Der Herbst kommt, es wird wieder früher dunkel und der warme Regen wird gegen das Fenster plattern. Da brauchen Sie doch sicher etwas Action in der Hinterhand, Ihr Herz ruft nach einer Serie, in der sich ein paar Gangster in London durch den Fleischwolf drehen und es hart auf die Fresse gibt. Wie in The Raid oder The Raid 2, beide Martial Arts Filme sind Ihre heimlichen Lieblinge. Niemand weiß etwas davon. Sie wahrscheinlich auch nicht. Dann können Sie sich jetzt freuen, dass Ihre Wünsche erhört worden sind und Gareth Evans, der Regisseur von The Raid 1 und 2, im Handwerk gereift ist. Er verfrachtete die kompromisslose Härte der Raid-Filme in ein cineastisches Serien-Gewandt, welches filmisch eher an die Arbeiten von David Fincher und Christopher Nolan erinnert als an salopp produzierte Genre-Kost. POLYBAND brachte die harte Actionserie nun auf Blu-ray und DVD heraus.   

Regie: Gareth Evans, Corin Hardy, Xavier Gens

Darsteller: Joe Cole, Sope Dirsu, Michelle Fairley, Lucian Msamati, Brian Vernel, Asif Raza Mir, Pippa Bennett-Warner, Orli Shuka, Colm Meaney

Artikel von Kai Kinnert

Nichts als Rache hat Sean Wallace im Sinn, als sein Vater ermordet wird, der als mächtigster Mann des organisierten Verbrechens in London galt. Keiner weiß, wer hinter dem Mord steckt, und überall lauern Rivalen des Wallace-Clans. So versammelt Sean eine Schar an Verbündeten, um die Macht der Familie zu sichern.

Gareth Evans ist ein Actionfilm-Regisseur, seine Spezialität sind die detaillierten und dynamischen Actionszenen, die alle ihren eigenen Charakter haben und nie unmotiviert sind. Die Action ist hier kein Selbstzweck, sie entlädt sich organisch und rabiat realistisch. Dazu gibt es eine fantastische Kameraführung, die lange Einstellungen mit Timing einfängt, und einen erstklassigen Schnitt. Kein Wunder, ist in der Action doch nichts dem Zufall überlassen worden. Gareth Evans probte die Actionszenen seiner Serie monatelang mit dem Stunt-Choreographen, den Schauspielern und dem Kameramann. Jeder Schlag, jeder Blick, jeder Schwenk und jeder Schnitt ist geprobt und im Storyboard detailliert vorgegeben worden. Im Bonusmaterial gibt es einen kurzen Einblick in die Proben, parallel dazu im Splitscreen die fertige Szene aus der Serie: alles ist synchron. Links die Schauspieler im Trainingsanzug, rechts die Schauspieler im Kostüm am Set. Jeder Handgriff, jeder Blick, alles synchron. Das ist enorm gekonnt und war die Arbeit wert. Die Action in Gangs of London ist brillant und in der cineastischen Reife eine Seltenheit in der Serien-Landschaft. Hier wurde nicht geknausert.

Die Actionserie lässt sich allerdings Zeit mit seiner ersten Actionszene. In der spielfilmlangen ersten Folge erhebt sich die Action erst nach rund 38 Minuten und kündigt eine saftige Kneipenschlägerei an, die dann auch kommt und dem Zuschauer einen Vorgeschmack auf die kommenden Events liefert. Da geht’s hart zur Sache, immerhin ist man ja auch in einem englischen Pub. Das Blut spritzt, die Kameraführung ist originell und es kracht detailliert. Der Undercover-Cop Elliot Finch, gespielt von Sope Dirsu, ist hart und man kratzt besser nicht an seinem Wut-Potential. Finch ist undercover im Wallace-Clan und muss für den auf den Chefsessel nachgerückten Sean einige Drecksarbeit erledigen. Doch welchen Plan verfolgt Finch wirklich? Denn die Wallace-Gang ist in weit mehr verstrickt als in schnöden Drogenhandel.

Evans überträgt den Action-Splatter seiner The Raid Filme unzensiert ins TV-Format und steigert die Deftigkeit der Action in den weiteren Folgen. Wenn das Camp einer, in Wohnwagen lebenden, Verbrechersippe zusammengeballert wird, kann sich John Rambo eine Scheibe abschneiden und der Überfall des dänischen Söldnerkommandos auf das Landhaus ist realistisch und militärisch einwandfrei, hier wurde auf alles geachtet und ein hammerharter Angriff durch Profis von IRA erprobten Kämpfern minutenlang erwidert. Das ist groß inszeniert worden. Ach ja, da war ja noch die afrikanische Gang, riesige Typen in Anzügen, die mit Macheten auf ihre Opfer losgehen und selbst zu Geschnetzeltem werden. Durch einen einzigen Kerl, ein Familienvater und Gangster, der sich einfach mal von der Bedrohung befreien musste. Die Serie ist hart; aber auch unterhaltsam. Da Evans keine platte Action abspult, sondern mit einer Idee an die Sache geht, einen Blick fürs Detail und schwarzen Humor hat, entstehen rasant originell-harte Actionszenen, die aufwändig in Szene gesetzt worden sind und vergessen lassen, worum es überhaupt geht.

Die Story ist kühl, es ist ein lang angelegter Rache-Epos und erreicht vielleicht nicht jeden. Das kann zu einem Problem werden, sollte man packende Charaktere und raffinierte Wendungen außerhalb der Action erwarten. Mag die Rachestory auch an Shakespeare erinnern, am Ende ist doch die X-te Variante eines Gangscharmützels, in dem sich wenig sympathische Figuren um die Ecke bringen. Wer steckt hinter dem Mord an Papa? Was will Sean Wallace, was Elliot Finch? Keine Ahnung – aber es sieht gut aus. Gareth Evans erzählt hier inhaltlich keinen großen Wurf und lässt sich dabei durchaus Zeit, wobei es jetzt auch nicht langweilig wird, wohl aber wenig berührend. Es ist die Action, an die man sich hinterher erinnern wird.

Technisch ist Gangs of London edel gefilmt worden, besitzt eine packende Filmmusik und spielt dabei in der A-Liga der Actionunterhaltung mit. Trotz allem ist die Story noch nicht zu Ende erzählt und erfuhr eine zweite Staffel. Die noch blutiger ist als alles zuvor. Wir sind gespannt.

Das Bild der vorliegenden Blu-ray ist sauber, satt und klar, die Farben sind gut und der Ton auch. Als Extras gibt es auf der dritten Scheibe diverse Featuretten zur Action, Produktion und Handlung.

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