeber Lawrence Tierney in einer kleinen Nebenrolle). Ebenfalls zugegen ist die Reporterin Beth Chandler (Susan Tyrrell), die der Geschichte der Frau, die bereits in Kindestagen zur Killerin wurde, auf den Grund gehen möchte. Zu diesem Zweck besucht sie im Anschluss an die fröhliche Veranstaltung Katherines Onkel Julian White (Vincent Price) in der Bibliothek seines Anwesens. Er ist der Auffassung, dass der Ursprung des Bösen in seinem Heimatort Oldfield nicht von den Menschen, sondern von der Stadt an sich ausgeht. Um Beth dies zu beweisen, schildert er ihr vier schaurige Anekdoten aus dem kleinen Kaff Oldfield, die sich in den letzten Jahrzehnten dort zugetragen haben.
Was Beth nun zu Ohren bekommt, sind grausige Erzählungen wie die des durchgeknallten Stanley Burnside (Clu Gulager), der seine eigenartige, kranke Schwester (Miriam Byrd-Nethery) pflegt, jedoch ein Auge auf seine attraktive Kollegin Grace Scott (Megan McFarland) geworfen hat. Die ist allerdings eine Hausnummer zu groß für den schmierigen Stanley. Trotzdem fast allen Mut zusammen und lädt seine Kollegin auf ein Date ein, welches allerdings in einer blutigen Katastrophe endet.
Dann wäre da noch die Geschichte von Jesse Hardwicke (Terry Kiser), der auf der Flucht vor zwei Gangstern so schwer verletzt wird, dass sein Tod unausweichlich scheint. Trotzdem kommt er kurze Zeit später in der Hütte von Felder Evans (Harry Caesar) wieder zu sich – komplett unversehrt. Wie kam es dazu und welches Geheimnis verbirgt Jesses Lebensretter?
Im Anschluss geht es auf in die Welt der Gaukler und Freaks, zum Jahrmarkt von Oldfield. Dort arbeitet der hoffnungslos verliebte Glasfresser Steven (Ron Brooks) für eine geheimnisvolle und bösartige Zirkusleiterin (Rosalind Cash), die es ihrem Zögling auf schmerzliche Weise untersagt, sich mit seiner herzallerliebsten Amarrillis (Didi Lanier) zu treffen. Eines Tages aber fasst er allen Mut zusammen und wagt mit Ihr die Flucht. Keine gute Idee…
In der letzten Geschichte begeben wir uns in die Vergangenheit, in die Zeit, als gerade der Krieg zwischen den Nord- und den Südstaaten beendet wurde. Doch vom Ende des Krieges will der jähzornige Sgt. Gallen (Cameron Mitchell) nichts wissen. Er zieht weiter mordend mit seinen Männern durchs Land, auf der Suche nach einsamen Witwen, denen die Männer es mal so richtig besorgen wollen. Stattdessen treffen sie jedoch auf eine Gruppe einsamer, verwundeter Kinder, die ihren eigenen Krieg führen… den Krieg gegen die Erwachsenen…
Horror-Anthologien haben immer einen gewissen Reiz, da durch die verschiedenen, abwechselnd erzählten Geschichten mit geringer Laufzeit selten Langeweile aufkommt. Ob Creepshow, Tales of Halloween, The Mortuary – Jeder Tod hat eine Geschichte oder Katzenauge, für kurzweiligen Horrorspaß ist fast immer gesorgt – so auch hier. Auch wenn Die Nacht der Schreie – From a Whisper to a Scream kein Meilenstein des Genres darstellt, so weiss der Film doch zu unterhalten und kann mit bösartigen Pointen punkten. Gruselfan, was willst Du mehr?
Punkten kann vor allem aber diese wahnsinns Veröffentlichung von Turbine Medien. Alter Falter, was die Jungs und Mädels hier zusammengetragen haben, ist beeindruckend. Nicht nur, dass der Film hierzulande erstmals in HD veröffentlicht wurde, nein, die damals fehlenden Dialogstücke wurden wunderbar und – trotz Sprecherwechsel – quasi unbemerkt wieder in den Film integriert. Die Bild- (1,85:1 / 1080p) und Tonqualität (Deutsch und Englisch DTS-HD Audio Master 2.0 mono) ist sehr gut (man muss aber natürlich das Alter des Streifens dabei berücksichtigen). Begrüßt wird man zudem beim Start der Scheibe von einem gut aufgelegten Jeff Burr, der uns ein Vorwort spendiert. Außerdem gibt es gleich 3 Audiokommentare. Disc 2 beinhaltet dann die „Open-Matte-Version“ in 4:3 für VHS-Junkies, eine Bildergalerie mit Audiokommentar und zwei Dokumentationen. Disc 3 ist ein ganz besonderes Schmankerl, findet man dort doch – weltexklusiv – die frühen Kurzfilme von Jeff Burr, beginnend bei tonlosen Super 8-Jugendsünden bis hin zu seinem ersten veröffentlichten Kurzfilm Divided we Fall mit Nicholas Guest. Bei der vierten Disc handelt es sich um eine, ebenfalls weltexklusive, Soundtrack-CD. Das 40 seitige Booklet mit Texten von Jeff Burr und Marco Siedelmann rundet das Komplettpaket perfekt ab.
Oldschool-Horrorfans werden an den Geschichten rund um Kannibalismus, Nekrophilie, Voodoozauber und anderen Monstrusitäten mit Sicherheit ihre Freude haben. Die Ultimate 4-Disc-Edition ist zudem ein echtes Schmuckstück, welche uncut und ungeprüft daher kommt. Man sollte nun aber auch kein Splatterfest erwarten. Der ehemalige Indextitel dürfte heutzutage einer FSK-Prüfung durchaus standhalten.