Er tut doch nichts. Er will doch nur spielen. – John Kramer aka Jigsaw aka Tobin Bell ist zurück von den Toten (immerhin starb er bereits vor fünf Filmen) um seine Folterlehrmethoden wieder in Schwung zu bringen. Diesmal sogar ungekürzt in der deutschen Kaufhausfassung. Das erste mal seit Teil 2. Warum dem so ist und ob der Neuaufguss lohnt, klären wir im Artikel.
Regie: Michael und Peter Spierig (The Spierig Brothers)
Darsteller: Matt Passmore, Callum Keith Rennie, Hannah Emily Anderson, Tobin Bell
Artikel von Christian Jürs
Im Jahre 2004 entwickelte sich der kleine Horrorthriller „Saw“ zum Sensationserfolg. Die relativ raffinierte Geschichte um Jigsaw, den moralischen Serienkiller legte die Schienen für eine härtere Gangart des Horrorgenres und ließ bis ins Jahr 2010 jährlich zu Halloween ein Sequel nach dem anderen folgen. Danach sollte die Geschichte um John Kramer eigentlich zu ende erzählt sein, zumal dieser bereits, wie oben erwähnt, in Teil 3 das Zeitliche segnete.
Beim „Saw“-Franchise scheiden sich die Geister. Für die Einen die Errettung des Horrorfilms und zugleich Mutprobe, wie viel derbe Szenen man aushalten kann ohne wegzuschauen, sehen es die Anderen als seelenlose Splatter-Folterfilmchen für Perverse. Ich selbst stehe irgendwo dazwischen, da ich mir alle Teile ansehen konnte, ohne mich zu langweilen, jedoch auch nie das Verlangen verspürte, einen dieser Filme je wieder zu schauen.
So waren die ersten beiden Filme ja noch recht originell mit ihren fiesen Folterfallen und den überraschenden Enden, doch auch dort klafften bereits riesige Logiklöcher. Klar, kann man drüber wegsehen, dass der Killer mehrere Stunden betäubt und regungslos wie ein Toter in der Mitte des Raumes zwischen den Hauptfiguren liegt, nur um exakt im entscheidenden Moment frisch und munter aufzustehen. Doch wenn man das Ende kennt ist die Luft raus. Dies liegt vor allem an den beinahe immer unsympathischen Charakteren, die in Kramers Fallen für ihre Sünden büßen müssen. Man hat einfach kein Mitleid und somit fällt das mitfiebern schwer. Da kann ein Film wie „Saw 3“ noch so pervers krank und ultrablutig daher kommen, Mitleid mit den Opfern stellt sich selten ein. Trotzdem war die Reihe, zumindest die ersten drei Teile, originell und wegweisend für die Folgejahre des Horrorkinos und die Entwicklung der Zensur.
Doch nach und nach war die Luft raus, was auch am quasi immer gleichen Unhappy Ending lag, welches uns Jahr für Jahr vorgesetzt wurde. Auch wirkten die Handlungen zunehmend konstruiert, vor allem, da man Tobin Bell weiterhin in die Geschichten einbauen musste. Was der Mann alles vor seinem Tod noch geplant hat und vor allem, wie genau er das Verhalten seiner Opfer einschätzen konnte, damit die Folgefallen überhaupt funktionieren, war schon erstaunlich.
Nun werden einige Fans schreien „Na und? Jason hat seine Opfer auch immer erwischt, obwohl er nur tumb durch die Gegend stapfte, während diese wild kreischend davonliefen. Ist auch immer das Gleiche!“ – Stimmt schon, ist aber, als würde man Äpfel mit Birnen vergleichen, denn „Saw“ bemühte sich um Realismus und die verschleierten Plot Twists, während Jason lediglich anspruchslose Unterhaltung sein wollte (und auch die funktionierte nicht immer!).
Nachdem man sich nach Teil sieben eine Zwangspause auferlegte und den Zuschauer mit dem Versprechen, man hätte das Finale präsentiert, foppte, folgt nun mit „Jigsaw“ die Nummer acht.
Diesmal nahm man sich das Normalo-Publikum zu Herzen und schraubte die Gewalt gehörig zurück, was auch die unzensierte FSK 18 Freigabe erklärt. Keine Angst, der Film ist immer noch brutal, nur halt mehr auf einem Niveau, knapp über Teil 2 und bedeutend unter dem der Nachfolger 3 bis 7. Auch die Optik wurde verändert. Während alle Bilder der Vorgänger mit diesem harten, körnigen Filter unterlegt waren, bekam „Jigsaw“ einen normalen Look verpasst, was ihn zusätzlich abmildert. Eine „Unrated“-Fassung ist nicht in Sicht.
Wozu auch? Die Fallen beschränken sich diesmal meist auf normalen Kreissägen, was zwar brutal, jedoch weit harmloser als die Knochenzermalmer und Schlüssel in Säurebehältern der Vorgängerfilme daher kommt. Auch die Handlung ist diesmal weit Krimiorientierter als sonst. Im Klartext, diesmal wird konsequent zwischen den (diesmal nur) fünf unfreiwilligen Spielteilnehmern und der ermittelnden Polizei und Forensik hin und her geschnitten.
Dabei versucht der Film ein Geheimnis aufzubauen, welches Kennern der Reihe jedoch nicht allzu schwer zu enträtseln fallen dürfte. Ja, John Kramer taucht auch hier auf. Das Mysterium um seinen Nachfolgekiller ist allerdings zu einfach zu lüften, trotz diverser falscher Fährten.
Doch das hilft alles nichts, denn jeder, wirklich JEDER Charakter in diesem Film ist unfassbar unsympathisch – mitfiebern schwer gemacht. Hinzu kommt das völlig unglaubwürdige Hintergrundwissen Jigsaws über die Sünden seiner Opfer (Stichwort: Autounfall). Alles wirkt erzwungen und man fragt sich, warum den Autoren in den Jahren nichts neues eingefallen ist.
Und was ist eigentlich aus Doktor Gordon nach Teil sieben geworden? Warum hat man hier nicht weiter erzählt? Man hätte sich auf seine Figur konzentrieren können und einen neuen Aspekt erzeugen können. Stattdessen nur Einheitsbrei.
Punkten kann Studiocanal hingegen mit der Veröffentlichung, die keine Wünsche offen lässt. Ein Audiokommentar mit den Produzenten, eine Trailershow und vor allem zwei Featurettes, von denen eine knapp 80 Minuten Laufzeit bietet. Die Collectors Edition punktet zusätzlich mit einem 36-seitigen Booklet. Gut gemacht.
JIGSAW wird die Geister scheiden, auch unter den Fans. Den Einen wird er zu harmlos daher kommen, die Anderen erfreuen sich an neuen, perversen Spielchen. Neue Fans wird dieser Film aber auch nicht erhalten, denn wer die Vorgänger nicht mochte wird auch dieser Nummernrevue nix abgewinnen können. Dafür bekommen Fans eine tolle Collectors Edition, die sich wunderbar im Regal neben den Vorgängern machen wird.
Trailer: