Gefühlt erscheint zwar jeden Monat ein Film mit Frank Grillo, aber nur wenige Filme, die ein Automobil zum Hintergrund haben. Hier wird der Freund legendärer Automarken wach, hier ist man gespannt, ob es in dem Film die richtigen Autos zu sehen gibt. Sind es Originale? Sehen wir die Entstehung eines legendären Automobils? Findet der Film das richtige Gleichgewicht zwischen Biopic und PS-starker Leidenschaft? Fragen, die in diesem Artikel von einem Experten der italienischen Autoindustrie beantwortet werden. Schnallen Sie sich an! CONSTANTIN FILM brachte den Streifen nun im Heimkino heraus.

Regie: Bobby Moresco

Darsteller: Frank Grillo, Mira Sorvino, Gabriel Byrne, Giorgio Cantarini, Eliana Jones, Fortunato Cerlino

Artikel von Manuel Hinrichs und Kai Kinnert

Basierend auf den Büchern seines Sohnes wird von Ferruccio Lamborghinis bescheidenen Anfängen mit dem Bau von Traktoren bis hin zu seiner berüchtigten Rivalität mit Enzo Ferrari sein Leben erzählt. Ferruccio war ein unvergleichliches Genie und eine wahre Ikone der Automobilbranche. Doch seine Leidenschaften entfachten auch emotionale Turbulenzen in seinem Privatleben, das sowohl von Romantik als auch von Tragödien geprägt war.

Lieber Leser, wenn es um Autos geht, dann wende ich mich gerne an meinen Freund Manuel Hinrichs, einem Kenner historischer Sportwagen. Er ist Autor einer großen Dokumentation, die anhand von Fahrgestellnummern die Historie seltener Automobile nachvollzieht. Bugatti, Ferrari, Porsche, Mercedes – als Laie bin ich erstaunt über die Tiefe seines Archivs und über die breite Vielfalt an Renngeschichten der einzelnen Fahrzeuge. Daher übergebe ich an dieser Stelle an den Gastautoren Manuel Hinrichs und melde mich danach mit meinem Fazit zurück. Herr Hinrichs, übernehmen Sie:

Aber gerne doch. Lamborghini! Bella Italia! Was könnte man nicht alles über dieses unglaublich vielfältige und schöne Land mit den perfekten Lichtverhältnissen und der malerischer Landschaft erzählen?

Italien. Das ist die ganz große Oper. Giacomo PuccinisTosca“ oder auch Giuseppe Verdis „La Traviata“ treffen seit Generationen mitten ins Herz. Luigi Visconti und Roberto Rossellini zeigten uns das Nachkriegs-Italien neorealistisch. Durch die Augen von Sergio Leone sahen wir nicht nur das ultimative Einwandererkino, sondern auch die Ultima Ratio des Western-Genres. Damiano Damiani prägte unsere Sicht auf Gesellschaft, Politik oder Mafia – und oft gab es da keine Unterschiede. Viele Filme vertrauten dabei auf die unvergessliche Musik Ennio Morricones.

Schriftsteller Roberto Saviano ent-romantisierte schließlich unser Bild der allgegenwärtigen Mafia, und zahlte dafür seither mit einem Leben unter Polizeischutz.

Brutalität und Gewalt, Architektur und Kultur, Kunst, Mode und Ästhetik. Und ganze nebenbei: die am schönsten proportionierten Formen im Automobildesign überhaupt. Aus Italien stammen innovative Industriedesigner, Metallspengler wie Battista „Pinin“ Farina, Nuccio Bertone, Alfredo Vignale und viele Andere.

Dazu Motorenkonstrukteure wie Carlo Abarth, Giacchomo Colombo, Aurelio Lampredi und eben auch Ferruccio Lamborghini, während Enzo Ferrari Rennstallbesitzer und Automobilhersteller wurde. Der fachliche Einfluss jedes Einzelnen ist Teil des guten Rufs, den Italien weltweit hat. Es ist ein Land voller Leidenschaft und Kunstfertigkeit.

Und deshalb, eben weil Italien so voll von Schönheit und guten Filmen ist, tut es so weh, das man bei Lamborghini – The Man behind the Legend nichts von alldem spürt. Erstrecht, wenn man man einer realen Person fiktive Dialoge, Manierismen und Begegnungen andichtet, die nicht nötig gewesen wären. Das Leben von Ferruccio Lamborghini gibt genug her, um Stationen davon episch mitreißend und emotional darzustellen. Er hatte ein Leben mit dem Potential einer großen Oper und geriet hier zum pathetischen Abziehbild einer simplifizierten Realität.

