Jodie Foster gehört zweifelsohne zu den großen Charakterdarstellerinnen des modernen Kinos. Einen großen Karriereschub erfuhr sie dank ihrer preisgekrönten Performance als für Gerechtigkeit kämpfendes Vergewaltigungsopfer in ANGEKLAGT (1988). Paramount Pictures Home Entertainment veröffentlicht das packende Justizdrama demnächst erstmals in High Definition. Ein Grund, den Film nochmal auf Herz und Nieren zu prüfen und dabei festzustellen, dass die Themen auch heute noch erschreckend aktuell sind.

Originaltitel: The Accused

Drehbuch: Tom Topor

Regie: Jonathan Kaplan

Darsteller: Jodie Foster, Kelly McGillis, Bernie Coulson, Ann Hearn, Leo Rossi, Carmen Argenziano…

Artikel von Christopher Feldmann

Handlung:

Nachdem Sarah Tobias (Jodie Foster) das Opfer einer Gruppenvergewaltigung in einer Bar wird, macht sich die Staatsanwältin Kathryn Murphy (Kelly McGillis) daran, die Täter vor Gericht und schließlich hinter Gitter zu bringen. Allerdings lässt sie sich schnell auf einen Deal mit der Verteidigung ein, welcher darin besteht, die Angeklagten nicht wegen Vergewaltigung, sondern wegen schwerer Körperverletzung zu verurteilen, da Sarahs schlechter Leumund schlussendlich für einen Freispruch sorgen könnte. Da die Medien schnell über Sarah herfallen und diese beschimpfen, plagt Kathryn das schlechte Gewissen, weswegen sie einen weiteres Verfahren anstrebt und auch die Menschen zur Rechenschaft ziehen will, die die Tat nicht verhindert, sondern sogar noch angestachelt und bejubelt haben.

Es ist schon ein wenig erschreckend, einen Film aus den späten 1980er Jahren zu sehen, dessen Themen nach wie vor eine wichtige Rolle in unserer aktuellen Gesellschaft spielen. Gewalt gegenüber Frauen ist nach wie vor alltäglich und mit der laufenden MeToo-Debatte stärker im öffentlichen Fokus denn je. Und trotzdem passiert es immer wieder, dass Opfer in Verruf geraten, diskreditiert werden oder sogar jegliches Recht auf Gerechtigkeit aberkannt bekommen, was unter dem Begriff „Victim Shaming“ firmiert. ANGEKLAGT (1988) war somit seiner Zeit wahrscheinlich sogar ein Stück weit voraus und zeigte schon damals viele Missstände auf, die auch heute noch Gang und Gebe sind.

Das Drehbuch von Tom Topor basiert dabei auf einem realen Fall aus dem Jahr 1983, in dem eine Junge Frau aus Massachusetts einer Gruppenvergewaltigung zum Opfer fiel. Der Film zeichnet ihre Geschichte nach und heizte zudem die Diskussion über den Umgang mit Vergewaltigungsopfern weiter an. Verpackt als klassisches Justizdrama fokussiert sich die Geschichte viel mehr auf die Charaktere und die Art der strafrechtlichen Verfolgung anstatt auf den eigentlichen Prozess. Dabei stellt der Film ein Plädoyer für Gerechtigkeit dar und prangert schonungslos das Rechtssystem an, in dem es scheinbar mehr darum geht Fälle zu gewinnen, notfalls auch durch Absprachen zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung, statt dem eigentlichen Opfer ein Forum und damit die Chance auf die persönliche Erlösung zu geben. Auch Sarah Tobias wird hier Anfeindungen ausgesetzt und durch ihren schlechten Leumund und ihrer Herkunft als unglaubwürdig bezeichnet. Der Film zeichnet bravourös den Lauf der Dinge nach, worin ihrem Anliegen und ihrer Person nicht die Aufmerksamkeit oder das Gehör gegeben wird, was eigentlich selbstverständlich sein sollte.

