Was gibt es zu diesem Film eigentlich noch zu schreiben? Dem Fan muss man Hard Boiled nicht vorstellen, der Fan braucht keine Kritik – eher einer Bestätigung darüber, dass die eigene Begeisterung für John Woos Meisterwerk gerechtfertigt ist. Jeder Actionfreund kennt diesen Streifen und hat seine eigene Meinung dazu schon vor knapp 30 Jahren gebildet, da braucht man meine Zugabe von Senf eigentlich nicht mehr. Und so stelle ich mir einen einsamen Leser vor, der sich jetzt am Kopf kratzt und laut fragt: „Äh und was ist mit mir? Ich kenne den Streifen nicht, interessiere mich aber sehr für gute Actionfilme!“ Diesen einsamen Menschen möchte ich nun an die Hand nehmen und ihm diese filmische Studie über Splitter, Rauch und Einschusslöcher näher vorstellen. Immerhin ist Hard Boiled mit einer der besten Actionfilme der 1990er, weltweit und fürs Hongkong-Kino sowieso. CARGO RECORDS brachte den Actionklassiker schon vor einigen Monden mit gutem Bild und den zwei deutschen Synchronisationen auf Blu-ray heraus. Zeit also, sich noch einmal mit kugelsicherer Weste vor die Glotze zu setzen!
Regie: John Woo
Darsteller: Chow Yun-Fat, Tony Leung Chiu-wai, Teresa Mo, Philip Chan, Philip Kwok, Anthony Wong, Bowie Lam
Artikel von Kai Kinnert
Inspektor Yuen vom Hongkong Police Department setzt alles daran, die brutalen Waffenschieber-Syndikate Hongkongs für immer zu zerschlagen. Seit Monaten werden Undercover-Agenten eingeschleust und Vorbereitungen für den vernichtenden Schlag getroffen, um hinter die Identität eines Vermittlers zu kommen, der seine schmutzigen Geschäfte in einem chinesischen Teehaus abwickelt. Als Yuen dort auftaucht, um einen weiteren Waffendeal zu vereiteln, eskaliert die Situation. Es kommt zu einer wilden Schießerei, bei der die Hauptverdächtigen, aber auch viele Unschuldige den Tod finden. Inspektor Yuen steht wieder ganz am Anfang. Doch in seiner sturen Entschlossenheit, Gerechtigkeit auszuüben, bleibt er den Waffenschiebern auf der Spur – und bricht dabei alle Regeln des Gesetzes.
Es ist mindestens 20 Jahre her, dass ich diesen Film zuletzt sah und bin erstaunt darüber, dass mir heute noch immer die gleichen „Merkmale“ gefallen wie damals. Ich mag noch immer, dass Hard Boiled nicht nur ein gradliniger Film ist, bei dem John Woo endlich die volle Kontrolle hatte, sondern auch, dass es ein heller Film ist. Licht spielt in diesem Film eine wichtige Rolle, der Farbton des Films ist heller und sonniger als bei den vorigen Filmen Woos, hier bekommt das moderne Hongkong sein Actiondenkmal auf großstädtische Art und Weise verpasst. John Woo lässt die Metropole in hellen und kontrastreichen Bildern aufleben, gießt seine Protagonisten hervorragend gefilmt ins pure Gunfight-Genre im Gewand einer minimalistischen, aber emotionalen Cop-Story, die sich durch einige lange und fulminante Actionszenen erzählt.
Hard Boiled ist Handarbeit. An CGI war damals noch nicht zu denken, und so pflastere man Stuntmen und Kulisse noch reichlich voll mit echten Sprengladungen, Blutbeuteln, Explosionen und Splitterflug, hier kracht es ordentlich. Sei es in einem Teehaus, am Yachthafen, in einem Lagerhaus oder gar in einem Krankenhaus, was die ganz große Nummer ist und mit einer Plansequenz gekrönt wird. Chow Yun-Fat mit Schrotgewehr im Krankenhausflur, das setzte Maßstäbe im modernen Actionkino. John Woo gibt Chow Yun-Fat den ultimativen Rahmen, das „alte“ Actionkino Hongkongs war hier zu seinem Höhepunkt gekommen, opulenter ging es nicht. Man merkt dem Film an, dass John Woo hier endlich einmal die volle Kontrolle über seine Produktion hatte und keinen Einfluss von Außerhalb bekam. Das tut der Geschlossenheit des Filmes gut und macht ihn so zu einem runden Actionfeuerwerk, welches man getrost als Vorreiter sämtlicher John Wick & Co Spektakel bezeichnen kann. Der Film geht etwas länger als 120 Minuten und gefühlte 100 davon verbringt Chow Yun-Fat im Hagelregen der Action. Sollten Sie, lieber einsamer Actionfreund, genau dies als unterhaltsam betrachten, dann ist Hard Boiled genau der Film, der Ihnen den Abend versüßen kann.
Hard Boiled ist übertrieben, endlos und sentimental zugespitzt – und wird dabei konterkariert durch die ausufernde und harte Action, die den Film zum Presslufthammer im Genre machte. John Woos filmische Abrissbirne zeigte Hollywood, wie man enthemmt und heroisch Action inszeniert, zeigte mit Chow Yun Fat einen Helden, der Empfindsamkeit, Coolness und Gnadenlosigkeit in einem einzigen Gesicht vereinen konnte. Alles das macht Hard Boiled zu einem zeitlos guten Actionfilm, der sich locker mit sämtlichen internationalen Großproduktionen der 1990er messen kann. Was handgemachte Action mit Knarren angeht, klatscht Hard Boiled bis heute alles an die Wand, was die Leinwand erblickte. Zwar wird auch heute viel mit Knarren hantiert, aber heute benutzt man CGI, schon alleine deshalb, damit Crew und Schauspieler ob des schlampigen Umgangs mit Filmmunition die Dreharbeiten überleben können. In Hongkong verballerte man 25.000 Schuss und am Ende überlebte jeder, in den USA wäre das wohl anders ausgegangen.
Hard Boiled ist eine sichere Bank. Sollte der letzte Actionfilm-Fan auf diesem Planeten, der diesen Film noch nicht kennt, hier zögern – dann ist er kein Fan von Actionfilmen. John Woo – übernehmen Sie!
Das Bild der gesichteten Blu-ray ist sauber, satt und klar, der Ton ebenso. Hier liegen beide Synchronfassungen vor, dazu gibt es in den Extras Interviews, Trailer und den Hauptfilm in der längeren Taiwan-Fassung, dazu ein informatives Booklet von Bruce Whitty.
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