Wenn sich der irische Regisseur Neil Jordan einem Horrorthema annimmt, kommt keinesfalls ein Standardwerk dabei heraus. So war Interview mit einem Vampir ein Film über die Sinnlosigkeit der Unsterblichkeit, High Spirits – Die Geister sind willig! eine frivole Komödie und der hier besprochene Die Zeit der Wölfe ein Fantasy-Märchen kein schlichter Werwolf-Streifen, sondern eine Parabel über das Erwachsenwerden. PANDASTORM PICTURES spendierten dem außergewöhnlichen Film jetzt eine Neuveröffentlichung in 4K. Grund genug, sich den Film, der mir anno 1988 bei der TV-Erstausstrahlung eine schlaflose Nacht bescherte, nochmal zu sichten.
Originaltitel: The Company of Wolves
Regie: Neil Jordan
Darsteller: Sarah Patterson, Angela Lansbury, David Warner, Graham Crowden, Stephen Rae, Brian Glover
Artikel von Christian Jürs
Die Brüder Grimm standen zwar Pate bei Neil Jordans Die Zeit der Wölfe, doch um genau zu sein, basiert der Film auf der Märchensammlung Blaubarts Zimmer von Angela Carter, die den klassischen Fabeln sexuelle Untertöne verpasste. Fokus liegt dabei auf den Rotkäppchen Interpretationen, hier als Coming-of-Age-Geschichte präsentiert.
Die dreizehnjährige Rosaleen (Sarah Patterson) träumt sich eines Abends in eine eigenartige Märchenwelt, in der ihre ältere Schwester Alice (Georgia Slowe) zu Grabe getragen wird. Damit ihre Mutter (Tusse Silberg) die Trauer bewältigen kann, schickt ihr Vater (David Warner) Roseleen für eine Nacht zu ihrer schrulligen Großmutter (Angela Lansbury). Die ist überzeugt, dass Alice noch hätte Leben können, wenn sie nicht auf den Wolf im Manne hereingefallen wäre. Und so warnt sie Rosaleen, nie vom rechten Weg abzukommen und sich vor dem männlichen Geschlecht in Acht zu nehmen, insbesondere, wenn diese zusammengewachsene Augenbrauen haben. Diese entpuppen sich nämlich als verführerische, blutgierige Werwölfe, die sich über unschuldige, junge Mädchen hermachen. Es dauert nicht lange, und Rosaleen lernt einen verführerischen Jäger (Micha Bergese) kennen, zu dem sie sich hingezogen fühlt, der jedoch über die besagten, haarigen Augenbrauen verfügt…
Die Zeit der Wölfe ist ein eigenartiger, aber auch außergewöhnlicher Film. Die beeindruckenden Kulissen ähneln denen des beinahe zeitgleich entstandenen Die unendliche Geschichte, aber auch Jim Hensons Die Reise ins Labyrinth. Doch während sich Kinder an jenen Filmen erfreuen können, so sollten sie Neil Jordans Fiebertraum besser weiträumig umfahren. Bereits im ersten Drittel gibt es eine äußerst blutige Werwolf-Transformation, in der sich ein gehörnter Ehemann (Stephen Rea), in eine reißende Bestie verwandelt, als er erfährt, dass seine junge Frau (Kathryn Pogson), nachdem er jahrelang verschwunden war, Kinder mit einem anderen Mann zeugte.
Nein, nicht alles ist stimmig in Die Zeit der Wölfe. So irritiert es schon, dass Rosaleen die ganze Geschichte träumen soll, dann aber dieser Traum von anderen Geschichten, wie der soeben erwähnten, scheinbar unterbrochen wird. Generell ist es fraglich, warum dieser Bogen in der realen Welt überhaupt gespannt werden musste, hätte der Film ohne die Traum-Rahmenhandlung doch ebenfalls funktioniert (eventuell sogar besser). Auch gibt es einen stätigen Wechsel bei den Spezialeffekten. Manchmal brutal eklig (Transformation), gibt es aber auch Momente, die zum Kopfschütteln einladen. So zerschellt ein abgetrennter Kopf wie eine Porzellanschüssel an der Wand, ohne einen Tropfen Blut, aber mit Splittern.
Perfekt ist die Besetzung von Die Zeit der Wölfe. David Warner, Stephen Rae und vor allem Angela Lansbury als schrullige Omi sind einfach toll, werden aber von Hauptdarstellerin Sarah Patterson an die Wand gespielt. Ursprünglich wollte Neil Jordan eine Darstellerin im Alter 16+, als er Sarah Patterson erblickte, wusste er, dass er seine Rosaleen gefunden hatte. Das Problem an der Sache: sie war damals erst zwölf (!) Jahre alt. Zwar änderte Jordan daraufhin das Drehbuch und entfernte u.a. eine Kussszene, ein merkwürdiger Beigeschmack bleibt aber schon, immerhin geht es im Film um das sexuelle Erwachen einer jungen Frau und ihre ersten Begegnungen mit den triebgesteuerten Männern. Heute hätte man mit Sicherheit eine ältere Schauspielerin verpflichtet.
Die Zeit der Wölfe ist kein Film für jedermann. Ich muss gestehen, auch ich empfand hier und da ein paar Längen im lediglich 95 Minuten kurzen Film. Unbestritten schön sind aber die Atmosphäre und Kulissen geraten. Allein deshalb ist der Fantasy-Coming of Age-Horror-Märchen-Film schon einen Blick wert.
Schön ist auch das Mediabook aus dem Hause Pandastorm Pictures geraten, ebenso wie die Bild- und Tonqualität, sowohl der Blu-ray als auch bei der 4K UHD-Variante. Die Extras sind auf beiden Scheiben identisch und erhalten folgendes: ein Interview mit Schauspielerin Georgia Slowe, eine Featurette zur Filmmusik von George Fenton (Und täglich grüßt das Murmeltier), Trailer, TV-Spots und eine Bildergalerie. Ein Booklet von Filmexperte Dr. Marcus Stiglegger rundet das Paket ab.
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