In der Annahme, bei einem Film wie HOMEGROWN (1998) würde es sich um eine handelsübliche Kiffer-Komödie aus der Blütezeit des Teenager-Klamauks handeln, war ich doch überrascht, welche Starpower sich hinter diesem unscheinbaren Streifen verbirgt, der seinerzeit hierzulande direkt in den Videotheken landete. Studio Hamburg Enterprises hat der prominent besetzten Krimikomödie im Dealer-Milieu nun eine Auswertung auf DVD spendiert und ob sich eine Wiederentdeckung lohnt, erfahrt ihr in unserer Kritik.
Originaltitel: Homegrown
Drehbuch: Nicholas Kazan, Stephen Gyllenhaal
Regie: Stephen Gyllenhaal
Darsteller: Billy Bob Thornton, Ryan Phillippe, Hank Azaria, Kelly Lynch, John Lithgow, Jon Bon Jovi, Ted Danson, Jamie Lee Curtis…
Artikel von Christopher Feldmann
Erinnert ihr euch noch an diesen kleinen Independent-Film mit dem Titel PULP FICTION (1994)? Richtig, da war doch etwas! Als Quentin Tarantino nämlich mit seinem eigenwilligen, vor brillianten und coolen Dialogen strotzenden Meisterwerk um die Ecke kam, das das Gangstertum ausnahmsweise mal von einer ganz anderen Seite beleuchtet, dauerte es natürlich nicht allzu lang, bis andere Filmemacher versuchten, den Stil Tarantinos nachzuahmen oder gar zu kopieren. Verschroben musste es sein, schwarzhumorig und ironisch und natürlich ziemlich cool. Es folgte das ein oder andere Knock-Off des Welterfolgs, wie etwa DAS LEBEN NACH DEM TOD IN DENVER (1995), Oliver Stones verspielte Gangsterposse U-TURN – KEIN WEG ZURÜCK (1997), die John-Cusack-Komödie GROSSE POINTE BLANK (1997) oder Guy Ritchies britisches Kabinettstück BUBE, DAME, KÖNIG, GRAS (1998). Aber es gab auch kleinere Werke, die zwischen all den, trotz ihrer Aneignung des Tarantino-Stils, relativ gelungenen Filmen untergingen oder gar vergessen wurden. HOMEGROWN (1998), der von Stephen Gyllenhaal (dem Vater von Jack und Maggie) inszeniert wurde, ist so ein Titel, allerdings vollkommen zu recht, denn bis auf eine beachtliche Besetzung, bietet der Film lediglich heiße Luft.
Handlung:
Als der Drogenboss (John Lithgow) einer Hanffarm erschossen wird, beschließen seine Mitarbeiter Jack (Billy Bob Thornton), Harlan (Ryan Phillippe) und Carter (Hank Azaria) kurzerhand die Geschäfte selbst in die Hand zu nehmen. Doch das ist schwerer als gedacht, denn den Umgang mir der Drogenmafia hat keiner von ihnen drauf. Und so müssen die Drei weiterhin den Schein wahren, dass ihr Boss noch lebt. Als sie nur knapp einen Angriff per Hubschrauber überleben und ihnen dann auch noch die Polizei im Nacken sitzt, wünschen sie sich ihr altes, entspanntes Kifferleben zurück.
Eigentlich hätte HOMEGROWN das Potenzial, ein launiger Film zu sein, denn der Plot liest sich gar nicht mal schlecht. Drei eher bauernschlaue Arbeiter einer Hanffarm versuchen mehr schlecht als recht, die Geschäfte zu übernehmen und geraten durch Irrungen und Wirrungen zwischen Polizei und Mafia. Klingt erstmal relativ putzig und birgt genug, um eine launige Krimikomödie zu erzählen, nur leider macht der Film wenig daraus. Natürlich versucht man auch hier im Kielwasser Tarantinos zu schwimmen und den Protagonisten, die zu Beginn wie klischeehafte Hinterwäldler wirken, möglichst schrullige und witzige Dialoge in den Mund zu legen. Die 1990er waren nun mal das Jahrzehnt, in denen es als cool angesehen wurde, wenn Figuren Dialoge über „Nichts“ führen, also auf den ersten Blick belanglose Alltagsweisheiten austauschen. Nur leider haben viele nicht verstanden, dass Tarantino dieses Stilmittel bewusst verwendete, um seine Figuren zu zeichnen, ihnen Konturen zu geben und somit zu richtigen Charakteren zu machen. Hier reden die Protagonisten größtenteils wirklich über Nichts und ab und an geht dann auch mal um handlungsrelevante Dinge, etwa um die Tatsache, dass sie der Mafia ziemlich viel Gras schulden.
