Der Regisseur Zhang Yimou drehte einige international erfolgreiche Filme, die auf den großen Festivals dieser Welt liefen und dabei so manchen Preis gewannen. Ob Rote Laterne (1990), Leben! (1994), Heimweg (1999), Hero (2002) oder House of Flying Daggers (2004) – für Zhang Yimou hagelte es Preise. Im völligen Kontrast zu seinen Filmen arbeitet Yimou auch als Chefregisseur für die großen TV-Events seines Landes. Sei es für die Eröffnungszeremonie der olympischen Spiele in China (aktuell die Winterspiele 2022) oder die Gala zum 70. Jahrestag des Nationalfeiertags der Volksrepublik China. Als Regisseur muss man eben zusehen, dass man an den Geldtöpfen dran bleibt. Die Arbeit an Cliff Walkers begann während der Jahrestag-Gala im Jahre 2019, und nur ein Schelm meint hier in der altbackenen Agentenstory gefällige Propaganda zur Staatsgründung entdecken zu können. Aber die Action sitzt trotzdem. KOCH FILMS brachte den Agentenfilm nun im hiesigen Heimkino heraus.
Originaltitel: Xuan ya zhi shang
Regie: Zhang Yimou
Darsteller: Hewei Yu, Yi Zhand, Hailu Qin, Jiayin Lei, Yawen Zhu, Dahong Ni
Artikel von Kai Kinnert
China in den 1930er Jahren: Vier Geheimagenten werden über der japanisch besetzten Mandschurei mit dem Fallschirm abgeworfen, um einen Kollegen zu retten. Doch als sie von einem Verräter in den eigenen Reihen enttarnt werden, beginnt ein Katz- und Maus-Spiel voller überraschender Wendungen, bei dem an jeder Ecke eine neue Gefahr lauert und niemand mehr weiß, wem er trauen kann – ein tödliches Wespennest voller Fallen und Intrigen, aus dem es kein Entkommen zu geben scheint.
Der Film ist ein Geschenk des Regisseurs zur Staatsgründung am 1. Oktober 1949, als die kommunistische Partei die Kuomintang und die Republik China besiegte und Mao Zedong auf dem Tiananmen die Volksrepublik China proklamieren konnte. So erzählt Cliff Walkers von einem Ränkespiel zwischen dem Geheimdienst der alten Republik China, der in Gefangenenlagern für allerlei Verbrechen an der Menschlichkeit sorgte, und den heldenhaften Kämpfern der neuen kommunistischen Partei Chinas, die gemeinhin dafür bekannt ist, eben nicht Fußballstadien als Hinrichtungsstätte zu wählen und auch sonst für Liebe und Freiheit steht. Das alte System stirbt und wehrt sich dem Untergang, das neue System ist voller Heldenmut und frischer Aufbruchsstimmung. Herzlich Willkommen im Genre des Propagandakinos, das hier eine wenig subtile Agentengeschichte wählt um die Staatsgründung zu würdigen. Dieser dramaturgische Mechanismus ist ein alter Hut und wurde schon in allen Ländern zu allen Zeiten im Kino angewandt. Einer der elegantesten Propagandafilme ist und bleibt allerdings Die Feuerzangenbowle mit Heinz Rühmann, in dem Rühmann für die „frische“ NSDAP steht und die knarzigen Lehrer für die Weimarer Republik. Das Neue kommt und löst das Alte ab. Zeitenwende ist seit jeher eines der Themen im Propagandakino. Helden und Sympathien müssen eben immer auf der richtigen Seite sein, der Stoff muss in erster Linie unterhalten und sein propagandistisches Anliegen erst auf den zweiten Blick vermitteln.
Warum also nicht vier Agenten auf eine Mission schicken, bei der es um die Befreiung eines Gefangenen geht, der der Welt von den Gräueltaten der Kuomintang berichten soll. Doch es gibt Verräter und Doppelagenten in den eigenen Reihen. Sogar Doppeldoppelagenten, Gegenverrat vom Gegenverrat usw usf. Man verliert regelrecht die Übersicht in diesem Thriller, dessen produktionstechnischen Umstände deutlich mehr Spannung bieten, als es die zerfranste Handlung leistet. Dazu kommt eine unübersichtliche Kostümierung der Besetzung, die wirklich alle Schauspieler gleich aussehen lässt. Da der Streifen im echten Winter gedreht wurde und es permanent schneit, tragen alle Beteiligten die gleichen Winterklamotten. Schwarze Mäntel und Hüte, jeder hat die gleiche Kleidung an – nur die Frau hat einen hellen Schal und mal einen anderen Hut auf. Es wirkt wie eine verschneite Parodie auf Matrix oder irgendein Akte X-Setting, in der Gruppen von gleichaussehenden Leuten ständig durch die Gegend rennen und auch mal schießen. Als Zuschauer verliert man den Faden und findet auch keine Sympathien für die Rollen, wer interessiert sich schon für das Ränkespiel sterbender und aufstrebender Diktaturen.
Was Regisseur Zhang Yimou dafür mehr im Griff hat als seine treuergebene Dienstleistung zum 70. Jahrestag der Staatsgründung, sind die Action und die Drehorte des Films. Cliff Walkers hat ein paar knackig-kleine Actionsequenzen, die ziemlich hart sind und wie immer durch die lange Tradition des HK-Actionkinos gespeist werden. Der Kampf mit dem Ast im Auge ist da durchaus Erinnerungswürdig. Dazu kommen Dreharbeiten bei Minus 40 Grad, ein Umstand, der im überraschend langen Making Of (ca. 45 Minuten) dramatisch zu bewundern ist. Schreiende Schauspieler, die um ihre Hände fürchten, müssen verarztet werden und man sieht die enorme Kälte während der Szenen im Wald. Das war kein Zuckerschlecken und ständig musste die Technik ausgewechselt werden. Ebenso beeindruckend ist das städtische Set. Die Kulisse für die Stadt ist enorm, man kann dort minutenlang mit dem Auto durch die historischen Straßen einer Großstadt fahren, ohne dass sich die Gebäude wiederholen. Im Making Of gibt es eine Luftaufnahme auf das Kulissen-Gelände mit seiner aufwändigen Ausleuchtung. Licht und Ausstattung geben in diesen Szenen wirklich was her, die Sache ist hübsch und stylish gefilmt worden.
Cliff Walkers ist der knarzige Versuch eines Agententhrillers, eingebettet im doppelbödigen Genre des Propagandafilms, bei dem auch noch die Übersicht völlig flöten geht. Mögen die Aufnahmen in der Kälte auch gelungen und die Action von gewohnter Qualität sein – inhaltlich ist Cliff Walkers eine verquaste Schlaftablette. Trotzdem schien der Film im Heimatland Yimous gut angekommen zu sein, denn der Regisseur ist schon mit der Fortsetzung beschäftigt. Na dann. Vorwärts immer, rückwärts nimmer!
Das Bild der mir vorliegenden Blu-ray ist sauber, satt und klar, der Ton ebenso. An Extras gibt es einen Trailer und eine Behind the Scenes-Featurette.
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