Wenn man bedenkt wie häufig sich Menschen heutzutage mit Tätern solidarisieren und Opfern grundsätzlich erst einmal jegliche Glaubwürdigkeit absprechen, vor allem wenn sich dabei um Personen des öffentlichen Lebens handelt, bekommt der Film schon einen bitteren Beigeschmack. Jedoch dürfte wohl jeder nach dem Ende des Films anders denken und einen anderen Blick auf solche Probleme entwickeln. Dass es schlussendlich weniger darum geht, die Täter der eigentlich gerechtfertigten Strafe zuzuführen, sondern viel mehr darum, aufzuzeigen, dass es viel schlimmer ist, ein solches Verhalten zu billigen oder gar zu befürworten, ist die große Stärke des Films, denn Verbrechen fängt schon anderer Stelle an und die Geschichte dient dazu, Menschen für solche Dinge zu sensibilisieren und ihnen Mut zuzusprechen, nicht die Augen zu verschließen, sondern zu handeln. Regisseur Jonathan Kaplan, der sich seine Sporen bei B-Film-Papst Roger Corman verdiente und u.a. den Blaxploitation-Reißer TRUCK TURNER (1974) inszenierte, schafft es hier, die Geschichte eindringlich und stimmungsvoll einzufangen. Der größte Kunstgriff gelingt ihm damit, die Tat an sich nicht schon zu Beginn zu zeigen, sondern erst kurz vor Schluss und damit einen dramaturgischen Kniff einzubauen, der dem Zuschauer noch einmal in die Magengrube haut. Das lässt etwas vergessen, dass ANGEKLAGT kein wirklicher Gerichtskrimi ist und nicht dem entspricht, was man beispielsweise in diversen John-Grisham-Verfilmungen gesehen hat.

Hier steht vor allem die Hauptfigur Sarah Tobias im Mittelpunkt, die von einer großartigen Jodie Foster verkörpert wird, die mit ihrem Spiel so ziemlich alle Emotionen abdeckt. Egal ob geschundenes Opfer, verängstigte Zeugin, rachsüchtiges Weibsbild oder schnodderiges White-Trash-Girl, Foster brilliert mit viel Fingerspitzengefühl und behutsam eingesetzten Zwischentönen. Zurecht gewann die Schauspielerin für ihre Performance zahlreiche Preise, darunter einen Golden Globe und einen Oscar. Etwas, was ihr vier Jahre später noch einmal gelingen sollte, nämlich mit ihrer Rolle als Clarice Starling in DAS SCHWEIGEN DER LÄMMER (1991). Jodie Foster ist sogar dermaßen gut, dass man glatt übersieht, dass ihr Co-Star Kelly McGillis, seit TOP GUN (1986) ein feuchter Traum für zahlreiche Männer, hier eigentlich nur die Stichwortgeberin ist. Trotzdem weiß auch sie in ihrer Rolle zu gefallen. Ein wenig schade ist es jedoch, dass die „Antagonisten“ hier wenig zu tun bekommen und eigentlich bloße Staffage sind, denn daraus hätte man eine noch größere Dynamik entwickeln können. Aber wenn man ehrlich ist, muss man auch erkennen, dass es sich hierbei um einen Film handelt, der nicht den Tätern, sondern den Opfern ein Gesicht geben will und das gelingt ihm sehr gut.

Paramount Pictures Home Entertainment veröffentlichen, in Zusammenarbeit mit Universal Pictures, ANGEKLAGT nun erstmals als Blu-ray im deutschsprachigen Heimkino, existierte der Film doch hierzulande bisher nur als VHS. Das Bild (1,78:1) ist wunderbar scharf und detailreich, der Ton (DTS-HD Master Audio 5.1) klar und satt. Neben der deutschen, englischen und japanischen Tonspur, ist auch eine französische Fassung an Bord, in der sich Jodie Foster selbst synchronisiert, ein netter Trivia-Fact. Extras sind leider keine an Bord.

Fazit:

ANGEKLAGT (1988) ist ein packendes Justizdrama mit wichtiger Botschaft, dessen Charakterfokussierung sich dem üblichen Hollywood-Blendwerk verweigert und somit als ergreifendes Plädoyer für Gerechtigkeit funktioniert und von einer großartigen Jodie Foster getragen wird. Auf jeden Fall einen Blick wert, sind die Themen doch aktueller denn je.

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