Die Vietnamesen sind ein selbstbewusstes Völkchen, denn obwohl deren Filmindustrie in westlichen Gefilden im Vergleich zu China, Japan und Südkorea weit weniger Reputation genießt, ließ man es sich nicht nehmen, einen geradlinigen Rache-Actionfilm für die letztjährigen Oscars in der Kategorie „bester fremdsprachiger Film“ ins Rennen zu schicken. Das macht dem geneigten Fan schlagkräftiger Kost natürlich den Wund wässrig, weswegen wir 578 MAGNUM (2022) nur zu gerne auf Herz und Nieren geprüft haben. Der Film erscheint demnächst von Dolphin Medien im Vertrieb von Plaion Pictures im Heimkino und ob es sich hier um ein neues Actionbrett handelt, erfahrt Ihr in unserer Kritik.

Originaltitel: 578: Phat dan cua ke dien

Drehbuch & Regie: Dung Luong Dinh

Darsteller: Alexandre Nguyen, Jessica Minh Anh, Hoang Phuc Nguyen, H’Hen Niê…

Artikel von Christopher Feldmann

Handlung:

Der alleinerziehende Truckfahrer Hùng (Alexander Nguyen) nimmt seine kleine Tochter stets mit auf seine Reisen, die beiden sind ein unschlagbares Duo. Als sie schließlich eingeschult wird, sehen sie sich jedoch nicht mehr so oft. Als Hùng erfährt, dass seine kleine Tochter entführt wurde, wird aus dem ruhigen Mann eine Kampfmaschine, die sich den massiven Kräften im Untergrund entgegenstellen muss, um den Psychopathen zur Strecke zu bringen…

Rachefilme benötigen keine tiefgründige oder gar originelle Geschichte, die Parameter sind in der Regel relativ klar gesetzt und der Handlungsverlauf meist sehr schlicht. Die wirklich guten Genrebeiträge zeichnen sich durch gut gezeichnete, vielschichtige Figuren aus, mit denen sich der Zuschauer identifizieren kann. Charles Bronson trat damals in DEATH WISH (1974) als einfacher Bürger gegen das Verbrechen an, der fortlaufend mit sich selbst zu kämpfen hat und am Töten nicht unbedingt gefallen findet. Zwar verkamen die Sequels zunehmend zu überdrehten Exploitation-Reißern, das Original atmete jedoch den Geist des „New Hollywood“. Ähnlich, wenn auch etwas mehr für den Mainstream gestrickt, verhielt es sich mit dem Liam-Neeson-Reißer TAKEN (2008), der zwar schon mehr Fokus auf Tempo und Action legte, mit seinem Hauptdarsteller aber den perfekten Leading-Man anbot, der der Figur mehr Dimensionen gab. Beiden Filmen wie auch sämtlichen Trittbrettfahrern waren große Branchenpreise vergönnt, weshalb ein auf den ersten Blick simpler Rachestreifen wie 578 MAGNUM (2022) durchaus Aufmerksamkeit erregt, wenn man zur Kenntnis nimmt, dass er für Vietnam ins Oscar-Rennen um den besten fremdsprachigen Film geschickt wurde. Gewonnen hat er nicht, auch eine Nominierung war nicht drin, was auch sehr überraschend gewesen wäre. Wenn man sich das Ding zu Gemüte führt, fragt man sich doch ernsthaft, wie jemand glauben konnte, dass der Actionfilm irgendeine reelle Chance hätte.

