Michael Bay ist zurück! Der Mann der wüsten Zerstörungsorgien und der Musikvideo-Ästhetik ließ die Autobots mal in der Kiste und legte mit AMBULANCE (2022) einen amtlichen Actionthriller aufs Parkett, bei dem sich der Regisseur überraschenderweise in Sachen Pathos aber weniger in Sachen Kollateralschaden zurücknimmt. Im Kino war der halsbrecherischen Verfolgungsjagd mit Jake Gyllenhaal, Yahya Abdul-Mateen II und Eiza Gonzáles wenig Erfolg vergönnt, nun veröffentlicht Universal Pictures den Streifen endlich im Heimkino. Ob Bay hier wieder zu alter Form zurückgefunden hat, erfahrt ihr in unserer Kritik.
Originaltitel: Ambulance
Drehbuch: Chris Fedak
Regie: Michael Bay
Darsteller: Jake Gyllenhaal, Yahya Abdul-Mateen II, Eiza Gonzáles, Garret Dillahunt, Keir O’Donnell…
Artikel von Christopher Feldmann
Michael Bay ist sicherlich einer der umstrittensten Blockbuster-Regisseure des modernen Kinos. Der ehemalige Musikvideo- und Werbefilmer startete seine Karriere mit dem Buddy-Actioner BAD BOYS (1995), der nicht nur Will Smith vom Fernsehbildschirm auf die Kinoleinwand brachte, sondern auch das angestaubte Subgenre fit für die nächste Generation machte. Flotte Sprüche, harte Action und taffe Helden, eingefangen im Stil eines MTV-Clips. Der Film war ein Erfolg und ebnete nicht nur den Weg für zwei erfolgreiche Sequels (2003/2020), sondern auch für die fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Bay und Produzent Jerry Bruckheimer, der das moderne Tentpolekino entscheidend geprägt hat. Nach seinem zweiten Film THE ROCK (1996), der unter Fans immer noch einen guten Ruf genießt, begann Bay das Publikum zu spalten. Die einen feiern seine wüsten Zerstörungsepen, mit dem Hang zum pathetischen Kitsch, die anderen sehen darin nur debilen Big-Budget-Trash. So zerrissen Kritiker den Zweiter-Weltkrieg-Schmarrn PEARL HARBOUR (2001) und auch seine TRANSFORMERS-Reihe (2007-2017) sorgte, trotz Effekt-Bombast, regelmäßig für wüste Verrisse. Und was dabei herauskommt, wenn man einen Michael Bay ohne Aufsicht von der Leine lässt, zeigte der Netflix-Actioner 6 UNDERGROUND (2019), bei dem selbst hartgesottenen Filmfans angesichts des entfesselten Wahnsinns und des Schnittgewitters die kalte Kotze hochkam. Im Falle von AMBULANCE (2022) schaltete Bay nun ein paar Gänge zurück, ohne natürlich auf seine etablierten Trademarks zu verzichten. Und trotz einiger Kritikpunkte, konnte der Actionthriller zumindest meine Wenigkeit gut unterhalten.
Handlung:
Der Veteran Will Sharp (Yahya Abdul-Mateen II) wendet sich an seinen Adoptivbruder Danny (Jake Gyllenhaal), weil er dringend Geld braucht. Danny ist jedoch Berufskrimineller und beteiligt Will stattdessen lieber an einem Bankraub. Als dabei einiges schiefgeht, entführen die Brüder einen Rettungswagen mit einem verletzten Polizisten und einer Sanitäterin (Eiza Gonzáles) an Bord und werden von der Polizei kreuz und quer durch die Los Angeles gejagt. Will und Danny müssen ihre Verfolger abschütteln, ihre Geiseln am Leben erhalten und irgendwie versuchen, sich nicht gegenseitig umzubringen.
Die wenigsten Kinozuschauer dürften wohl wissen, dass es sich hier um ein Remake handelt. Als Vorlage diente der dänische Thriller AMBULANCEN (2005), der ein 76-minütiges Kammerspiel innerhalb eines Rettungswagens darstellt. Für die Neuinterpretation schraubte Bay nicht nur die Laufzeit in die Höhe, sondern erweiterte den auf engen Raum spielenden Thriller zu einer wilden Verfolgungsjagd, mit allerlei Karambolagen und Pyrotechnik. Das visuelle Erzählen von Geschichten war noch nie die Stärke des Regisseurs und so bildet auch dies den Schwachpunkt des hier vorliegenden Films. Die Geschichte um ein ungleiches Brüderpaar, dass sich nach einem gescheiterten Bankraub auf der Flucht befindet, arbeitet so ziemlich jedes Klischee ab. Vom abgeklärten Berufskriminellen, dem Bruder als Verbrecher wider Willen, über den standardisierten Schlagabtausch mit den Verfolgern, bis hin zum emotionalen Wendepunkt ist hier eigentlich jeder Trope vertreten, den man sich nur vorstellen kann.
