Robert Eggers gehört unter Filmfans zu den derzeit profiliertesten und angesagtesten Regisseuren, lieferte der US-Amerikaner mit den Elevated-Horror-Werken THE WITCH (2015) und THE LIGHTHOUSE (2019) doch zwei waschechte Kritikerlieblinge ab, die auch beim Genre-Publikum punkten konnten. Auf Grund dieser Tatsache und des aktuellen Gefallens an Wikinger-Geschichten, ließen Focus Features, New Regency Productions und Universal Pictures ganze 65 Millionen US-Dollar springen, damit Eggers mit THE NORTHMAN (2022) sein Herzensprojekt angemessen inszenieren konnte. Nun ist der Film über Universal Pictures Home Entertainment im Heimkino erschienen und ob sich das blutige Arthouse-Rache-Epos lohnt, erfahrt ihr in unserer Kritik.
Originaltitel: The Northman
Drehbuch: Robert Eggers, Sjón
Regie: Robert Eggers
Darsteller: Alexander Skarsgård, Nicole Kidman, Claes Bang, Ethan Hawke, Anya Taylor-Joy, Willem Dafoe…
Artikel von Christopher Feldmann
Wer behauptet, das moderne Kino bestehe nur aus Comic-Verfilmungen und sich in CGI suhlenden Event-Blockbustern, liegt definitiv falsch. Jenes Kino ist immer noch erstaunlich vielfältig und auch momentan sehr ergiebig, was unkonventionelle Filme angeht, man muss eben nur genau hinschauen. Macht man das, findet man zwischen dem x-ten MCU-Film und dem neuesten Superstar-Vehikel allerlei buntes. Etwa Matt Reeves moderne, vom Noir-Thriller inspirierte Comic-Verfilmung THE BATMAN (2022), Ti Wests Retro-Slasher X (2022) oder das abgedrehte Multiversums-Spektakel EVERYTHING EVERYWHERE ALL AT ONCE (2022). Zumindest die letzten beiden Titel gehen dabei auf das Konto der Produktionsschmiede A24, die seit mehreren Jahren den Independent-Markt beherrscht und regelmäßig für prestige- und preisträchtige Filmkunst sorgt. HEREDITARY (2018), MID90s (2018), MIDSOMMAR (2019), WAVES (2019), MINARI (2021), THE GREEN KNIGHT (2021) und RED ROCKET (2021), nur um ein paar ausgewählte Perlen zu nennen. Auch Robert Eggers pflegte eine gute Beziehung zum Indie-Label, produzierten dieses doch dessen gefeierten, mythischen Horrorfilm THE LIGHTHOUSE (2019), der bei Veröffentlichung viele Fans gewinnen konnte. Auch THE NORTHMAN (2021), Eggers Herzensprojekt, sollte ursprünglich unter deren Dach entstehen, doch Regisseur und Studio überwarfen, weshalb andere Firmen wie Focus Features und New Regency Pictures in die Presche sprangen, um Eggers unter dem Dach von Universal Pictures für rund 65 Millionen US-Dollar (der Dreh unter Pandemiebedingungen trieb die Kosten auf fast 100 Millionen US-Dollar) sein Wikinger-Epos drehen zu lassen. Ein großer Erfolg am Box-Office ist die stark bebilderte, wie atmosphärische Rachegeschichte zwar nicht geworden aber das war auch weniger zu erwarten. Fachpresse und Arthouse-Fans waren dem Film dennoch wohlgesonnen. Trotzdem fällt unser Urteil etwas zwiegespalten aus.
Handlung:
Jahre sind vergangen, seit Wikingerkönig Aurvandil (Ethan Hawke) bei einem Anschlag hinterrücks ermordet wurde. Sein Sohn Amleth (Alexander Skarsgård), der als Kind Zeuge der blutigen Tat war, kehrt körperlich gestählt nach Island zurück, fest entschlossen, unbarmherzig Vergeltung zu üben, seine Mutter Gudrun (Nicole Kidman) zu retten und den Mörder Fjölnir (Claes Bang) zur Rechenschaft zu ziehen.
Nach dem ersten Trailer war ich zunehmend gespannt auf THE NORTHMAN und das liegt nicht unbedingt daran, dass ich Fan einschlägiger Wikingerfilme bin…bin ich nämlich nicht. Viel mehr bin ich relativ angetan von Eggers Regiestil und seinem Gespür für tolle Bilder. Zwar war THE LIGHTHOUSE (2019) eine doch recht sperrige Erfahrung aber immerhin optisch eine Wucht. Auch in seinem neuesten Film schafft es Eggers dieses Gefühl bei mir hervorzurufen, auch wenn das Ganze rein dramaturgisch weit weniger komplex ist, als man es im Vorfeld vermutet hatte.