Kriegsheimkehrer Ferruccio Lamborghini (Romano Reggiani) versucht seinen Vater von seinen ehrgeizigen Plänen zu überzeugen. Zusammen mit seinem Freund Matteo (Matteo Leoni) will er ein Rennen gewinnen und so Geld für den Bau günstiger Traktoren zu sammeln. In der Rolle des Vaters gibt es ein Wiedersehen mit Fortunato Cerlino, der kongenial den Boss der Bosse Don Pietro in dem Serien-Highlight Gomorrha spielte. Hier ist er zwar nur in einer sehr kleinen Rolle zu sehen, doch er nutzt die wenige Zeit für einen großartigen Auftritt. Fortunato Cerlino ist das schauspielerische Highlight des Films, er hat Herz und Glaubwürdigkeit.

Als der Vater nicht begeistert von den Plänen seines Sohnes ist, versucht der ihn nicht mit Argumenten zu überzeugen, sondern greift auf sonnigen Pathos zurück: „Die Sonne geht auf und die Sonne geht unter für die meisten Männer. Die meisten Männer sterben – aber bei ein paar großen Männern lebt der Name weiter!“ Lamborghini reagiert beleidigt auf die Skepsis seines Vaters, wobei es irgendwie eine Grundidee des Drehbuchs zu sein scheint, Lamborghinis Motivation, einen Sportwagen zu bauen, nur aus Kränkungen heraus entstanden ist. Keiner glaubt ihm, also macht er es.

Später ergänzt sich diese oberflächliche Vereinfachung in einer weiteren Szene. Dereinst war es wohl die mangelnde Zuverlässigkeit seines Ferrari (im Film ist es die Kupplung), weswegen sich Ferruccio Lamborghini bei Enzo Ferrari persönlich beschwerte. Mit deutlich diktatorischen Anlagen ausgestattet, antwortete Enzo Ferrariauf seine bekannte und herablassenden Art: „Lieber Lamborghini, sie bauen Traktoren.. was wissen sie schon über Sportwagen?“

Der Legende nach trug es sich wohl so zu, woraufhin Lamborghini den Plan fasste, Sportwagen zu bauen. Im Film reagiert Lamborghini auf die Retourkutsche Ferraris aber erneut mit Kränkung. Dieses vermeintlich kleine Detail ist interessant, weil die Filmfigur Lamborghini sich permanent als stolz, aber unbedeutend empfindet. Die Filmfigur glaubt, dass sie einen besseren Platz in der Geschichte verdient hätte, die umgebende Welt aber einfach zu ignorant ist, dieses zu erkennen. Es ist, als würde der Regisseur die Person Ferruccio Lamborghini demontieren wollen, wenn auch auf eine unbewusste Art. Der Film verbringt viel Zeit im Privatleben Lamborghinis, dort hatte er tatsächlich viele Reibungspunkte, was der Regisseur dankbar zur Seifenoper verarbeitet. Der Film findet kein Gleichgewicht zwischen Fiktion und Realität. Selbst Ferraris Firmenschild „Ferrari – When you want to be somebody“ ist so nicht richtig, stammt der ergänzende Satz doch von Frank Sinatra, und nicht von Enzo Ferrari.

Doch welche Automobile bekommt man denn nun zu sehen?

Immerhin originale Lamborghinis (ein azurblauer und ein metallic-grüner 350GT, ein gelber Miura, ein blauer und ein roter Countach), sowie ein paar originale Ferraris (ein roter Mondial 8 und ein gelber Dino 246GT, sowie ein metallic-grüner Ferrari 275GTB/2), plus eines verschämt im Halbschatten abgestellten Maserati 3500 GT Vignale Spyder und einen weißen MG A Roadster. Als Ferruccio Lamborghini schließlich seinen Typ 350GT auf dem Automobil Salon des Jahres 1964 vorstellt, steht auf Ferraris Stand ein wirklich schöner silberner Ferrari 330GTC, der uns allerdings als Ferrari 500 Super Fast verkauft werden soll. Das dieser Typ erst zwei Jahre später in Genf vorgestellt wurde, ist nur eine von vielen Ungenauigkeiten in diesem Film.

Und natürlich gibt es da noch Lamborghinis daily-driver: Ein Ferrari 250GT SWB California Spyder, dessen entspannter Auftritt auf eines der Originalfahrzeuge im Wert von fast $ 20.000.000 schließen lassen könnte. Aber nach Studium diverser Details (vordere Stoßstangenhörner und Position der Zusatzscheinwerfer im Grill, sowie Position und Form der Seitenblinker in Kombination mit dem Plexiglas über den Scheinwerfern und der Spurweite der Hinterräder) würde ich ihn doch als Reproduktion einordnen, wenngleich auch eine recht hübsche. Und solange dieses Fahrzeug keinen Check der Fahrgestellnummer zulässt, bleibt es, zumindest für mich, eine offene Frage, ob wir hier ein Original sehen. Jenen, in der Ferne der Einstellung abgestellten, Ferrari 250TR59 hingegen, erkennt auch der uninformierte Zuschauer als schlecht proportionierte Replica.