Dieser Plot kommt allerdings überhaupt nicht in die Gänge und ist weder interessant, noch in irgendeiner Weise spannend. Gefühlt hat keine Aktion eine Konsequenz, weshalb das sehr dünne Gerüst an Handlung auch ständig auf der Stelle tritt und wie eine Art Luftblase wirkt, in der talentierte Darsteller völlig verloren wirken und kaum etwas an die Hand bekommen. Natürlich konnte mir die ein oder andere Szene eine Schmunzler abringen, insgesamt habe ich aber tierisch gelangweilt, haben wir es hier doch mit einem Haufen belanglosem Nichts zu tun. Natürlich sind manche Momente, in denen ein bekanntes Gesicht in die Szenerie stolpert, nett anzusehen, dieses Gefühl wird aber sofort von Frustration überwältigt, denn niemand hat etwas zu tun.
Regisseur und Co-Autor Stephen Gyllenhaal muss in Anbetracht der Besetzung anscheinend ziemlich gut vernetzt gewesen sein oder aber sämtliche finanziellen Mittel in seine Akteure gesteckt haben, wirkt HOMEGROWN doch wie eine ziemliche Schmalspur-Produktion mit wenig Aufwand. Klar, ein derartiger Film muss keine Hochglanz-Nummer darstellen aber auch rein inszenatorisch reißt Gyllenhaal keine Bäume aus. Da haben andere, ähnlich gelagerte Filme dieser Zeit deutlich mehr auf der Pfanne, so wirken die Sets größtenteils lieb- und leblos, das Interieur schmal und die Optik generell wie ein handelsüblicher TV-Film. HOMEGROWN wurde damals übrigens nur in ausgewählten Kinos gezeigt, in Deutschland veröffentliche man den Streifen sogar direkt auf Video, im Kino hatte das ohnehin nichts zu suchen.
Immerhin kann man sich noch ein wenig an den Darstellern ergötzen, die hier zwar nicht auf Oscar-Niveau agieren aber immerhin genug Glanz versprühen, dass man diesen Film schon fast als Kuriosum sehen kann, vielleicht basiert das aber auch alles auf Freundschaftsdiensten. Billy Bob Thornton macht noch den routiniertesten und glaubhaftesten Job, Ryan Phillippe, damals durch ICH WEIß, WAS DU LETZTEN SOMMER GETAN HAST (1996) ein Upcoming-Star, kann da nur verlieren und strapaziert größtenteils die Nerven des Zuschauers, während Kelly Lynch fürs Auge da ist und Hank Azaria noch die sympathischste Figur abgibt. Ansonsten gibt es reichlich Gastauftritte, unter anderem von Jon Bon Jovi, Jamie Lee Curtis, Judge Reinhold und Ted Danson, der als Mafia-Gangster den schillerndsten Auftritt hinlegt. Auch Jake Gyllenhaal und seine Schwester Maggie sind kurz zu sehen, die schmale Screentime von John Lithgow ist allerdings ein Frevel, verspricht dessen Doppelrolle doch mehr, als der Film letztendlich halten kann.
Die DVD, die Studio Hamburg Enterprises kürzlich veröffentlichte, präsentiert eine solide Bild- und Tonqualität, eine Blu-ray ist nicht erschienen. Auch auf Bonusmaterial muss man hier verzichten.
Fazit:
Von all den Auswürfen der 1990er Jahre, die coole und möglichst schrullig witzige Krimikomödien erzählen wollten, dürfte HOMEGROWN (1998) zu den belanglosesten und auch langweiligsten Vertretern gehören, denn hier gibt es weder eine besonders interessante Handlung, noch griffige Figuren oder gar hervorstechende Szenen. Da rettet auch die Dichte an Stars nichts.
Christophers Filmtagebuch bei Letterboxd – Your Life in Film