Sicher, ein Actionfilm der Marke AMBULANCE (2022) muss nicht zwingend den Preis für den originellsten Plot gewinnen, dennoch kann man eine abgedroschene Geschichte, wie die eines gescheiterten Raubes, einigermaßen spannend erzählen. Da das Drehbuch, für welches sich Chris Fedak verantwortlich zeichnet, jede Erwartungshaltung bedient, kann der Zuschauer fast schon blind die nächste Szene vorhersagen und wird vermutlich auch schnell wissen, wie das Ganze sein Ende findet. Ein großes Problem sind auch die Figuren, die allesamt vom Reißbrett zu stammen scheinen. Profi-Gangster Danny kann sich coole Posen und doofe Sprüche nicht verkneifen, während Will den Konterpart bildet und regelmäßig nach moralischen Prinzipien handelt, was natürlich angesichts der Situation für Spannungen sorgen soll, die aber sehr schnell verpuffen. Die Sanitäterin Cam hingegen bleibt nur bloße Staffage und scheint nur Teil des Films zu sein, um eine Frauenfigur zu integrieren, damit man noch ein etwas auf dem Spiel stehendes vorweisen kann. Und damit das Publikum auch schön involviert ist, schreibt man ihr zu Beginn noch eine Szene, in der sie ein Kind retten muss, das nach einem Autounfall von einem Zaunpfahl durchbohrt wurde. Was zur Hölle, Michael?
In Sachen Inszenierung sieht die Welt aber schon etwas anders aus. Natürlich muss man dem Stil Bays etwas zugeneigt sein, um AMBULANCE genießen zu können. Auch hier geizt der Filmemacher nicht mit seinen perfektionierten Stilmitteln, sei es die renommierten Money-Shots (siehe Bild) oder das Zelebrieren von Zerstörung. Wer dies genießen kann, bekommt hier die volle Ladung Bayhem geboten, wenn auch nicht ganz so abstrus wie in vorherigen Filmen. So nimmt sich der Meister in Sachen Pathos und reaktionärem Kitsch erstaunlich zurück. In Zeitlupe wehende US-Fahnen wurden ebenso auf ein Minimum reduziert, wie die sexualisierte Darstellung der weiblichen Hauptrolle. Auch wenn Eiza Gonzáles natürlich eine echte Augenweise darstellt, hält die Kamera erstaunlich wenig auf ihre sekundären Geschlechtsmerkmale. Dafür hat Bay ein neues Spielzeig für sich entdeckt, nämlich die Drohne. So wird immer wieder auf Drohnensicht geschnitten, wobei die Kamera wie im Rausch an Häuserfassaden empor, über Dächer hinweg und in den Straßendschungel von Los Angeles rast. Das kann natürlich ab und an für Schwindelgefühle sorgen, gibt dem Film aber eine gewisse Rasanz, die sich auch in der Verfolgungsjagd widerspiegelt. Es zischt und kracht am laufenden Band, Funken fliegen und Autos gehen kunstvoll zu Bruch. Aber natürlich reizt der Regisseur die Grenzen seines im Grunde bodenständigen Actionthrillers immer wieder aus. Spätestens wenn eine Fahndungstruppe, die auf großangelegte Bankraube spezialisiert ist, auftritt, die vom Auftreten her wie die Expendables wirken und einen Fuhrpark zur Verfügung haben, der aus einem beliebigen FAST-AND-FURIOUS-Film stammen könnte, driftet AMBULANCE immer wieder in baysche Gaga-Gefilde ab. So wird eine ganze Polizeiarmada irgendwann von einer Gatling niedergemäht, während der Showdown wieder allerlei Kitsch bietet.
Die Schauspieler machen indes einen guten Job und holen das Maximum aus ihren flachen Charakteren. Jake Gyllenhaal hat sichtlich Spaß daran, mal komplett Overacting zu zelebrieren, während Yahya Abdul-Mateen II seiner Rolle etwas Tiefe verleiht und auch Gonzáles macht einen guten Job und verleiht ihrer Figur Cam eine gewisse taffe Attitüde.
Universal Pictures veröffentlicht, nach bereits erfolgtem digitalen Release, den Film nun sowohl als 4K-Scheibe, als auch als Blu-ray und DVD. UHD-Variante und auch Blauling sind zudem als Steelbook-Edition erhältlich. Das Bild der Blu-ray ist gestochen scharf, der 7.1-Sound lässt es auch auf der Tonspur amtlich krachen. Neben einem Wendecover ohne FSK-Flatschen und dem Trailer, bietet das Bonusmaterial noch mehrere Featurettes.
Fazit:
Sicher ist AMBULANCE (2022) kein Film, der in die Geschichte eingehen wird, dafür wird die Geschichte zu flach und vorhersehbar erzählt und auch die Figuren sind nicht mehr als reine Stereotypen. Wer aber ein Freund klassischer Michael-Bay-Kost ist, darf sich mal wieder auf einen unterhaltsamen Actionfilm freuen, der zwar natürlich diverse Trademarks beinhaltet, aber weit angenehmer zu schauen ist, als Filme wie 6 UNDERGROUND (2019) oder eines der TRANSFORMERS-Sequels. Zwar schleicht sich auch die ein oder andere Länge ein, insgesamt hatte ich aber durchaus Spaß an dem Film. Wer diese Form von Kino mag, kommt auf seine Kosten.
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