Der Tonschnitt ist eine Bitch, und so hört sich ein Porsche 356 1500 Speedster Pre A wie ein Fiat 750 an. In einer anderen Szene klingt ein Mercedes 190SL wie der eben genannte Porsche Speedster, welcher übrigens wie ein recht überzeugendes Auto aussieht. Original oder Fälschung? Wer will sich da schon festlegen, ist der Porsche Speedster, neben der Cobra, doch das meist kopierte Auto der Welt.

All das wird den meisten Zuschauern nicht auffallen. Er bekommt (leider viel zu kurze) routiniert gefilmte Außenaufnahmen Umbriens und fesch durchs Bild fahrende Fiats jeglicher Bauart zu sehen. Vom Kleinwagen Topolino über Alfa Romeo Giulia Bertone GT bis zu dem wunderschönen Fiat Überlandbus, bei dem die zweigeteilte Windschutzscheibe wegen der Hitze ausgestellt ist. Diese Aufnahmen retten vor den melodramatischen Dialogzeilen jenseits der Schmerzgrenze, die in dem Streifen theatralisch zum Besten gegeben werden.

Und da das erste Rennen eher eine forsch gefahrene Sonderprüfung ist und das Starterfeld nur aus sieben Fahrzeugen besteht, will sich auch keine Renn-Atmosphäre einstellen. Bei den italienischen Nachkriegsrennen wären sofort zehntausende Zuschauer zugegen gewesen – aber nicht 11! Der Mangel an Budget ist im Film aller Orten, wahrscheinlich ging das Geld für die Gebühr und Versicherung der Originalfahrzeuge drauf.

Aber es gibt dann doch noch ein paar gute Ideen, die den Film vor dem endgültigem Absturz retten. Zwar tritt in der großen pittoresken Tanzsaal-Sequenz nicht Frank Sinatra auf (Besitzer des Lamborghini Miura mit Chassis-no. #4407), sondern Schlagersänger Tony Renis (Giovanni Antonacci). Und tatsächlich war der echte Tony Renis ein sehr guter Freund des echten Ferruccio Lamborghini und bekommt dafür einen Cameo-Auftritt. Eine schöne Idee. Hier greift endlich der Fokus ins Privatleben der realen Person.

Irgendwann scheint sich der Film also etwas zu fangen und wir sehen endlich das, was vorher nur beim Traktorenbau angedeutet wurde: Lamborghini fängt zu konstruieren an!

Fast im Handstreich führt der Film drei Schlüsselfiguren des italienischen Automobilbaus in die Handlung ein: Gian Paolo Dallara (Leonardo Cecchi), Giotto Bizzarrini (Luca Riemma) und Franco Scaglione (Andrea Bruschi); in der Realität allesamt echte Game-Changer! Alle drei hinterließen einen Impact in der Sportwagenwelt, der bis in die Gegenwart reicht. Und alle drei werden hier leider zu Lamborghini’s Stichwortgebern degradiert. Sei es drum. Vergessen wir auch den absurden Text, den die Autoren Dallara, einen der größten Rennwagen-Chassiskonstukteure seiner Zeit, sagen lassen: „Wir stellen den Motor von Trockensumpf auf Naßsumpfschmierung um. Und ich muss ein Fahrgestell für die doppelte Nockenwelle bauen!

Mit Verlaub: Wie bitte? Ein Fahrgestell für die doppelte Nockenwelle? Das hört sich ja fast nach einer Würfelzucker-gelagerten Kurbelwelle an! Wo ist der Flux-Kompensator? Egal, Ferruccio Lamborghini scharrt erst einmal die richtigen Leute um sich und geht sein Projekt eines perfekten Sportwagens an. So gibt es dann auch etwas Technik in dem Film, aber leider zu wenig für den Autofreund und zu viel für denjenigen, der Telenovelas mag. Dazu die Besetzung.

Frank Grillo beherrscht zwar einen Blick, aber der reicht hier nicht aus, ihm fehlt für die Hauptfigur das Charisma. Auch die Fans von Gabriel Byrne werden überrascht sein, wie sich ein Schauspieler in eine Hintergrundtapete verwandeln kann. Byrne ist völlig unterfordert und steht in der Gegend  herum. Dank seines Null-Modus kann Frank Grillo überhaupt bestehen, wobei ich ihn in seinen meisten Filmen mag. Es ist großes Kino, wie Gabriel Byrne den Invisible Man neu erfindet.

