In diesem fast vergessenen Film von John Frankenheimer gerät Michael Caine in eine Story um alte Nazis und eine Menge Geld, was ihm ständig Attentate auf sein Leben bescheren wird. Das klingt nach einem soliden Netzwerk-Thriller der Marke MARATHON MAN, nur eben nach einem Roman von Robert Ludlum, dem Erfinder von Jason Bourne. Das macht den Film nicht automatisch gut, doch die Voraussetzungen für einen kleinen Klassiker sind erstklassig.
Originaltitel: The Holcroft Convenant
Alternativtitel: Der 4 1/2 Billionen Dollar Vertrag
Regie: John Frankenheimer
Darsteller: Michael Caine, Anthony Andrews, Mario Adorf, Victoria Tennant
Artikel von Kai Kinnert
John Frankenheimer drehte eine ganze Menge in seiner Karriere. Die Qualität seiner Filme schwankte zwischen unterem Durchschnitt und Oberklasse. Ähnlich wie bei Don Siegel oder William Friedkin, später auch Michael Mann, hatte Frankenheimer einen gewissen, trockenen, authentischen Stil, der in Filmen wie FRENCH CONNECTION 2 oder RONIN seinen Höhepunkt finden sollte. Michael Caine dreht bis heute noch eine ganze Menge, hat aber stets die Klasse, auch schlechte Drehbücher gut zu spielen und sie nur durch seine Anwesenheit aufzuwerten. Die Thrillervorlage von Robert Ludlum ist per se schon mal nicht schlecht, denn Ludlum hatte Anfang bis Ende der 80er mit seinen stets komplex angelegten Romanen ansehnlichen Erfolg, die sich gerne mit Geheimdiensten und Netzwerken beschäftigten. So beruhen zum Beispiel auch die Jason-Bourne-Filme auf seinen Romanen. DER HOLCROFT VERTRAG ist 1985 entstanden, eine filmisch etwas kritische Phase für Filme solchen Themas. An der Kinokasse war anderes gefragt.
Michael Caine ist hier erfolgreicher Architekt aus New York und erhält in der Schweiz über den Bankier Ernst Manfredi (Michael Lonsdale) einen Brief seines wahren Vaters, dem Nazi General Heinrich Clausen, der von ihm möchte, das er als Stiftungsvorsitzender 4,5 Billionen Dollar aus dem Dritten Reich an Überlebende des Holocaust zur Wiedergutmachung verteilt. Clausen war mit für die Finanzen des Dritten Reichs verantwortlich und hatte mit zwei weiteren Kameraden den Pakt geschlossen, dass später mit dem Geld Wiedergutmachung geleistet werden sollte. Dafür wurde eine Stiftung gegründet und Noel Holcroft schon im Kindesalter als Vorsitzender eingetragen. Als Berater der Stiftung sollen die Kinder der beiden Kameraden fungieren. Das überrascht den sehr blond-britisch wirkenden Holcroft insgesamt wenig positiv, denn er hasst seinen Vater und er will eigentlich gar nicht so viel Verantwortung übernehmen. Kaum wird ihm der Brief von Manfredi überreicht, gesellen sich auch schon bewaffnete Fieslinge in die Szene, denn Anhänger der Nazis sind auch hinter dem Geld her und wollen damit ein Viertes Reich aufbauen.
Schon nach Sieben Minuten muss sich Holcroft seinem verhassten Vater stellen und steckt schon jetzt unwissend in Schwierigkeiten. In einer Menschenmenge wird es ein Attentat geben, die Story hält sich nicht lange auf und schickt einen Killer auf Holcroft los. Frankenheimer bleibt dabei seinem gradlinigen Inszenierungsstil treu, was hier etwas ungewöhnlich wirkt. Die 80er waren ein merkwürdig-spannendes Filmjahrzehnt und die optischen Stile gingen in eine ganz andere Richtung, als das, was Frankenheimer hier machte. Als wäre er noch in den 70ern, gibt es hier viel Handkamera mit Verfolgungen, Schrägen und starke Vordergründe in den Szenen. Genau das ist das Spannende an John Frankenheimer. Er nutzte die Bewegung und Überraschung im Bild, in dem er Statik mit Fließendem kombinierte und zur Untersicht neigte. Daraus ergab sich eine Dynamik, die mit den Verfolgungsjagden in RONIN ihren Höhepunkt und zugleich auch ihren kreativen Abschluss fand.
Und genau das tut dem Film in diesem Augenblick gut, denn während Holcroft nach Übergabe des Briefes in den Mercedes von Bankier Manfredi steigt, wird ein Mordanschlag auf Holcroft blutig verhindert. Die Kamera löst die szenisch angekündigte Action gekonnt und aus der Hand heraus auf. John Frankenheimer hält in diesem Film das Bild oft in Bewegung. Dabei kombiniert er gerne ein Weitwinkel-Objektiv in Räumen mit Vordergründen und kleinen Fahrten. Tatsächlich entpuppt sich der Film nun neben seiner Verschwörungsstory, die nun weiter an Fahrt aufnimmt und immer mehr Hintergründe beleuchtet, als ein Kleinod optischer Gestaltung.
Der Film bleibt schlicht, aber er nutzt das Schlichte für ein Spannungsfeld, das Michael Caine in der Story hält. Von der Schweiz geht es weiter nach London und Caine trifft dort auf den MI5 und andere Organisationen, was dazu führt, das man ihn mit der Pistole bedroht und seine genauen Pläne für das Geld wissen will. Noch vor drei Tagen Architekt in New York, jetzt etwas verwirrt und unter Lebensgefahr in London, soll Holcroft nun sagen, was er mit der Knete machen wird. Holcroft ist kein Agent oder Kämpfer und das macht den Film ab dieser Minute tatsächlich spannend, denn nun muss er improvisieren und der Kamerastil findet plötzlich mit der Handlung zusammen.
Was jetzt nicht heißt, das es viele Actionszenen in diesem Film gibt, eher Dialoge, die allerdings auf einen Spannungsmoment hinauslaufen. So landet nun Holcroft in West-Berlin und trifft dort auf den Dirigenten Jürgen Mass (Mario Adorf), eigentlich Erich Kessler, der an der Stiftung beteiligt ist und gutes Tun will – aber Böses im Schilde führt. Mario Adorf spielt hier wie in seinen gefühlt 100 Italowestern zuvor auch und bekommt sogar einen Reißzoom auf seine Augen. In Berlin entwickelt sich die Story weiter und damit wird das Netzwerk der Nazis tiefer, was Holcrofts Mutter (Lilly Palmer) zurück in den Film holt.
Insgesamt passiert alles in DER HOLCROFT VERTRAG etwas geschwätzig, ist aber reich an Wendungen und gut gefilmt. Nicht in jeder Szene gelingt es heute noch, auch ob der teils typischen Dialoge aus den 80ern, wirklich spannend zu bleiben, doch irgendwie schafft es Frankenheimer am Ende immer wieder, die Sache durch den Kamerastil konsequent auf Linie zu halten. Er drückt dem Film so seine Handschrift auf. Und genau das macht DER HOLCROFT VERTRAG zu einem handwerklich noch immer soliden Thriller, bei dem Michael Caine, trotz der Frisur, eine gute Figur abgibt. DER HOLCROFT VERTRAG ist nicht Oberklasse, aber überraschend spannend inszeniert und somit einen Blick wert.
Das Bild der Neuveröffentlichung ist ganz ordentlich und klar, manchmal körnig, und bietet in den Extras einen untertitelten Audiokommentar von John Frankenheimer, der ganz interessant ist.
Trailer: