Wenn Hongkong-Ikone John Woo für Etwas bekannt ist, dann für ausschweifende Bleiopern und romantischen Pathos. Weniger bekannt ist der Regisseur allerdings für leichtfüßige Komödienkost und das, obwohl er vor seinem großen Durchbruch eher im humorvollen Fach beheimatet war. Wie dem auch sei, zwischen seinen großen Meisterwerken der späten 1980er und frühen 1990er Jahre drehte Woo die Action-Heistkomödie KILLER TARGET (1991), einen Film, der gerne etwas stiefmütterlich behandelt wird. Vision Gate hat den Streifen im Vertrieb von Cargo Records kürzlich hierzulande erstmals in HD in zwei limitierten Mediabook-Editionen veröffentlicht und ob Woo-Fans hier auf ihre Kosten kommen, erfahrt ihr in unserer Kritik.

Originaltitel: Chung hang sei hoi/Once a Thief

Drehbuch: Janet Chun, Clifton Ko, John Woo

Regie: John Woo

Darsteller: Chow Yun-Fat, Leslie Cheung, Cherie Chung, Kong Chu, Kenneth Tsang, David Wu…

Artikel von Christopher Feldmann

John Woo einfach nur als einen unter vielen Hongkong-Regisseuren zu bezeichnen, würde fast einem Affront gleichkommen, immerhin gehört der Filmemacher zu den prägendsten Köpfen des modernen Actionkinos. Seine Filme zeichnen sich neben viel Dramatik und Pathos durch ausschweifende Shootouts aus, in denen die Protagonisten durch die Szenerie wirbeln, meist in ästhetischen Zeitlupen. Nicht umsonst wird Woo seit jeher als Meister des Kugelballetts bezeichnet und sein Stil fand zahlreiche Nacharmer, vor allem in Hollywood. Bevor der Meister selbst über den großen Teich wanderte, um seine Kunst mit üppigen Budgets und großen Stars auf die internationalen Leinwände zu bringen, schuf er einen Klassiker nach dem anderen. Egal ob A BETTER TMORROW (1986), A BETTER TOMORROW 2 (1987), das Meisterwerk THE KILLER (1989), das Epos BULLET IN THE HEAD (1990) oder sein virtuoses Ballerfest HARD BOILED (1992), Woo schuf blutige und bleihaltige Kunst für die Ewigkeit, die in die Sammlung eines jeden Actionfans gehören. KILLER TARGET (1991), international als ONCE A THIEF veröffentlicht, fällt da schon etwas aus dem Raster, hielt sich der versierte Filmemacher hier in Sachen melodramatischem Kitsch weitestgehend zurück, um eine beschwingte, leichtfüßige Actionkomödie abzuliefern. Wahrscheinlich auch ein Grund, warum das stellenweise sehr alberne Treiben eines Gaunertrios gerne unter den Tisch gefallen lassen wird. Auch ich habe den Film nun zum ersten Mal gesehen und auch wenn Vieles nicht meine Tasse Tee ist, sobald Woo seine Protagonisten in die Action schickt, frohlockt mein Herz.

Handlung:

Jim (Leslie Cheung), Joe (Chow Yun-Fat) und die hübsche Sherry (Cherie Chung) sind ausgebuffte Profidiebe. Raffiniert, lautlos und blitzschnell schnappen sie sich die wertvollsten Kunstwerke. Kein Museum in Europa ist sicher vor ihnen. Doch Sherry hat eines Tages die Nase voll vom Risiko und möchte mit Joe eine Familie gründen. Da erhalten die drei von einem geheimnisvollen Monsieur Bond (Pierre-Yves Burton) aus Nizza ein Angebot, dem sie nicht widerstehen können. Für zwei Millionen Dollar soll das Trio ein unbekanntes Gemälde aus einem Privatschloss an der französischen Riviera stehlen. Klingt eigentlich ganz einfach für den letzten, großen Coup! Aber der Geheimtresor, in dem das Kunstwerk lagert, ist mit modernsten Laser- und Selbstschussanlagen gesichert. Doch Jim und Joe knacken auch dieses System. Kaum draußen mit ihrer Beute, werden sie plötzlich von eiskalten Killern überfallen. Es beginnt eine mörderische Verfolgungsjagd, die gnadenlos alles niedermacht, was sich ihr in den Weg stellt…

BULLET IN THE HEAD (1990) stellte seiner Zeit Woos ambitioniertestes Projekt dar. Die Geschichte über drei Freunde in den Wirren des Vietnamkriegs zählt heute zu den besten Filmen des Regisseurs, entpuppte sich aber bei seiner Erstveröffentlichung als kommerzieller Flop. Woo, der seine ganze Passion und Energie in den Film gesteckt hatte, war nach eigenen Angaben stark deprimiert von dem Misserfolg. Daher wagte er für seine nächste Arbeit keine Risiken und ging auf Nummer sicher, um möglichst einen kommerziellen Hit abzuliefern. KILLER TARGET beinhaltet daher so gut wie keinen wooschen Pathos und melodramatischen Elemente, sondern ist von vorne bis hinten eine waschechte Gaunerkomödie, die der Grandseigneur der Bleiopern natürlich mit ausufernder Action anreichert.