Welch ein phantastischer Film hätte es werden können, wenn sich die gesamte Story um Lamborghini’s absolute Besessenheit, beispielsweise zwischen Büro, Motorenbau und Karosseriewerkstatt, abgespielt hätte. Ländliche Traktoren-Mechaniker bauen für den Genfer Autosalon einen Sportwagen, den Lamborghini Miura. Ein Auto, des später zu den Ikonen der Automobilhistorie zählen wird und vom New Yorker Museum of Modern Art/ MOMA kurzerhand zum schönsten Automobil der Welt gekürt wurde. Eigentlich eine tolle Story.

Wie ungenau der Film alles nimmt, zeigt sich, als Ferruccio Lamborghini die Passgenauigkeit einer aus Aluminium gedengelten Motorhaube überprüft, indem er mit den Händen versucht, etwaige Höhenunterschiede zur Karosserie zu ertasten. Soweit, so korrekt. Leider befindet sich die gesamte restliche Karosserie aber unter einem Autopaletot, also weit außerhalb seines Tastsinnes. Als sinnliche Erfahrung am Metall berührt er also ein Stück Stoff und vergleicht dieses mit einer, aus rohem Aluminium gedengelten, Motorhaube. Aber vielleicht ist er im zweiten Beruf ja Schneider und hat sehr sensible Fingerspitzen. Die einzige Geste, in der der Perfektionist Lamborghini offen gefühlvoll sein soll, entlarvt sich als sinnentleerte Pose.

Und dann ist da noch dieser Traum. Der Film beginnt 1992, also ca. 4 Jahre nach Enzo Ferraris Ableben, und Frank Grillo sinniertüber etwas, was niemals stattfand: Dem direkten Aufeinandertreffen zweier Titanen des italienischen Automobilbaus auf einer öffentlichen Straße an einer roten Ampel.

Aber erstaunlicherweise sieht sich Filmfigur Lamborghini in seiner Vision nicht im aktuellsten 1992er Topmodell seiner eigenen Marke, einem Lamborghini Diablo, sondern in einem Lamborghini Countach 5000 S Quattrovalvole mit 455PS. Okay, der Countach hatte einen größeren Impact auf die Sportwagenwelt als der Diablo – aber als interessierter Fachidiot kann man das getrost hinnehmen.

Enzo Ferrari hingegen wird im schwächsten und unsportlichsten Modell der Marke Ferrari platziert, einem 4-sitzigen Ferrari Mondial 8 Quattrovalvole von 1982 mit nur 240PS, anstatt im 1992er Topmodel 512TR mit 428PS, was zumindest auf Augenhöhe wäre.

Das absolute Ausstattungs-Highlight ist dann aber kein Auto, sondern ein Boot. Aber es ist nicht irgendein Boot, sondern das Boot. Es ist das originale Boot von Ferruccio Lamborghini, welches 20 Jahre in seinem Besitz war. Das Lamborghini Riva Aquarama Mahaghoni-Boot wurde nur ein einziges Mal gebaut und mit 700PS aus zwei Lamborghini 350GT V12 Motoren ausgerüstet.

Fazit: Mögen Lamborghini und Ferrari auch charismatische Strippenzieher gewesen sein, so sucht man in diesem Film vergeblich nach jener Finesse, die damals nötig war, um die Legenden überhaupt erst zu erschaffen. Es ist ausgeschlossen, einen würdigen Film über einen großen Automobilkonstrukteur zu drehen, ohne ein geschüttelt Maß an Herz, Recherche und Budget. Auch ein Film wie Le Mans 66 hatte trotz eines erheblichen Budgets sehr viele Schwächen im Detail. Man sah jedoch immer die Mühe, die die Crew sich gemacht hatte. Sogar Motoren auf dem Prüfstand hatten die zum Wagen passende Motorennummer. Es sind diese kleinen Dinge, an denen die Fans erkennen, ob klug gearbeitet wurde Hier wurde es nicht. Der Film greift sein Potential nicht ab, er baut keine Nähe zum Thema auf. Es gibt insgesamt nur wenige Werkstatt- und Rennszenen.

Damit übergebe ich wieder an Herrn Kinnert!

Oha. Genau so ist es, Herr Hinrichs. Mir war der Film zu lieblos und zu künstlich, da hat man es sich ein bisschen zu einfach gemacht und dann noch bei den Autoszenen gespart. Der Film greift sein Potential nicht ab. Schade eigentlich.

Das Bild der vorliegenden Blu-ray ist gut, sauber und klar, der Ton ist gut. Als Extras gibt es einen (kurzen) Einblick in die Dreharbeiten. Die physischen Varianten verfügen zudem über ein Wendecover ohne FSK-Logo.

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