Bram Stokers DRACULA (1897) wurde schon sehr oft verfilmt und mit DIE LETZTE FAHRT DER DEMETER (2023) steht bereits die nächste Interpretation des Vampirfürsten in den Startlöchern. Doch auch das Balxploitation-Genre hatte schon seine Berührungspunkte mit dem bekanntesten aller Blutsauger. Mit VAMPIRA (1974) aka OLD DRACULA kramte Wicked Vision einen der obskureren Vertreter der Stoker-Adaptionen hervor und veröffentlichte diesen kürzlich in der „Black Cinema Collection“ als deutsche HD-Premiere. Ob die eher komödiantische Variante des blutdürstigen Grafen überzeugen kann, erfahrt ihr in unserer Kritik.

Originaltitel: Vampira/Old Dracula

Drehbuch: Jeremy Lloyd

Regie: Clive Donner

Darsteller: David Niven, Teresa Graves, Peter Bayliss, Nicky Henson, Linda Hayden, Jennie Linden…

Artikel von Christopher Feldmann

Handlung:

Um seine große Liebe Vampira (Teresa Graves) wieder zum Leben zu erwecken, muss der alte Graf Dracula (David Niven) an frisches Blut kommen. Aus diesem Grund veranstaltet er Besichtigungstouren durch sein Schloss in Transsylvanien. Da er jedoch eine sehr seltene Blutgruppe für seine Liebste benötigt, kann er nicht jedes Opfer verwenden. Als ein Playboy-Fotoshooting im Schloss stattfindet, wird er endlich fündig. Eines der Models hat genau das, was er braucht. Allerdings ist sie schwarz, was sich auch auf das Aussehen der wiedererweckten Vampira auswirkt. Damit hat Dracula definitiv nicht gerechnet …

Wirft man als Genrefan ein Auge auf VAMPIRA, sollte man nicht unbedingt ein amtliches Crossover mit dem sich damals in der Blüte befindenden Blaxploitation-Genre erwarten. Ja, die Horrorkomödie versucht wie viele Werke seiner Zeit, den damaligen Zeitgeist aufzugreifen und eine Art Parodie auf die klassische DRACULA-Geschichte von Bram Stoker zu liefern. Es ist auch nicht das erste Mal, dass die Vampirgeschichte mit dem populären Black Cinema gekreuzt wurde, erschien doch bereits zwei Jahre zuvor mit BLACULA (1972) ein weitaus trashigerer Streifen, der auch schon von Oliver Kalkofe und Peter Rütten für SchleFaZ durch die Mangel genommen wurde. Allerdings sind die Bezüge zu jenem Genre im hier vorliegenden Film nur wage vorhanden. Zwar geht es vordergründig um die „verfälschte“ Hautfarbe der Vampirdame, dies wird aber lediglich für fade Witzeleien genutzt. VAMPIRA ist mitnichten ein Film, der sich in das Blaxploitation-Genre einordnen lässt, sondern eher den Versuch darstellt, Elemente aufzugreifen, ohne diese aber wirklich zu verstehen.

Tatsächlich könnte man solch einen Film heutzutage nicht mehr drehen, werden doch reihenweise Klischees, rassistische Zoten und dürftige Altherrenwitze abgefeuert, sodass jeder Filmemacher mit solch einem Werk anno 2023 wie die Sau durchs Dorf getrieben werden würde. 1974 war eben alles ein wenig anders, die Grenzen waren einfach fließender. Somit taugt VAMPIRA immerhin als interessante Zeitkapsel in ein Jahrzehnt, in dem Political Correctness nicht ganz so genau genommen wurde. Aus dieser Sichtweise macht das Ganze durchaus Spaß, geben sich hier doch die Playboy-Models die Klinke in die Hand, die Sets sind farbenfroh und der rhythmische Score sorgt für das richtige Feeling. Das lenkt aber nur schwer davon ab, dass die Story absoluter Schwachsinn ist, in der Blut für Hautverfärbungen sorgt, selbiges mit Scherzartikel-Fangzähnen abgesaugt und ins Vampir-Labor geschickt wird und der Grußelgraf persönlich wie ein alter Dandy durch das Nachtleben Londons flaniert und immer wieder sein Schloss in Transsylvanien als Touristenhotel mit Rummelplatz-Attitüde ahnungslosen Opfern zur Verfügung stellt.

