Ich liebe Horror-Anthologien seit meiner Kindheit. Was habe ich mich damals gegruselt, als ich die verbotenen Früchte aus dem Videoschrank meiner Eltern „entlieh“ (Video 2000!), um heimlich den für mich noch lange nicht freigegebenen Horrorkram zu sichten. Ob Opa seinen Kuchen wollte, ein Anhalter sich für´s Mitnehmen bedanken wollte oder Dan Aykroyd fragte, ob der Mann neben ihm mal etwas richtig gruselig sehen möchte – Albträume waren für mich in den Folgenächten garantiert. Apropos Alpträume: Jene vier Filme umfassende Anthologie gehörte ebenfalls zu den Filmen, die ich damals bereits sichtete. Wirklich erinnern konnte ich mich an den Film heute jedoch nicht mehr. Ob dies ein gutes oder gar schlechtes Zeichen ist, durfte ich dank der Veröffentlichung von WICKED VISION DISTRIBUTION GMBH nun testen.

Originaltitel: Nightmares

Regie: Joseph Sargent

Darsteller: Cristina Raines, Emilio Estevez, Lance Henriksen, Veronica Cartwright, Richard Masur

Artikel von Christian Jürs

Lange Zeit hatte der hierzulande von CIC Video veröffentlichte Horrorfilm Alpträume einen „VHS-only“ Status. Hin und wieder lief der Grusler zwar auch im TV, auf DVD und Blu-ray ließ er sich allerdings nicht blicken. Diesen Umstand änderte Wicked Vision Distribution GmbH im vergangenen Jahr. Ein schwieriges Unterfangen, wie uns eine einleitende Texttafel erklärt, bei dem es sowohl Bild- als auch Tonprobleme gab, die das Label aber in sorgsamer Fummelarbeit, so gut es ging, behob. Einem ungetrübten Filmspaß sollte also nichts mehr im Wege stehen.

Eigentlich fürs Fernsehen gedacht, entschied man im Laufe der Produktion, dass die Anthologie im Kino besser aufgehoben sei, wo man weniger mit der Zensur zu kämpfen hatte. Also verlängerte man den Film um eine weitere, noch düsterere Episode, um den Horrorfans Futter zu geben.

Die Regie bei allen vier Episoden, die Alpträume zu bieten hat, übernahm Joseph Sargent; ein Regisseur, dessen Bandbreite von Meisterwerk (Stoppt die Todesfahrt der U-Bahn 123) bis hin zum absoluten Stinker (Der weiße Hai IV – Die Abrechnung) reichte. Auch wenn die Anthologie kein echtes Meisterwerk im Petto hat, so entpuppt sich Alpträume bei heutiger Sichtung ebenfalls als qualitatives Wechselbad.

Den Anfang macht die schaurig-schöne Episode Terror in Topanga, in der eine junge Frau (Cristina Raines) eines Abends zu später Stunde nochmals mit dem Auto rausfährt, um im meilenweit entfernten Drugstore Zigaretten zu kaufen. Eine äußerst unvernünftige Entscheidung, hält sich doch irgendwo in der Gegend ein entlaufener Massenmörder (Lee Ving) auf. Doch die Warnungen ihres Ehemannes (Joe Lambie) schießt die junge Frau in den Wind. Die Sucht nach Nikotin siegt über die Vernunft. Zunächst verläuft die Fahrt auch reibungslos, doch auf der Rückfahrt geht dem Wagen das Benzin aus und nur noch eine besonders abgelegen liegende Tankstelle hat geöffnet…

Mag die Geschichte auch nicht sonderlich originell daherkommen, für Gänsehautstimmung ist gesorgt. Terror in Topanga ist mit Abstand die gruseligste Episode der Anthologie, die schnell auf den Punkt kommt und Gruselfreunde bestens unterhält. Wie die Zigarettenschachteln heute oftmals offenbaren: Rauchen kann tödlich sein.

Episode 2, Der Bischoff des Kampfes, war damals wie heute mein Favorit aus der Sammlung. Darin begleiten wir den noch sehr jungen Emilio Estevez in der Rolle des Videospiel-Cracks J.J. Cooney, den nichts und niemand schlagen kann. Einzig das Videospiel Bishop of Battle lässt ihn verzweifeln. Das Kampfspiel verfügt über 13 Level, die scheinbar nicht durchzuspielen sind. Auch J.J. verzweifelt regelmäßig an der 12. und vorletzten Ebene. Da seine schulischen Leistungen aufgrund seiner Arcade-Spielsucht zu wünschen übriglassen, bekommt er von seinem alten Herrn (Louis Giambalvo) Hausarrest verpasst. Doch davon lässt sich der junge Rebell nicht aufhalten und so schleicht er sich des nachts aus seinem Zimmer, um in die hiesige Spielhalle einzubrechen. Mit dem festen Willen im Gepäck, in dieser Nacht den Bischoff zu besiegen, schafft er es tatsächlich in die sagenumwobene, 13. Ebene. Doch die entpuppt sich als wahrer Albtraum.