Man sollte auch nicht beschönigen, dass der Trailer falsche Erwartungen schürt, ist THE NORTHMAN doch ganz und gar nicht das actionreiche Schlachtgemälde, dass dem Zuschauer vorab suggeriert wurde. Das ist natürlich reines Marketing-Kalkül um einen rauen Arthouse-Wikinger-Film irgendwie an den Mann zu bringen. Inhaltlich offenbart sich dabei die größte Schwäche, denn entgegen aller Hoffnungen ist die mythisch behaftete Sage ein handelsüblicher Rachefilm nach Schema F, basierend auf einer Erzählung, die später einmal als Vorlage für William Shakespeares HAMLET dienen sollte. So geht es um Rache der Rache Willen, wobei Eggers das Konzept nie wirklich aufbricht, sondern auf bekannten Pfaden wandelt. Im Vordergrund steht der Mord am Wikingerkönig durch den nach Macht strebenden Bruder und dem Opfersohn als Zeugen, der nach 30 Jahren gestählt in seine Heimat zurückkehrt, um Gerechtigkeit durchzusetzen. Dabei ist verzichtet Eggers zudem auf echten Realismus, sondern schafft vielmehr eine Melange aus historischen Fakten und überlieferten Mythen. Wie schon in THE WITCH (2015) sind hier beispielsweise Hexerei oder die sagenumwobenen Walküren fester Bestandteil der gezeigten Welt. THE NORTHMAN zeigt ein Bild, wie es die Wikinger ihrer Zeit wahrgenommen haben. So lässt sich anhand von Protagonist Amleth eine Welt erkunden, in der die wenigsten Zuschauer firm sind. Um all das authentisch darzustellen, holte sich der Regisseur und Co-Autor den isländischen Poeten Sjón ins Boot, mit dem er historische Fakten studierte, um zumindest in der Gestaltung und Wiedergabe der Wikinger-Welt akkurate Arbeit abzuliefern. Das wiegt aber nur bedingt den generisch erzählten Plot auf, der mit einigen Klischees ausgestattet wurde. Die wenigen Wendungen sieht man doch relativ schnell kommen und am Ende ist man als Zuschauer auch nicht gerade involviert.
Zwar streift Eggers klassische Mythen und die Frage nach dem eigenen Schicksal, die offenkundigen Reize von THE NORTHMAN liegen aber eher in der Optik. Denn wie schon bei seinen beiden vorigen Werken leistet Eggers hier ganze Arbeit, sieht der Film doch fantastisch aus. Man spürt, dass man sich Vorfeld viele Gedanken gemacht hat, so arbeitete der Regisseur auch hier nach eigens angefertigten Storyboards, in denen nichts dem Zufall überlassen wurde. Wie ein raues Gemälde inszeniert er hier ein schmutziges aber auch irgendwie poetisch strahlendes Bild einer Epoche, die die wenigsten wirklich auf dem Zettel haben dürften. Aufgerissene Einstellungen, detailverliebte, durchkomponierte Bilder und lange Takes ohne Schnitt kommen auch hier wunderbar zur Geltung. Zwar liefert der Film nicht das zuerst vermutete Actionfeuerwerk für Fans von VIKINGS (2013-2020) aber eben inszenatorische Brillanz. In einer der wenigen Schlachtszenen wütet Amleth durch ein Dorf, was in einer ruhigen, minutenlangen Einstellung präsentiert wird, was man ansonsten nur in Wackelkamera-Optik gewohnt ist. Hier zeigt dich deutlich, mit welch sicherer Hand und Präzision hier gearbeitet wurde.
Was man dem Film allerdings ankreiden könnte, ist eine Art Verschwendung toller Schauspieler. Alexander Skarsgård gibt den aufgepumpten Rächer mit beeindruckender Physis, bleibt aber ebenso wie die Geschichte eher eindimensional. Dies wird aber in einigen Szenen von der immer sehenswerten bis großartigen Anya Taylor-Joy aufgefangen, die als aufmüpfige Seherin brillieren kann. Der Rest des Ensembles, bestehend aus Claes Bang, Ethan Hawke, Nicole Kidman und Willem Dafoe, wird in Nebenrollen verheizt.
Die Blu-ray von Universal Pictures Home Entertainment, die uns zur Sichtung vorlag, bietet perfekte Bild- und Tonqualität. Im Bonusmaterial finden sich unveröffentlichte und erweiterte Szenen, ein Audiokommentar, zahlreiche Featurettes, sowie der Trailer. Zudem ist ein Wendecover ohne FSK-Flatschen vorhanden. Wem die Amaray zu mager ist, kann auch zur Steelbook-Variante greifen, die aber lediglich nur den Blauling beinhaltet. Wer die UHD-Scheibe in der Sammlung haben möchte, hat nur die Option auf ein Keep-Case.
Fazit:
Auch THE NORTHMAN (2022) wird, wie schon die vorherigen Regie-Arbeiten von Robert Eggers, spalten. Für jene, die sich nach harter Wikinger-Action sehnen, wird der Film zu sperrig und zu künstlerisch sein. Arthouse-Fans können sich trotz der flachen Geschichte an den tollen Bildern laben. Ich für meinen Teil hatte meine Freude an der optischen Brillanz und der Atmosphäre, auch wenn mich die mit über zwei Stunden Laufzeit erzählte Story nicht so wirklich fesseln konnte. Eggers-Fans dürften hier dennoch auf ihre Kosten kommen.
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