Zudem läuft die Handlung irgendwann in das gefühlte Nichts, Spannung oder gar Gruselatmosphäre kommen zu keinem Zeitpunkt auf aber VAMPIRA will augenscheinlich kein Horrorfilm sein, sondern eine augenzwinkernde Komödie, doch auch das funktioniert leider kaum, sind die Gags doch flach und behäbig und in den meisten Fällen nicht mehr als ein muffiger Altherrenwitz, der auch 1974 schon irgendwie angestaubt gewirkt haben muss. Dazu kommt noch ein aus heutiger Sicht recht fragwürdiges Ende, das in dieser Form heute niemand mehr durchwinken würde. Es ist jeder Zeit spürbar, dass Regisseur Clive Donner, der bereits WAS GIBT’S NEUES; PUSSY (1965) inszenierte, der aber wesentlich mehr Schwung vorzuweisen hatte, als diese lahme Blutsaugerkomödie.

Der größte Schwachpunkt ist allerdings die (Fehl)Besetzung von David Niven in der Rolle des „Dracula“. Natürlich war der Brite ein gern gesehener Schauspieler, allerdings war er Zeit seines Lebens vor allem auf die Darstellung des britischen Gentleman mit dem Hang zur Ironie abonniert und vor allem durch Filme wie DER ROSAROTE PATHER (1963), die Bond-Parodie CASINO ROYALE (1967) oder die Krimikomödie EINE LEICHE ZUM DESSERT (1976) bekannt, in denen Niven stets diesen Typus bediente. Als nach Blut dürstender Vampirgraf ist er hingegen Fehl am Platz und gerade in den Szenen, die etwas mit dem damaligen Zeitgeist spielen wirkt Niven wie ein Fremdkörper, der gerne auch mal Fledermauspantoffeln und ein stellenweise eher lächerliches Make-Up trägt. Sein Spiel macht VAMPIRA irgendwie noch absurder als es der Film an sich schon ist, gleichzeitig ist es aber auch interessant, was für Konzepte damals aufgegriffen wurden.

Wicked Vision veröffentlichte den Film als Teil ihrer „Black Cinema Collection“. Die Qualität der Edition ist dabei wie gewohnt erstklassig. Wie alle vorhergegangenen Ausgaben kommt auch VAMPIRA als 2-Disc Collector’s Edition im Scanavo-Case daher und beinhaltet sowohl Blu-ray als auch DVD. Bild- und Tonqualität sind wieder einmal erste Sahne, besonders die kräftigen Farben sehen fantastisch aus. In den Extras finden sich u.a. ein Audiokommentar, ein Interview mit Kameramann Tony Richmond, die Dokumentation Old Dracula – Old Jokes mit Dr. Andreas Rauscher und Prof. Dr. Marcus Stiglegger, sowie Trailer und Bildergalerie und ein 36-seitiges Booklet mit einem Essay von Lio Schlösser.

Fazit:

So richtig in das Black Cinema will VAMPIRA (1974) nicht passen und auch als Horrorkomödie mit der ein oder anderen gesellschaftskritischen Spitze versagt der Streifen leider größtenteils. Die Gags sind lahm und David Niven in der Hauptrolle doch sehr gewöhnungsbedürftig. Allerdings lohnt sich der Streifen immerhin als interessantes Produkt seiner Zeit, das es in dieser Form nicht mehr geben wird.

Christophers Filmtagebuch bei Letterboxd – Your Life in Film

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