Das muss man erstmal schaffen. Obwohl erst sein dritter Film als Regisseur, ist der Hauptwerbefaktor im Trailer zu Nope, dass es sich hier um das neueste Machwerk von Jordan Peele handelt. Für mich ehrlicherweise kein Grund zum Jubeln. Get Out gefiel mir zwar recht gut, trotzdem empfand ich den Film durchaus overhyped. Sein zweiter Streich mit dem Titel Wir hingegen hinterließ bei mir nur Kopfschütteln und Verärgerung. Ob er wohl diesmal eine Punktlandung bei mir landen konnte? Anlässlich der Heimkinoveröffentlichung von UNIVERSAL PICTURES habe ich den Film in den Player gelegt.
Drehbuch & Regie: Jordan Peele
Darsteller: Daniel Kaluuya, Keke Palmer, Brandon Perea, Steven Yeun, Michael Wincott, Wrenn Schmidt
Artikel von Christian Jürs
Alles beginnt mit einem Affen. In einem Fernsehstudio rastet ein Schimpanse komplett aus und hinterlässt ein Blutbad. Nur wenige, kurze Bilder bekommen wir zu Gesicht, ehe die Location komplett wechselt. Zu einem späteren Zeitpunkt kehrt der Film nochmal zurück an den Ort des Geschehens, doch zunächst bleibt der Zusammenhang zur Haupthandlung von Nope unklar.
Diese dreht sich um das Geschwisterpaar Emerald (Keke Palmer) und OJ Haywood (Daniel Kaluuya), die nach dem ebenso tragischen-, wie auch mysteriösen Ableben ihres Vaters Otis Haywood Sr. (Keith David) die Familienranch erben. Dort hat man sich auf das Dressieren von Filmpferden spezialisiert. Laut eigener Aussage eine Familientradition, war doch der Ur-Ur-Großvater der Haywood-Geschwister angeblich derjenige, der in The Horse in Motion, dem ersten Film überhaupt, auf einem Pferd reitend zu sehen sein soll. Doch die Zeiten sind mies für Tiertrainer in Hollywood. CGI ersetzt mittlerweile die teils störrischen Tiere und – wie wir anhand der eingangs erwähnten Affenszene später sehen werden – sind Computereffekte sicherer, denn sie laufen nicht Amok. Emerald würde aufgrund der finanziellen Probleme am liebsten die Ranch verkaufen und eine Karriere in Hollywood starten, doch OJ hält am Traditionsfamilienbetrieb fest.
Fehlendes Geld ist allerdings nicht das größte Problem, vor dem die ungleichen Geschwister stehen, denn gar merkwürdiges geht in der Gegend um die Ranch vor. Nicht nur, dass das Familienoberhaupt von einem eigenartigen Trümmerteil, welches vom Himmel wie ein Geschoss fiel, getötet wurde, immer wieder fällt auch der Strom aus, die Pferde drehen durch und eine eigenartige Wolke, die auch das Filmplakat ziert, scheint sich seit Monaten nicht von Ort und Stelle zu bewegen.
Und damit möchte ich meine Inhaltsangabe zu Nope an dieser Stelle auch schon beenden, denn es steigert den Filmgenuss, wenn man vorab so wenig wie möglich erfährt. Aus diesem Grund habe ich auch nur einen 30 sekündigen Teaser, anstelle des obligatorischen Trailers, unten im Artikel verlinkt. Erwähnen möchte ich aber noch drei durchaus wichtige Figuren, die für die Handlung relevant sind. Brenden Perea gibt einen sympathischen Baumarktmitarbeiter, der Verschwörungstheorien gegenüber nicht abgeneigt ist und den Geschwistern mit Rat und Tat zur Seite steht. Außerdem wäre da noch Michael Wincott als Ausnahmeregisseur, der im letzten Drittel ebenfalls stärker in den Fokus der Handlung tritt und eine gute Performance gibt. Zu guter Letzt sei Baseballschlägerfan Steven Yeun erwähnt, der als ehemaliger Kinderstar, dessen TV-Karriere nach dem Schimpansenmassaker den Bach herunterging, nun eine kleine Westernstadt für die ganze Familie betreibt, die von Goldwaschen über Showacts für Spiel und Spaß sorgen soll. Auf mich wirkte die Anlage ein wenig, als habe man im Heide Park in Soltau die Westernstadt mit dem Peppa Pig Land vermischt. Irgendwie scary.
Aber wie finde ich denn Nope nun eigentlich? Tja, das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Ursprünglich schrieb ich diese Rezension direkt nach dem Besuch der Pressevorführung im Sommer. Dabei stellte ich fest, dass man Nope erstmal sacken lassen muss. „Weird“ war das Wort, welches ich aus den Gesprächen der Pressekollegen und -kolleginnen nach der Vorstellung am häufigsten aufschnappen konnte. Aber auch „war sehr unterhaltsam„. Beides trifft irgendwie zu. Rein filmisch gesehen ist der Streifen jedenfalls eine echte Bombe. Die Aufnahmen der IMAX-Kameras sorgen, egal ob in den Tag- oder Nachtszenen, für ein großartiges „mittendrin“ Gefühl. Auch die Soundkulisse ist gekonnt und kracht hier und da gewaltig. Wer hätte gedacht, dass Sunglasses at Night auf halber Geschwindigkeit so eine wohlige Gruselatmosphäre erzeugen kann? Die Schauspieler machen allesamt einen tollen Job, wobei insbesondere Daniel Kaluuya dank seiner Ausstrahlung und dem reduzierten Spiel überzeugt. Die Tatsache, dass Jordan Peele sich lässig über Jumpscares lustig macht, zeigt, wie gut er sein Handwerk versteht. Sein Sinn für Bilder und Atmosphäre ist beeindruckend und degradiert mit nur drei Filmen langjährige Wackelkamerastümper wie Michael Bay auf die hinteren Plätze des Hollywoodolymps. Die letzte halbe Stunde versprüht zudem die Vibes eines jungen Steven Spielberg, was heute nur noch wenigen Filmemachern gelingt.
Trotz dieser vielen, sehr positiven Worte, ist Nope aber nicht durchweg gelungen. So wird das Konzept, immer wieder gruselige oder spannende Dinge nur anzudeuten, um dann später nochmal ausgiebig und in oft langen Einstellungen zum Ort des Geschehens zurückzukehren, ein wenig überstrapaziert. Die dabei spannendste Szene, die mit dem Affen, trägt zudem nur marginal zur Handlung bei. Auch ist der Film mit 130 Minuten Laufzeit mal wieder ein wenig zu lang geraten. Doch diese Laufzeit benötigt er, um immer wieder falsche Fährten zu legen. Was den Horror im Film betrifft, so wäre hier durchaus Luft nach oben gewesen. Wirklich gruselig war der Film eher selten – vielleicht bin ich aber auch zu abgebrüht nach tausenden von Filmen. Immerhin blieb die unfreiwillige Komik, die Wir auf mich versprüht hatte, aus. Der Film ist komisch, wenn er komisch sein möchte und nicht wenn der Grusel versagt. Ganz nebenbei besitzt er dann auch noch eine Prise Science Fiction und ist ein wenig Western – quasi eine bunte Wundertüte. Lasst Euch überraschen.
Unterm Strich ist Nope ein Streifen, an dem sich die Geister scheiden. Wer echten Horror erwartet, der dürfte enttäuscht werden. Handwerklich kann man dem Film aber definitiv nichts vorwerfen. Natürlich ist Nope aber auch ein Film, der bei der Erstsichtung besser funktioniert. Wenn man bereits weiss, wohin der Hase läuft, entdeckt man aber immer noch Dinge, die man beim ersten Mal vermutlich übersehen hat.
Mir lag zur Rezension der DVD-Rohling vor. Ich empfehle aber, wenn möglich auf die 4K UHD- oder zumindest Blu-ray-Variante zurückzugreifen, um die toll eingefangenen Bilder von Nope in gebührender Qualität genießen zu können. Als Bonus gibt es fünf unveröffentlichte Szenen, ein Gag Reel und zwei weitere Featurettes. Auf dem Cover prankt übrigens das FSK 16-Logo. Der Hauptfilm wurde, trotz R-Rating, aber von der FSK bereits ab 12 Jahren freigegeben.
Amazon-Partner-Links:
4K UHD Steelbook (inkl. Blu-ray / Amazon-exklusiv)