Dieser Film ist ein echter Filmklassiker, zu dem auch noch einer der letzten großen Filme aus der Endphase der New-Hollywood-Ära. Diese 10 Jahre währende Phase brachte Filme wie EASY RIDER, DER PATE oder APOCALYPSE NOW hervor und endete mit den Erfolgen von Spielberg und Lucas. Michael Cimino liefert mit HEAVENS GATE den Schlussstein der Ära ab, einen breit detaillierten Autorenfilm, der ein desaströser Flop wurde und trotzdem Filmgeschichte schrieb.

Regie: Michael Cimino

Mit: Kris Kristofferson, Christopher Walken, Isabelle Huppert, Jeff Bridges, John Hurt

Artikel von Kai Kinnert

1890 kehrt Federal Marshal James Averill (Kris Kristofferson) zurück nach Johnson County, das zum Anziehungspunkt für arme, osteuropäische Einwanderer geworden ist. Sie treibt die Hoffnung nach einem Stückchen Land, das sie bestellen können, um so eine neue Existenz aufzubauen. Das ist ein Dorn im Auge der reichen Rinderbarone und Großgrundbesitzer, denn die Einwanderer beginnen auf ihrem Land zu siedeln und auch mal das eine oder andere Rind zu erlegen. Um die Leute zu vertreiben, stellt die Viehzuchtvereinigung eine Todesliste mit 125 Einwanderern auf und vergibt 50 Dollar für jeden Erschossenen . Für diese Liste gibt es zwar keinen rechtmäßigen Vollstreckungsbefehl, wohl aber die Zustimmung des US Präsidenten und des Gouverneurs von Wyoming. Averill stellt nun die Rechtmäßigkeit dieser Liste infrage und beschwört damit unausweichlich einen blutigen Kampf herauf.

In 210 Minuten entblättert Michael Cimino in detaillierter Langsamkeit das Leben der Menschen und kreist sich dabei immer näher auf die Hauptdarsteller ein. Dabei tropft nur langsam der anschwellende Konflikt aus den Poren des Films. Ähnlich wie bei DIE DURCH DIE HÖLLE GEHEN (1978) verbringt Cimino viel Zeit damit, den durch die Kultur geprägten Alltag in einer prägnant detaillierten Umgebung zu inszenieren. Die angekündigte Gewalt verbirgt sich dabei in den Tiefen der Rituale und Handlungen der Protagonisten und wird später die Figuren menschlich entstellen.

So auch in HEAVENS GATE. In diesem Spätwestern des New Hollywoods sehen wir Abschnitte und Verläufe in besessener Genauigkeit, das man schon fast vergisst, worum es eigentlich geht und man könnte sich fragen, ob irgendwann auch mal etwas anderes passiert, außer Landschaft, Städte und Tänze. Ja, wird es. Nur wenige Momente an Gewalt geben einen Hinweis auf die halbe Stunde im letzten Abschnitt des Films, die voll von ihr ist. Dabei ist eben gerade diese Langsamkeit in der Erzählung das Wesentliche am Film. Nur so hat man Zeit, die Umgebung aufzunehmen, die so wichtig für den Film ist und auch die Figuren prägt.

Allein der Aufwand, der betrieben wurde, um die Stadt Johnson zu bebildern ist imposant. Massen an Komparsen, eine irre genaue Ausstattung und massive, riesige Kulissen bilden die Stadt nach. Averill steht auf der Hauptstraße Johnsons und man meint tatsächlich, ihn in einer Großstadt voller Verkehr zu sehen. Pures Leben und Bewegung um ihn herum. Ob es nun Straßen, Säle oder Tanzveranstaltungen sind, immer sind es wahnsinnig vollgestopfte Szenen an Menschen und Bewegung. Die Kamera ist stets agil, sie fährt, tanzt, rollt und läuft in die Szenen hinein, um dann wieder stehend und weit die traumhaft schöne Wildnis Wyomings ins Geschehen mit einzubinden. Der Kameramann Vilmos Zsigmond (u.a. UNHEIMLICHE BEGEGNUNG DER DRITTEN ART) malt im wahrsten Sinne des Wortes HEAVENS GATE auf 70mm Film und liefert eine der besten Kameraarbeiten seiner Karriere ab. Dazu sind die Tanzszenen, der Walzer am Anfang und der Rollschuhtanz in der Mitte des Films, noch immer ein Highlight und noch immer schwindelerregend und toll choreografiert anzusehen. In dem Film gibt es nicht einen Computertrick. Alles ist echt, jeder Komparse, die ganze Ausstattung, das Licht und die Landschaft wurden so gedreht. Das hat damals Zeit und Geld gekostet, zumal Cimino als Autorenfilmer solange drehte, bis selbst die Wolken am Himmel seiner Vorstellungen entsprachen. Und in dieser Umgebung läßt Cimino nun langsam Kris Kristofferson auf Christopher Walken und Isabelle Huppert treffen, eine klassische Westernkonstellation also. Denn Walken ist ein Böser, Kristofferson rechtschaffend und Huppert eine Hure, in die beide verliebt sind. Nur ist Huppert auch eine Einwanderin und steht auf der Todesliste. Vom Großen überträgt Cimino das Geschehen ins Kleine, um es dann wieder zu vergrößern. Langsam formiert sich die Horde Killer in Johnson County und wird über die Siedler im schönen Wyoming herfallen.

Leider hat der Film auch ein paar Schwächen. Man hat das Gefühl, dass er in der Mitte etwas zu sehr hängt, das man etwas kürzen könnte. Aber tatsächlich ist der Film nur schwer zu kürzen. Zu sehr ist alles aufeinander abgestimmt, meist auch erst auf den zweiten Blick. Die Kamera ist aber so gut, dass man dann doch einfach zusehen möchte. Zumal es eine großartige Besetzung zu entdecken gibt, denn plötzlich tritt mal ein junger Mickey Rourke auf oder ein Geoffrey Lewis. Das Licht in HEAVENS GATE ist toll und die Farben Wyomings schön. Man atmet richtig die Luft ein. Der Film ist auch heute noch ein eleganter Klassiker mit hintersinniger Tiefe. Dazu sollte man schon Zeit und Aufmerksamkeit mitbringen, denn sonst könnte es langweilig werden. Wer sich aber auf die Inszenierung Ciminos einläßt, bekommt einen der letzten, lohnenswerten Autorenfilme Hollywoods zu sehen. HEAVENS GATE ist eine Art BARRY LYNDON des Westerns, nur mit einigem Blut am Ende und bunter.

Dank CAPELIGHT erscheint der Film nun erstklassig remasterd in einem schönem Mediabook mit 24seitigem Booklet. Auf der 3-Disc Limited Collectors Edition gibt es den Film in zwei Schnittfassungen und über 90 Minuten Bonusmaterial, das ganz interessant ist. Wer Klassiker sammelt, ein Freund des New Hollywood ist oder einfach nur Fotograf, der sollte sich den Film ins Regal stellen. So einfach ist das.

ACHTUNG:

Der auf dem Cover angegebene Audiokommentar existiert nicht. Dieser wurde für DIE LETZTEN BEISSEN DIE HUNDE eingesprochen.

Trailer:

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