Das X-Rating war in den USA von 1968 bis 1990 die höchste Altersfreigabe für Filme und bedeutete, dass diese Werke für Kinder und Jugendliche nicht geeignet waren. In diese Kategorie fielen u.a. auch Kultfilme wie Zombie, Der Exorzist und Uhrwerk Orange. Vor allem aber waren es Pornos, die diese Freigabe wie selbstverständlich für sich gepachtet haben. Und genau so einen Schmuddelfilm wollen die Hauptdarsteller im neuesten Schocker von Ti West (House of the Devil) auf einer abgelegenen Farm in Texas drehen. Keine gute Idee, wie Ihr in dieser Neuveröffentlichung aus dem Hause CAPELIGHT PICTURES feststellen werdet, denn neben weißen, werden dort auch rote Körperflüssigkeiten spritzen.
Regie: Ti West
Darsteller: Mia Goth, Martin Henderson, Brittany Snow, Kid Cudi (als Scott Mescudi), Jenna Ortega, Stephen Ure
Artikel von Christian Jürs
„Wie The Texas Chainsaw Massacre – nur mit mehr Sex.“
Der Werbespruch, mit dem Capelight Pictures den Horrorfilm von Regisseur Ti West (In a Valley of Violence) bewirbt, ist schon ziemlich genial – und gar nicht so weit von der Wahrheit entfernt. Beide Filme spielen auf einer Farm in Texas, beide Geschichten finden in den Siebzigern statt und, ebenso wie bei Tobe Hoopers genialem Schocker, haben auch hier die Farmbesitzer eine Schraube locker. Doch der Reihe nach.
Wir schreiben das Jahr 1979. Der Stripclubbesitzer Wayne (Martin Henderson) hat es satt, nur kleine Brötchen mit exotischen Tänzerinnen zu backen. Ihm strebt nach Höherem: einen Pornofilm zu produzieren, der die Leute auch cineastisch überzeugt. Deshalb engagiert er als Hauptdarstellerin die attraktive Bobby-Lynne (Britanny Snow) und den ordentlich ausgestatteten Jackson (Kid Cudi) als Stars seiner Vision „The Farmers Daughters„. Zusammen mit dem Regisseur R.J. (Owen Campbell) und dessen, für die Tontechnik zuständigen, Freundin Lorraine (Jenna Ortega), sowie seiner im Stripschuppen tätigen, deutlich jüngeren Freundin Maxine (Mia Goth), macht sich motivierte Team auf, um auf der Farm des alten, mürrischen Howard (Stephen Ure), wo Wayne ein kleines Gästehaus untermietet, heimlich sein Märchen für Erwachsene zu drehen.
Doch Willkommensfreude geht anders und so empfängt ihn der greise Farmer mit einer Schrotflinte, die er dem frischgebackenen Pornoproduzenten erstmal unter die Nase hält. Ein Missverständnis, welches jedoch nur als Warm-up für den wahren Terror dient, der später über die jungen Filmemacher hereinbrechen soll. Bevor man jedoch zunächst einmal fleißig mit dem Dreh starten kann, erwähnt der alte Farmer noch seine kranke Frau Pearl, auf die die Gruppe bitte Rücksicht nehmen solle. Dann geht´s auf an die Arbeit für das Filmteam. Doch als die Nacht hereinbricht, beginnt der Terror seinen Lauf zu nehmen.
Dass Ti West das Horrorgenre liebt, merkt man in jeder Pore von X. Hinterwäldler, die sich einer Gruppe junger Leute annehmen, dass ist der Stoff, aus dem, seit The Texas Chainsaw Massacre, des Öfteren die Albträume der Kinogänger geschaffen wurden. Den wegweisenden Klassiker Tobe Hoopers, sowie dessen zwei Jahre später entstandenen Film Blutrausch, zitiert West mit Bravour. Dabei stellt er hin und wieder sogar ganze Kameraeinstellungen nach, fügt aber auch genügend eigene Ideen hinzu, um aus dem Ganzen einen runden Schockerfilm zu gestalten.
Doch nicht nur vor dem Horrorfilm der Siebzigerjahre, auch vor dem frühen Pornofilm in seinen grobkörnigen Bildern verneigt sich der Regisseur und tut dies mit einem gehörigen Augenzwinkern. Dabei geht es in beiden Genres zwar deftig, aber niemals allzu hart oder gar vulgär vonstatten. Man merkt aber deutlich, dass Ti West genau wusste, was er da drehte. Brittany Snow, die in den Pitch Perfect Filmen noch mit ihrer Goldkehle überzeugte, bietet hier ordentlich Körpereinsatz und liefert vor allem in den gestellten Pornoszenen eine herrliche Vorstellung als naives Landei („Mein Daddy ist nicht zu Hause.“). Der wahre Star von X ist allerdings Mia Goth, die eine richtig gute Performance als verruchtes Girlie mit genauen Plänen für ihre Zukunft gibt.
Wer also eine Schlachtplatte, ähnlich dem neuesten TCM-Ableger von Streamingdienst Netflix erwartet, der wird herbe enttäuscht werden. Ti Wests Film legt mehr Wert auf Stimmung, Spannung und ironische Brechungen, als auf Splatter und Gewalt. Natürlich gibt es aber auch hier Schauwerte, die reichlich schmodderig daherkommen. Deshalb vergab die FSK zum Kinostart auch erstmal eine 18er Freigabe, die Capelight Pictures dank Berufung jedoch in eine Jugendfreigabe ab 16 Jahren umwandeln konnten – natürlich komplett unzensiert.
Dies ist nicht die einzige gute Nachricht. Bislang noch ohne Starttermin, drehte Ti West heimlich still und leise gleich noch ein Prequel mit dem Titel Pearl, welches im Jahr 1918 angesiedelt ist. Der Film ist just in Venedig gelaufen und nun auch in den USA gestartet. Die Kritiken sind äußerst positiv und wir dürfen gespannt sein, ob Capelight Pictures uns auch hiermit erfreuen wird. Doch es kommt noch besser, denn gerade hat West auch noch ein Sequel angeteasert, welches den Titel Maxxxine trägt und wohl den aufkeimenden Pornovideomarkt der 80er als Handlungsschwerpunkt nutzen wird. Go for it, Capelight Pictures.
X wurde, neben der obligatorischen digitalen Variante, wie üblich auf DVD und Blu-ray veröffentlicht. Auch 4K-Fans gehen aber nicht leer aus, denn Capelight Pictures haben zudem zwei Mediabookvarianten auf den Markt gebracht, die neben der Blu-ray auch eine UHD-Scheibe beinhalten. Mir liegt eines dieser Mediabooks vor und ich darf verlauten, dass sowohl Bild-, als auch Tonqualität hervorragend sind. Die englische Sprachfassung liegt sogar im Dolby Atmos 7.1-Ton vor, die Synchro im DTS-HD 5.1 Ton.
Das Bonusmaterial ist besonders sehenswert, allerdings rate ich dazu, dieses erst nach dem Genuss des Hauptfilms anzuwählen, da man massiv gespoilert werden könnte. Es beinhaltet ein Making Of, eine Featurette „Becoming Pearl“ (keinesfalls vorab schauen), Trailer und die Kurzfassung des fiktiven Pornofims „The Farmers Daughters“ (auch in synchronisierter Form!). Hinzu kommt ein 24-seitiges Booklet „Interview mit Ti West„; geführt von Rovuen Linnarz.
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