Ein wenig zieht sich die zweite Geschichte und ganz realistisch sieht das Computerspiel nicht aus. Nein, eine so perfekte Sprachausgabe gab es damals nicht und auch die Steuerung mit der Pistole anstelle eines Joysticks (für die Jüngeren unter Euch, dabei handelt es sich nicht um den Hoseninhalt eines Videospielnerds, sondern um das Gamepad), ist mir ein Rätsel. Gar putzig ist auch der Moment, in dem J.J. aus seinem Zimmerfenster klettert und die Regenrinne herabsteigt. In dieser Szene wurde Emilio Estevez gedoubelt, was verständlich ist. Die Perücke, die der bemüht den Rücken zur Kamera haltende Stuntman dabei trägt, hätte billiger und unechter nicht ausfallen können. Trotzdem, die Geschichte ist originell und bereitet beim Zusehen eine Menge Spaß.

Kurzfilm Nummer drei, mit dem Titel Benediction, erinnert nicht von ungefähr an den frühen Thriller-Klassiker Duell von Steven Spielberg. Hier ist es kein aber Jedermann, sondern ein vom Glauben abgekommener Priester (Lance Henriksen), der seine Gemeinde verlässt. Doch nach kurzer Fahrt durch die staubige Wüstenlandschaft taucht plötzlich ein schwarzer Pick-Up auf, der die Jagd auf den gottlosen Priester eröffnet und scheinbar aus der Hölle zu stammen scheint. Egal was der Priester auch unternimmt, er wird das Teufelsgefährt nicht wieder los.

Selbstredend kann diese Episode nicht annähernd mit seinem Vorbild mithalten, auch wenn der Mix aus Duell und Christine durchaus unterhält. Dies ist neben der kurzen Laufzeit vor allem Lance Henriksen zu verdanken, der eigentlich immer eine Bank ist. Mit den beiden vorangegangenen Geschichten kann diese Episode aber nicht mehr mithalten, dafür ist sie zu vorhersehbar geraten.

Das Schlusslicht, auch auf qualitativer Ebene, bildet dann Die Nacht der Ratte. Hier ist es eine typische US-Familie, bestehend aus Mama Veronica Cartwright (Die Vögel / Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt), Papa Richard Masur (Das Ding aus einer anderen Welt) und dem niedlichen Töchterchen, gespielt von Bridgette Andersen, die tragischerweise im Alter von nur 21 Jahren an einer Überdosis Heroin verstarb, die dem Grauen ausgesetzt wird.

Mama ist der Typ biedere Hausfrau, die sich von ihrem hart arbeitenden, ziemlich unsympathischen Ehemann vernachlässigt fühlt. Als sich eines Tages eine Ratte bei ihnen einnistet und für allerlei Zerstörung sorgt (inkl. der Entsorgung der Hauskatze), lehnt Papa jegliche professionelle Hilfe ab – selbst ist der Mann. Doch, oh je, die Ratte ist ein Höllengeschöpf und macht so richtig auf Terror.

Eigentlich eine nette, kleine Story mit guten Darstellern und einem Monster, dass eine Familie ins Visier nimmt. Doch, oh je, wenn die Riesenratte schließlich auftaucht, ist wirklich Kopfschütteln angesagt. Klar, der Film hat vierzig Jahre auf dem Buckel und war eigentlich für´s TV gedacht, aber der ins Bild schlecht hineinkopierte Nager sieht so putzig aus, dass die Episode nicht mal im Altenheim für Herzinfarkte sorgen dürfte – höchstens für Erstickungsanfälle aufgrund von Lachflashs. Nee, das war leider nix.

Doch auch wenn Alpträume auf der Zielgeraden schwächelt, ziehen die ersten Episoden den Karren aus dem Dreck. Außerdem hat Wicked Vision Distribution GmbH einmal mehr viel Herzblut in die Veröffentlichung gesteckt, die Ton- und Bildfehler behoben und alles an Bonis rausgekramt, was irgendwie ging. So liegt der Film sowohl im Widescreen- (1,78:1), wie auch im Vollbildformat (1,33:1 – nur Blu-ray) vor. Dass der Film ungekürzt ist, versteht sich von selbst. Einen Audiokommentar gibt es obendrauf, eine Interview-Featurette, den Trailer, eine Bildergalerie und das obligatorische Booklet von Christoph N. Kellerbach.

Retro-Horrorfans können also bedenkenlos zugreifen bei diesem Anthologiefilm, der leider ohne Rahmenhandlung daherkommt.

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