Die Handlung folgt dem Gaunertrio Joe, Jim und Sherry, das an der französischen Riviera wertvolle Kunst stiehlt. Die Drei sind seit Kindheitstagen zusammen und wollen dem Verbrecherleben nun endgültig den Rücken kehren, wäre da nicht noch dieser eine letzte und richtig gut bezahlte Job. Dass unsere Protagonisten am Ende natürlich gelinkt werden und ausgeschaltet werden sollen, erklärt sich von selbst, woran man merkt, dass das Drehbuch sich aus lange etablierten Tropen zusammenspeist. Das ist vollkommen in Ordnung, bediente sich Woo doch schon in THE KILLER (1989) bei bekannten Handlungsmotiven, beispielsweise aus den Filmen Jean-Pierre Melvilles. Allerdings setzt das Skript in diesem Fall falsche Prioritäten, denn auch wenn der Regisseur eigentlich aus dem Komödienfach kommt, unter wirklich gutem Humor verstehe ich etwas anderes. Es mag auch daran liegen, dass ich mit asiatisch geprägter Comedy ohnehin wenig anfangen kann, ist mir diese meist zu albern und zu affig. Und genau Das sorgte auch dafür, dass ich KILLER TARGET nicht vollends genießen konnte, immerhin gehen die Albernheiten auf Kosten der Spannung, denn obwohl das Trio in Lebensgefahr schwebt, bleibt die Tonalität weitestgehend heiter und beschwingt. Nicht mal interessante Themen wie zum Beispiel der Umstand, dass Joe und Jim eigentlich die gleiche Frau lieben, wird wirklich auserzählt. So schleppt sich die Handlung über die Laufzeit von etwas mehr als 100 Minuten (zumindest in der Originalfassung) ohne wirklich zu packen oder gar zu berühren, und das war immerhin ein Markenzeichen Woos in seiner Hongkong-Phase.

Wesentlich drolliger und unterhaltsamer wird der Film dann, wenn Jim und Joe zum ersten Mal das Gemälde stehlen müssen. Von einer netten Akrobatik-Einlage bis hin zum Tänzeln durch die Alarmsensoren kann der Film hier punkten aber immer dann wenn die Story quasi im Stillstand verweilt, damit die Protagonisten herumalbern dürfen, wird es schnell nervig. Chow Yun-Fat, Woos damaliger Stammschauspieler und Hauptdarsteller seiner größten Hits, kaspert sich hier unwahrscheinlich anstrengend durch den Film. Sein aufgesetztes breites Grinsen in Verbindung mit seinem überdrehten Spiel verlangte mir einiges ab, auch wenn es sicher Zuschauer gibt, die daran ihre Freude haben. Ich sehe den Hongkong-Star weiterhin lieber in ernsten Rollen. Generell wirkt der Humor über weite Strecken aufgesetzt und nicht organisch, als hätte jemand am Set geschrien: „Egal, Hauptsache lustig!“. Das gilt auch für die Co-Stars Leslie Cheung, der bereits in den A-BETTER-TOMORROW-Filmen zu sehen war, und Cherie Chung, die dem Ganzen wenig hinzuzufügen haben. Auch die Schurken bleiben größtenteils blass.

Das klingt jetzt Alles ziemlich negativ und auch wenn ich relativ unempfänglich für diese Art von Film und Humor bin, wenn Altmeister Woo Action auffährt, schießen mir die Glückshormone durch Mark und Bein. Zwar müssen sich Fans des Kugelballetts mit zwei größeren Actionszenen zufriedengeben, diese sind allerdings wieder wunderbar ausgedehnt und natürlich stilsicher inszeniert. Das Finale spult dann nochmal das volle Programm wooscher Virtuosität ab, auch wenn man Abstriche in Bezug auf graphische Härte machen muss. Da es sich hier um einen lockeren Film handelt, verzichtete Woo hier offensichtlich auf majestätisch platzende Blutbeutel, insgesamt sind die Shootouts relativ harmlos, auch wenn hier massig Gegner über den Haufen gemäht werden. Trotz der fehlenden Brutalität und dem fehlenden Melodrama, sind die Szenen natürlich wieder spektakulär und besonders gen Ende vollführt Chow Yun-Fat einige schöne Moves, während Baddies im Zeitlupen-Kugelhagel ihr Ende finden.

John Woo drehte übrigens im Jahr 1996 ein Remake des Films für das kanadische Fernsehen. Daraus entstand immerhin eine Spin-Off-Serie unter dem Titel JOHN WOO’S ONCE A THIEF (1997-1998), die allerdings nie über die erste Staffel hinauskam aber noch zwei Direct-to-Video-Sequels nach sich zog.

Das Mediabook aus dem Hause Vision Gate, das im Vertrieb von Cargo Records erschienen ist, enthält den Film sowohl auf Blu-ray und DVD. Schön ist die Tatsache, dass neben der kürzeren deutschen Kinofassung auch die Originalversion des Films enthalten ist. Fehlende Szenen sind daher lediglich deutsch untertitelt. Bild- und Tonqualität sind solide bis ordentlich, auch wenn ich mir von dem 2K-Master etwas mehr versprochen habe. Bonusmaterial ist bis auf den Trailer und ein immerhin wieder gelungenes 16-seitiges Booklet von Christoph N. Kellerbach leider nicht vorhanden.

Fazit:

KILLER TARGET (1991) aka ONCE A THIEF gehört mitnichten zu den großen Meisterwerken John Woos und dürfte der wohl schwächste Film aus seiner Hongkong-Prime sein, dafür sorgt der viel zu alberne Humor, das flache Skript und die durch Abwesenheit glänzende Spannung. Aber immer wenn die Action einsetzt, bekommt man als Fan bleihaltiger Action Woo auf der Höhe seiner Kunst geboten. Die ausufernden Schießereien sorgen immerhin dafür, dass man den Film noch einigermaßen genießen kann.

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