Nach dem Flop mit dem ambitionierten Historiendrama THE LAST DUEL (2021) dauerte es nur einen Monat, bis Altmeister Ridley Scott sein nächstes, deutlich publikumswirksameres Projekt in die Kinos brachte. HOUSE OF GUCCI (2021) stellt dabei nicht nur ein starbesetztes Portrait der italienischen Modedynastie dar, sondern erzählt gleichzeitig die Geschichte des Erben Maurizio Gucci, der 1995 von einem Auftragsmörder erschossen wurde. Universal Pictures Home Entertainment hat den Film kürzlich im Heimkino veröffentlicht, die Kritik gibt’s natürlich bei uns.

Originaltitel: House of Gucci

Drehbuch: Becky Johnston, Roberto Bentivegna; nach dem Roman von Sara Gay Forden

Regie: Ridley Scott

Darsteller: Adam Driver, Lady Gaga, Al Pacino, Jared Leto, Jeremy Irons, Jack Huston, Salma Hayek…

Artikel von Christopher Feldmann

Ridley Scott ist ein echter Vielfilmer. Der britische Regisseur und Produzent liefert in der Regel mindestens jedes zweite Jahr einen neuen Film ab, manchmal sogar jährlich, manchmal sogar auch gleich zwei in einem Jahr. Dem Mann, der uns Klassiker wie ALIEN (1979), BLADE RUNNER (1982) und GLADIATOR (2000) bescherte, wird allerdings seit ein paar Jahren eine gewisse Altersmüdigkeit nachgesagt, immerhin ist der 84-jährige Scott auch nicht mehr der Jüngste und gerade in der letzten Dekade gelang ihm nicht mehr der große Wurf, denn egal ob Hochglanz-Trash wie THE COUNSELOR (2013) oder seine ALIEN-Prequels PROMETHEUS (2012) und ALIEN: COVERNANT (2017), so richtig zünden wollten Scotts filmische Ergüsse nicht. Auch sein wirklich sehenswertes Female-Empowerment-Historienepos THE LAST DUEL (2021) lockte niemanden in die Kinosäle, weswegen natürlich viele gespannt waren, was der Regisseur mit einer prominenten Geschichte wie der des Mode-Erbens Maurizio Gucci und seiner Frau Patrizia Reggiani anstellen würde. Das Ergebnis ist allerdings gar nicht so klar definierbar, denn trotz unterhaltsamer Ansätze, gut aufgelegten Schauspielern und Scotts gefällig, schillernder Inszenierung, scheint HOUSE OF GUCCI (2021) nie zu wissen, ob er Drama, True-Crime-Biopic oder Satire sein will.

Handlung:

Als Patrizia Reggiani (Lady Gaga) Anfang der 70er auf einer Kostümparty den Jurastudenten Maurizio Gucci (Adam Driver) kennenlernt, sieht die Tochter eines zwielichtigen Trucker-Unternehmers ihre Chance gekommen: Sie arrangiert ein weiteres „zufälliges“ Treffen und schon ist ihr der designierte Erbe eines Modeimperiums Hals über Kopf verfallen. Allerdings ist der Familienpatriarch Rodolfo Gucci (Jeremy Irons) mit der Verbindung gar nicht einverstanden – er hält Patrizia für eine Goldgräberin und schmeißt seinen eigenen Sohn lieber aus dem Haus, als den beiden seinen Segen zu geben. Trotzdem wird geheiratet – und zunächst ist das Paar auch mittellos glücklich. Doch dann holt Rodolfos in New York lebender Bruder Aldo (Al Pacino) seinen Neffen wieder zurück ins Unternehmen. Maurizio legt einen steilen Aufstieg bei Gucci hin – und mit dem Zuwachs an Macht und Reichtum nimmt auch die Ruchlosigkeit auf allen Seiten zu. 

Diese Zeilen zu schreiben ist gar nicht mal so einfach, sitze ich doch gerade, leicht angesäuselt von dem ein oder anderen Gläschen Marillenschnaps, im Hotel, da ich mich auf einem spontanen Skiurlaub befinde. Vor lauter Organisation und vielem Hin und Her habe ich ganz vergessen, dass HOUSE OF GUCCI noch herumliegt und darauf wartet, gesichtet zu werden. Ein zweieinhalbstündiger Brocken über eines der schillerndsten Modehäuser der Welt lässt sich nicht so einfach mal eben dazwischenschieben und dennoch war das Interesse an Scotts neuestem Film, der sich übrigens weitaus besser an den Kinokassen schlug, entsprechend hoch. Ich liebe Biopics, ich liebe außergewöhnliche Geschichten und vor allem liebe ich es, in eine Welt eintauchen zu können. Die Frage war natürlich, ob Scott es schaffen würde, mich für den mailändischen Modezirkus zu begeistern, wie es beispielsweise ein Martin Scorsese mit seinem funkelnden Las Vegas in CASINO (1995) schafft. Die Antwort lautet: NEIN!

