Prequels haben seit jeher einen schweren Stand bei Kritik und Publikum, vor allem wenn es sich dabei um Vorgeschichten etablierter Klassiker und Kultfilme handelt. So sind Prequels im Storytelling meist sehr eingeschränkt, muss doch Alles am Ende irgendwie zum Status Quo des Originalfilms führen. Auch die Ankündigung zu DAS ERSTE OMEN (2024) rief eher verhaltene Reaktionen hervor und die Frage, ob man nun unbedingt wissen muss, was sich vor den Ereignissen aus Richard Donners Horrorklassiker DAS OMEN (1976) abgespielt hat, war sicher nicht ganz unberechtigt. An den Kinokassen war dem Horrorfilm schlussendlich kein großer Erfolg vergönnt, was insofern schade ist, da das böse Treiben hinter Klostermauern trotz erwartbarer inhaltlicher Schwächen erstaunlich gut funktioniert. Nachdem der Streifen schon einige Wochen beim Streamingdienst Disney+ verfügbar ist, veröffentlicht Leonine Studios ihn nun auch physisch im Heimkino. Warum Genrefans hier durchaus einen Blick wagen sollten, erfahrt ihr in unserer Kritik.
Originaltitel: The First Omen
Drehbuch: Tim Smith, Arkasha Stevenson, Keith Thomas
Regie: Arkasha Stevenson
Darsteller: Nell Tiger Free, Sônia Braga, Ralph Ineson, Bill Nighy, María Caballero, Nicole Sorace…
Artikel von Christopher Feldmann
Bei der Diversität an Genres, die der 2021 verstorbene Regisseur Richard Donner in seiner langen Karriere bedient hat, vergisst man schnell, dass der Mann hinter SUPERMAN (1978), DIE GOONIES (1985) und der LETHAL-WEAPON-Reihe (1987-1998) auch für den Horrorfilm DAS OMEN (1976) verantwortlich ist. Dabei stand die Geschichte um den (im wahrsten Sinne des Wortes) Satansbraten „Damien“ immer ein wenig im Schatten von William Friedkins gerade einmal drei Jahre zuvor erschienen DER EXORZIST (1973). Dennoch hat es der Schocker geschafft ein ganzes Franchise hervorzubringen, nach den Sequels DAMIEN – OMEN II (1978), OMEN III: THE FINAL CONFLICT (1981) (mit einem jungen Sam Neill in der Titelrolle), dem TV-Ableger OMEN IV: THE AWAKENING (1991), dem 2006er Remake und der nach zehn Episoden eingestampften Serie DAMIEN (2016) kräht heute allerdings kein Hahn mehr. Da ist es umso überraschender, dass man sich bei 20th Century Studios (ehemals Fox) dachte, dass es nun Zeit für einen weiteren Ableger ist und zwar ein Prequel, welches dem Zuschauer erzählt, wie es denn zu den Ereignissen des Originals gekommen ist. Dass es in dieser Hinsicht keine Überraschungen zu erwarten gab, war so ziemlich jedem bewusst, bevor überhaupt der erste Trailer veröffentlicht wurde und wahrscheinlich auch der Regisseurin selbst. Tatsächlich scheint die vorhersehbare Geschichte aber gar nicht so wichtig für den künstlerischen Prozess gewesen zu sein, denn Stevenson zimmert hier ein audiovisuelles Brett auf den Kirchenboden, welches nicht selten schaurigen Okkultgrusel und derben Bodyhorror vermischt.
Handlung:
Als eine junge Amerikanerin (Nell Tiger Free) nach Rom geschickt wird, um ein Leben im Dienst der Kirche zu beginnen, stößt sie auf eine Dunkelheit, die sie dazu bringt, ihren eigenen Glauben in Frage zu stellen, und deckt eine erschreckende Verschwörung auf, die die Geburt des leibhaftigen Bösen herbeiführen will.
Zugegeben, auch Ich habe bei der Ankündigung eines Prequels gestöhnt, allerdings aus den falschen Gründen. Mein erster Gedanke „Wer braucht denn bitteschön anno 2024 ein Prequel zu DAS OMEN?“ hielt sich wacker, bis allerdings die ersten Kritiken eintrudelten, die dem Film echte Qualität bescheinigten. Trotzdem war ich vorsichtig und gab dem Ganzen erst mit der Veröffentlichung bei Disney+ eine Chance und war tatsächlich ziemlich angetan von Arkasha Stevensons düsterem Nonnenhorror.
Bevor Ich allerdings die positiven Aspekte hervorhebe möchte ich anmerken, dass auch DAS ERSTE OMEN an den gängigen Prequel-Krankheiten leidet. Wirkliche Spannung ist nur punktuell vorhanden, denn wie jeder weiß, kann der Film nur dort enden, wo das Original beginnt, nämlich wenn das Kind des Teufels in die Hände des von Gregory Peck gespielten Diplomaten „Robert Thorn“ gegeben wird. Der Film muss zwangsläufig darauf hinarbeiten, was dafür sorgt, dass man schon von Haus aus weniger in ihn investiert. Natürlich versucht man das ein wenig zu kaschieren, indem ein Side-Plot um eine Verschwörung in der katholischen Kirche ins Spiel gebracht wird, der aber auch eher zweckdienlich vonstattengeht und keine großen Überraschungen bietet. Was das Drehbuch allerdings auf die Kette bekommt, ist das die Etablierung eines gewissen Unbehagens, scheint doch kaum eine der Figuren vertrauenswürdig zu sein und generell sind die kritischen Töne gegen die katholische Instanz allgegenwärtig.
Die große Stärke von DAS ERSTE OMEN liegt aber nicht im Storytelling, sondern in der Inszenierung und der gesamten audiovisuellen Qualität. Tatsächlich kann man dem Film attestieren, die bisher wohl bestaussehendste Horrorproduktion des bisherigen Kinojahres zu sein. So geizt Stevensons Nonnenschocker nicht Schauwerten und damit sind nicht die gelungenen Effekte gemeint, sondern die wirklich sichtlich hohen Produktionswerte. Liebevoll gestaltete Sets, viele Statisten, hervorragende Beleuchtung, DAS ERSTE OMEN sieht hervorragend aus, nicht nur aufgrund der Tatsache, dass man on Location in Rom drehte, sondern auch weil der ganze Film so aussieht, als sei er auf analogem Material gedreht worden. Das beschert dem Prequel einem herrlich altmodischen Look und versprüht unweigerlich das Feeling des Horrorkinos der 1970er Jahre, wobei ich mich fast schon die Vertreter des italienischen Genrefilms erinnert fühlte, welches nicht umsonst zahlreiche Vertreter der sog. Nunsploitation hervorbrachte.
An dieser Stelle ist auch das hervorragende Sounddesign hervorzuheben, weshalb ich mich beim Schreiben dieser Zeilen ein wenig ärgere, dass ich DAS ERSTE OMEN nicht doch im Kino gesehen habe. Die Tonkulisse erzeugt den nötigen Effekt und trägt genauso viel zur Stimmung bei wie der gelungene Score von Mark Korven, der selbstverständlich auch die Musik von Jerry Goldsmith aus dem Original zitiert. Besonders stark zeigt sich die Regisseurin aber auch den natürlich essenziellen Schockmomenten. Immer wieder werden zwar auch Bilder kreiert, die deutlich Donners Film referenzieren und der ein oder andere Todesfall scheint daraus entlehnt zu sein, im Jahr 2024 geht das Ganze aber auf grafischer Ebene natürlich nochmal zwei Stufen höher. So geizt DAS ERSTE OMEN nicht mit blutigen Einfällen oder drastisch inszenierten Sequenzen, die stellenweise ziemlich wehtun. Wenn einem Priester, gespielt von Charles Dance, im Prolog der halbe Kopf weggesplattert wird, mag das noch unter exploitative Unterhaltung fallen, im weiteren Verlauf werden aber auch die Gewaltszenen immer unangenehmer, insbesondere bei einer bestimmten Szene, die man bewusst kürzte, da sonst das berüchtigte NC-17-Rating in greifbarer Nähe gewesen wäre. Generell sind Schwangerschaft und Geburt zentrale Themen des Films, mit denen Stevenson immer weiter ins Body-Horror-Genre abdriftet. Zudem sind die Goreszenen allesamt erfreulicherweise handgemacht, ein Hoch auf die praktische Effektkunst.
Auch auf der Darstellerseite gibt es nicht viel zu bemängeln. Es ist immer erfreulich Bill Nighy in solche düster angelegten Rollen zu sehen, das große Plus ist allerdings Hauptdarstellerin Nell Tiger Free, die mit Bravour die „Schwester Margaret“ verkörpert. Ist sie zu Beginn noch eher das stille Mäuschen, fährt sie gen Ende aber Alles auf, was sie zu bieten hat und brilliert vor allem in einer Szene, in der sie ohne Computertricks nur mit Zuckungen und Verrenkungen die tierische Seite ihrer Figur nach Außen kehrt. Stark.
Nachdem DAS ERSTE OMEN keine großen Massen in die Kinos locken konnte, erschien er bereits Ende Mai ohne Zusatzkosten bei Disney+. Nun schiebt Leonine Studios mit etwas Abstand eine Blu-ray- und DVD-Auflage nach. Uns lag zur Sichtung die DVD vor, Bild- und Tonqualität sind gut, die HD-Version ist aber natürlich vorzuziehen. Neben dem Trailer beinhaltet die Scheibe einige Featurettes als Bonusmaterial.
Fazit:
DAS ERSTE OMEN (2024) erzählt eine Geschichte, die niemand gebraucht hätte, schon gar nicht wenn man das Original von Richard Donner gesehen hat. Allerdings ist das Prequel abseits seiner Vorhersehbarkeit und inhaltlichen Schwächen ein wirklich sehenswerter Film, der hervorragend aussieht, verdammt gut klingt und gerade in Sachen Atmosphäre und Schockmomente auf ganzer Linie punktet. Ein wirklich sehenswerter und stellenweise ziemlich derber Schocker, der mit vielen Horrorproduktionen, die in diesem Jahr erschienen sind, locker den Boden aufwischt und Lust auf kommende Projekte der Regisseurin macht.
Amazon Partner Links:
Christophers Filmtagebuch bei Letterboxd – Your Life in Film