Das Alles soll aber nicht in meine Kritik einfließen, denn wenn ich mir einen Rachefilm ansehe, spielen die Geschichte und auch die Charaktere für mich eine untergeordnete Rolle. Wenn es sich dabei zudem um eine Produktion aus Fernost handelt, dann erwartet meine Wenigkeit im besten Fall amtliche Kampfchoreographien und eine entsprechend förderliche Inszenierung. MAGNUM 578 hat ein paar dieser Momente, etwa wenn es unser von Alexander Nguyen verkörperte Protagonist mit Häschern auf Motorrädern aufnehmen muss oder im plätschernden Regen gegen eine ganze Wagenladung an Gangstern antritt. Das sind die Szenen, in denen sowohl Choreographie, als auch Kamera und Schnitt eine gute Symbiose eingehen und den Actionfan durchaus zu unterhalten wissen, wenn da nicht die Sache mit der milden Gewaltdarstellung wäre. Die Kämpfe sind natürlich entsprechend stilisiert und es ist schon stellenweise schwer zu glauben, dass ein einzelner Mann es in regelmäßiger Abfolge scharenweise Gegner aufmischt, ohne auch nur ein einziges Mal eine Waffe zu benutzen, jedoch fehlt es den Szenen an einer gewissen Rohheit, an Wucht, die Genrekollegen wie THE RAID (2014) oder THE NIGHT COMES FOR US (2018) auszeichnen.

Wenn in diesen genannten Werken zugelangt wird, dann tut das richtig weh, die Actionszenen in 578 MAGNUM verpuffen recht schnell, weil sie eben nicht über die entsprechende Härte verfügen. Und auch wenn es schönes Material gibt, ein wirkliches Highlight sucht man vergebens, eine Szene, die nachhaltig haften bleibt, ist nicht vorhanden.

Das ist aber bei aller Lieben nicht das Kernproblem des Films, der Hund liegt tatsächlich im Drehbuch und in der Erzählweise begraben, wobei man ernsthaft die Frage stellen muss, ob es überhaupt ein Skript gab. Falls doch, scheint der Großteil davon nicht verfilmt worden zu sein, hinterlassen sowohl Handlung als auch Szenenabfolgen gewisse Fragezeichen. Das beginnt schon damit, dass keine Figur, inklusive des Protagonisten irgendeine nennenswerte Einführung bekommt. Über Trucker „Húng“ erfahren wir als Zuschauer nichts, außer eben dass er Trucker ist, eine Tochter hat und irgendwann mal Mitglied einer Spezialeinheit war. Der Film hat kaum die fünf-Minuten-Marke erreicht, da ist „Húng“ schon im Rachemodus. Was genau seiner Tochter passiert ist, bleibt für den Zuschauer ebenso verborgen wie Tatsache, dass er stets genau weiß, wo er hingehen muss. Teilweise werden zu Beginn schon Szenen gezeigt, in denen er sich gemeinsam mit einer Frau, die erst viel später eingeführt wird, um seine malträtierte Tochter kümmert. Das ist gerade zu Beginn extrem verwirrend, weil man nicht weiß, was jetzt genau eigentlich passiert ist und ob „Húng“ seine Tochter retten konnte oder ob das noch bevorsteht. Ich musste mehrmals die Rückspultaste drücken, um sicherzugehen, dass ich nichts verpasst habe. Auch im weiteren Verlauf des Films hangelt man sich nur von Set-Piece zu Set-Piece, als wäre 578 MAGNUM irgendwann mal zweieinhalb Stunden lang gewesen, bevor man ihn auf 90 Minuten heruntergeschnitten und somit jeglicher Exposition beraubt hat.

Somit ist das Ganze ein sehr anstrengendes und auch frustrierendes Seherlebnis, das sofort die Hirnwindungen verlässt sobald der Abspann einsetzt aber vermutlich ist es dort auch nie angekommen. Die Bösewichte wirken quatschig, der Hauptdarsteller blass und bis auf ein paar nette Shots und die ein oder andere Choreographie ist der Film leider Zeitverschwendung.

Zur Sichtung lag uns ein Screener in der Originalversion mit deutschen Untertiteln vor. Die Heimkino-Auswertung beinhaltet selbstverständlich eine synchronisierte Fassung, als Extra wird lediglich der Trailer vorhanden sein.

Fazit:

578 MAGNUM (2022) verspricht hochkarätiges Actionkino aus Vietnam zu sein, entpuppt sich aber als echte Enttäuschung. Der Action fehlt es an Wucht, den Figuren an Dimension und dem Film im Allgemeinen an einer nachvollziehbaren Handlung. Kein Wunder, dass man von diesem Werk trotz Einreichung bei den Oscars noch nie etwas gehört hat.

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