Und zwar deswegen, weil sich der Film eigentlich gar nicht für das Label „Gucci“ interessiert. Ein Blick hinter die Kulissen einer der wohl einflussreichsten und höchst angesehenen Marken der Modewelt, ein Abbild der Entwicklung und der Strukturen innerhalb des Unternehmens, all das verweigert der Film, denn HOUSE OF GUCCI ist weniger an dem Namen, sondern viel mehr an der Familiengeschichte interessiert, allen voran den Protagonisten Maurizio und Patrizia. Trotz der stolzen Laufzeit kratzt der Film maximal an der Oberfläche, wenn es um die Geschicke der Firma und deren Arbeitsabläufe gilt. Im Kern zeigt Scott hier eine auf Hochglanz polierte Seifenoper, besetzt mit allerhand Top-Stars, die sich mit Anlauf in fast schon karikatureske Rollen werfen. Der eigentliche Plot um die Liaison zwischen Patrizia und Maurizio, die sich zur Ehe entwickelt und mit dem Tod des Gatten im Jahr 1995 endet, ist da schon fast das schwächste Glied in der Kette, denn dies erzählt das Drehbuch auf konventionelle Art und Weise. Die richtige Party steigt um die Love-Story herum und erst der Hang zur völligen Over-the-Top-Darstellung macht den Film schlussendlich so unterhaltsam.

HOUSE OF GUCCI suhlt sich förmlich im Glamour und im Luxus seines Metiers und gerade optisch erinnert das Ganze sehr an THE COUNSELOR (2013). Allein im Hinblick auf die Darstellung des Grundmaterials (das Drehbuch basiert auf einem Tatsachenroman von Sara Gay Forden) lässt sich schwer erahnen, ob Scott hier an einem ernstgemeinten Biopic mit True-Crime-Aufhänger interessiert war oder das Ganze eher als großen Spaß gesehen hat, feiert der Film doch von Beginn an sämtliche Klischees einschlägiger Filmromanzen ab, während sich Opernarien und Italo-Disco-Sound der 1970er und 1980er Jahre auf der Tonspur die Klinke in die Hand geben. Alles wirkt auf eine gewisse Art und Weise durcheinander und selten wirklich stimmig aber gerade diese Uneinigkeit in Bezug auf Tonalität macht den Film zwar nicht wirklich gut aber immerhin verdammt unterhaltsam.

Den Vogel schießen dabei die Darsteller ab. Adam Driver, der bereits zweimal für den Oscar nominiert wurde, liefert hier wieder einmal eine wirklich gute Performance ab, ist aber auch der einzige Darsteller, der seine Rolle wirklich seriös und fast schon erstaunlich bieder spielt, während der Rest der Besetzung dem Affen Zucker gibt. Lady Gaga brilliert als italienischer Liz-Taylor-Verschnitt und scheut sich nicht einmal davor, mit breitem norditalienischen Akzent aufzutreten. Gleiches gilt für Al Pacino, der einmal mehr sich selbst spielt, im feinen Zwirn und natürlich ständig am poltern. Dazu gesellen sich Jeremy Irons und Salma Hayek als TV-Wahrsagerin. Den größten Kracher stellt aber immer noch Jared Leto dar. Der Oscar-Preisträger und 30-Seconds-to-Mars-Frontmann spielt unter einem Make-Up, das ihn fast nicht erkennen lässt, wie von einem anderen Stern und tänzelt als trotteliger, mit fistelnder Stimme und Akzent sprechender Gucci-Spross durch die Szenerie. Leto ist dabei fast schon der Scene-Stealer, wirkt dabei aber so übers Ziel hinaus geschossen, dass man spätestens in seinen Szenen nicht mehr weiß, was ernst gemeint oder tatsächlich nur Farce im Soap-Stil ist.

Universal Pictures Home Entertainment hat den Film sowohl digital, als auch physisch veröffentlicht. Bild- und Tonqualität sind sehr gut, das Bonusmaterial wartet mit dem Trailer und einigen Featurettes auf. Die deutsche Synchro ist für all diejenigen zu empfehlen, die sich an den wirklich breiten Akzenten der Darsteller stören. Für die hiesige Vertonung hat man sich das künstliche italienisch gespart.

Fazit:

Wer sich nach einem spannenden, sowie authentischen Gucci-Biopic sehnt, sollte um HOUSE OF GUCCI (2021) einen großen Bogen machen, denn das zweieinhalbstündige Werk von Ridley Scott gleicht vielmehr einer dick aufgeblasenen Seifenoper, in der sich tolle Darsteller mit breiten Akzenten so richtig ausleben können. Das ist nicht gut im herkömmlichen Sinne aber schick gefilmt und wirklich unterhaltsam.

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